BGH: Kein Ersatz mehr für fiktive Mängelbeseitigungskosten

Wegweisende BGH-Entscheidung: Künftig ist es nicht mehr möglich, statt der Leistung Schadensersatz auf Basis von fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend zu machen.

Der BGH-Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Beim Neubau eines Hauses wurden Kalksteinplatten verlegt. Die Steinarbeiten erwiesen sich als mangelhaft; es kam zu Rissen und Ablösungen. Der Architekt war mit Planung und Überwachung beauftragt. Der Besteller ließ den Mangel nicht beseitigen, sondern verlangte Schadensersatz („kleiner Schadensersatz″, §§ 634 Nr.4, 280, 281 BGB) vom Errichter und dem Architekten. Die Höhe des Anspruchs berechnete der Besteller auf Grundlage der Kosten, die für eine Beseitigung des Mangels angefallen wären („fiktive Mängelbeseitigungskosten″). Landgericht und Oberlandesgericht hatten Errichter und Architekt zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Bisherige Rechtsprechung: Eine solche Vorgehensweise war zulässig. Auch im Kaufrecht ist die Liquidation fiktiver Mängelbeseitigungskosten als Methode für die Berechnung des kleinen Schadensersatzes anerkannt.

Neue Rechtsprechung: Wenn ein Besteller keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, hat er auch keinen Vermögensschaden in Höhe dieser lediglich fiktiven Aufwendungen. Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten führt zudem häufig zu einer Überkompensation und bedeutet oftmals eine nicht gerechtfertigte Bereicherung des Bestellers.
Der BGH weist darauf hin, dass der Besteller keinesfalls schutzlos bleibt. Bei Durchführung von Mängelbeseitigungsmaßnahmen hat dieser die Möglichkeit, die aufgewandten Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, alternativ Befreiung von den zur Mangelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten. Auch gibt es die Möglichkeit des Vorschusses.
Im Hinblick auf den mitverklagten Architekten gilt das Gleiche. Auch hier scheidet eine Berechnung eines Ersatzanspruchs auf der Basis von fiktiven Mängelbeseitigungskosten aus. Der Besteller hat nach dieser neuen Rechtsprechung bei Nichtbeseitigung eines Mangels die Möglichkeit, den Minderwert des Bauwerks im Vergleich zum hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung zu verlangen oder aber bei Veräußerung des Objekts auf der Basis des Mindererlöses. Auch hat der Besteller die Möglichkeit, ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers zu ermitteln und gegenüber dem Architekten geltend zu machen. Für den Fall, dass der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen lässt, stellt der BGH hinsichtlich der Ansprüche gegenüber dem Architekten einen Gleichlauf mit den Ansprüchen des Bestellers gegenüber dem ausführenden Unternehmen her. Erstens gibt es – wie bisher – den Anspruch auf Ersatz der tatsächlich aufgewandten Kosten. Zweitens gibt es (vor Begleichung der Kosten) einen Befreiungsanspruch gegenüber dem Architekten. Drittens – dies ist neu – wird dem Besteller ein Vorschussanspruch gegenüber dem Architekten zugebilligt. Dies begründet der BGH mit dem Umstand, dass dem Besteller die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung abgenommen werden müssten.

Spannend wird die neue Rechtsprechung des BGH für anhängige Verfahren. In Haftpflichtprozessen gegen Architekten ist anzunehmen, dass der bislang geltend gemachte Schadensersatzanspruch umgestellt wird auf das Begehren der Zahlung eines Vorschussanspruchs. Hier wird der Architekt, sein Haftpflichtversicherer und der betreuende Anwalt sorgfältig darauf achten müssen, dass nach (hier unterstellter) Verurteilung eines Architekten zur Zahlung eines Vorschussanspruches dieser auch endabgerechnet wird. Anderenfalls bliebe es faktisch bei der heute oftmals auftretenden Variante, dass ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht und gezahlt, jedoch der Besteller von der Durchführung einer Mängelbeseitigung absieht. Hier wäre der einmal gezahlte Vorschuss zurückzufordern, da mit der neuen Rechtsprechung des BGH anderenfalls eine Zahlung im Vermögen des Bestellers verbliebe, der als Schadensersatzanspruch auf fiktiver Basis errechnet worden wäre.

Die neue Rechtsprechung kann nur angewendet werden, wenn es um fiktive Kosten geht, der Besteller den Mangel also nicht beheben lässt. Die Entscheidung stellt klar, dass diese Grundsätze nicht nur für Werkverträge nach BGB gelten, sondern auch für VOB/B-Verträge. (BGH, Az. VII ZR 46/17, 22. Februar 2018).

Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Ansicht zur Schadensermittlung auch in anderen Rechtsgebieten (Mängel beim Kauf, Sachschäden) durchsetzt.

Artikelnummer: cci61816

Ein Kommentar zu “BGH: Kein Ersatz mehr für fiktive Mängelbeseitigungskosten

  1. als juristischer Laie finde ich es interessant, das bei gleichem Gesetzestext die Auslegung des Pragraphen dem Zeitgeist unterliegt.
    Auf die Straßenverkehrsordnung übertragen, ist es so, als würde man ab heute bei „Rot“ über die Straße gehen/fahren dürfen und bei „Grün“ halten müssen.

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