Blackouts durch Intelligente Stromzähler?

  • Blackouts durch Intelligente Stromzähler?
  • Link zum Eckpunktepapier

Physiker der Universität Bremen malen eine „schwarze“ Stromzukunft. Aber ist das Gemälde auch realistisch?

(Abb. Eckpunktepapier)
„Intelligente Stromzählern“ erkennen die günstigsten Tarife, die je nach Tageszeit variieren, und ermöglichen so, Strom zu sparen. Vielzitiertes Beispiel: Eine entsprechend programmierbare Waschmaschine läuft erst dann, wenn eine vorher definierte Preisgrenze unterschritten wurde. Wissenschaftler des Instituts für Theoretische Physik der Universität Bremen haben jedoch Zweifel, dass dieser Ansatz das leistet, wozu er erdacht wurde – nämlich Stromschwankungen im Netz, die vor allem durch Wind- und Solarenergie entstehen, zu verringern. Sie haben den Markt, der bei einer großflächigen Verbreitung von Intelligenten Stromzählern entsteht, simuliert. Ihr Ansatz: Wenn alle ihre Wäsche waschen, wenn der Strom am billigsten ist, starten plötzlich unzählige Waschmaschinen auf einmal. „Dann wird ein kollektiver Lawinen-Mechanismus ausgelöst, der die Stromnetze extrem belastet – Blackouts wegen unerwarteter Überlastung nicht ausgeschlossen“, so der Bremer Physiker Stefan Stefan Bornholdt.
Nach seiner Meinung ist der massenhafte Einsatz von „intelligenten“ Stromzählern „ein Schnellschuss, der nicht sorgfältig bis zum Ende durchdacht ist“. Man müsse die Versorger darauf aufmerksam machen, dass sich derartige Szenarien abspielen könnten, so Bornholdt in der Veröffentlichung „Wirtschaftsphysik der adaptiven Strommärkte: Wenn ein Markt Schwankungen nicht dämpft, sondern verstärkt („Econophysics of adaptive power markets: When a market does not dampen fluctuations but amplifies them”, Physical Review E 92, 22. Juli 2015, hier).

Anmerkung der Redaktion

Die Bremer Wissenschaftler berücksichtigen relativierende Faktoren nicht. Es ist zum Beispiel nicht gesagt, dass alle Stromanbieter genau gleichzeitig den Preis senken. Und die Tarifstrukturen der Kunden werden unterschiedlich sein. Deswegen zeigen sich auch die Energieversorger wenig beunruhigt. Derzeit ist man außerdem erst ganz am Anfang. Das Smartmeter-Rollout beginnt laut Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums erst 2017 und wird „normale“ Haushalte – wenn überhaupt – erst mittelfristig erreichen.
Auch beim Einsatz von Navigationsgeräten in Autos hatten besorgte Forscher vor den Folgen gewarnt: Sei eine Straße verstopft, berechnen die Navis eine alternative Route. Tun die Geräte das alle gleichzeitig, ist der Stau auf der Hauptstrecke verschwunden, dafür sind die Ausweichstrecken überlastet. Die Realität zeigt jedoch, dass dieser Fall kaum eintritt.

Den Link zum Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums finden Mitglieder von cci Wissensportal auf Seite 2.

Artikelnummer: cci35359

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