Kurz nach dem offiziellen Start des Ausbildungsjahrs am 1. September dieses Jahres konnte noch rund ein Drittel der Handwerksbetriebe in Baden-Württemberg nicht alle Ausbildungsstellen besetzen.
Die Azubi-Suche ist mitunter richtig aufwändig: Hier eine Impression aus der Recruiting-Veranstaltung „Azubi-Camp“ der Dresdner Kühlmaschinenbau GmbH. (Abb. © cci Dialog GmbH)
Dies ergab eine Umfrage des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT). Besonders auffällig: Viele Betriebe würden zwar gerne ausbilden, finden aber nicht die passenden Bewerber. Gut jeder dritte Betrieb im Land (34 %) bildete im Herbst 2019 aus. Als 2016 eine vergleichbare Umfrage zum letzten Mal durchgeführt wurde, lag der Anteil der Ausbildungsbetriebe mit 40 % noch deutlich höher.
Rainer Reichhold „Diese Zahlen können uns nicht zufriedenstellen. Denn häufig ist das Nicht-Ausbilden keine bewusste Entscheidung des Betriebs, sondern es fehlen schlicht die geeigneten Bewerber. Die Betriebe bilden also unfreiwillig nicht aus. Hierfür gibt es unterschiedliche Gründe: von der regionalen Verteilung der Betriebe, falschen Vorstellungen über Berufe bis hin zur unzureichenden schulischen Qualifikation“, sagt Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold.
So hatten knapp 17 % der Betriebe, die zurzeit gar nicht ausbilden, trotz offener Lehrstelle gar keinen Bewerber gefunden. Etwas weniger gaben an, zwar Bewerbungen erhalten zu haben, diese Kandidaten hätten jedoch nicht zum Betrieb gepasst. Zwischen den Branchengruppen gibt es große Unterschiede. Im Nahrungsmittelgewerbe konnte mehr als die Hälfte der Betriebe (53 %), die bereits ausbilden, ihre Stellen nicht vollständig besetzen. Im Ausbau- und im Bauhauptgewerbe gab es bei knapp jedem dritten Betrieb
(33 % beziehungsweise 31%) offene Stellen. Insgesamt geht der BWHT damit aktuell von einem Potenzial von rund 13.000 offenen Stellen im badenwürttembergischen
Handwerk aus. Reichhold fordert: „Die Auszubildenden, die heute fehlen, können morgen
keine Fachkräfte sein. Was wir brauchen, damit mehr junge Menschen ins Handwerk finden, ist endlich echte Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Dazu zählen die Meisterprämie, ein Azubi-Ticket, aber vor allem mehr Wertschätzung für handwerkliche Berufe in Politik und Gesellschaft. Dazu muss die Berufsorientierung in den Schulen – vor allem an Gymnasien – früher und intensiver ansetzen und das Handwerk stärker in den Blick nehmen.“
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