Gericht: Baulast ist nicht gleich Baulast

Vereinbarung ist unwirksam, wenn Nachbarn den Begriff „Baulast“ unterschiedlich verstehen.

Vereinbaren Nachbarn, dass der eine auf seinem Grundstück eine „Baulast“ für den Bau einer Windkraftanlage auf dem Grundstück des anderen übernehmen soll, ist die Vereinbarung unwirksam, wenn die Nachbarn den Begriff der „Baulast“ unterschiedlich verstanden haben und die Auslegung ihrer Erklärungen auf kein gemeinsames Verständnis schließen lässt. Das hat das Oberlandesgericht Hamm am 16. Mai entschieden (10 U 24/16).

Der Kläger plante auf seinem Grundstück eine Windkraftanlage, die den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstand zum Grundstück des Beklagten nicht einhalten sollte. Aus diesem Grund benötigte der Kläger zur Erlangung der – bauordnungsrechtliche Belange einschließenden – Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz die Bewilligung einer öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenbaulast durch den Beklagten. Die Rotorblätter seiner Windkraftanlage sollten außerdem über das Grundstück des Beklagten streichen. Aus diesem Grund verlangte die zuständige Behörde, eine – über eine Abstandsflächenbaulast – hinausgehende Vereinigungsbaulast auf dem Grundstück des Beklagten einzutragen. Nur mit einer solchen Baulast hätte der Kläger die erforderliche Genehmigung erhalten können, weil er dann – aus bauordnungsrechtlicher Sicht – zur Errichtung seiner Windkraftanlage beide Grundstücke in Anspruch nehmen konnte.

Die Parteien stritten darüber, ob dem Beklagten der Umstand der überstreifenden Rotorblätter bekannt war, als er die Übernahme einer – im Vertrag nicht näher umschriebenen – „Baulast“ auf seinem Grundstück vereinbarte. Der Beklagte meinte, dem Kläger die Bewilligung einer Abstandsflächenbaulast, nicht aber die einer Vereinigungsbaulast zugesagt zu haben. In der Folge konnte der Kläger die Windkraftanlage mangels erteilter Genehmigung nicht errichten und wollte den Beklagten auf Schadensersatz für den ihm, dem Kläger, entgangenen Gewinn, den er auf 515.000 € bezifferte, in Anspruch nehmen.

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm – Senat für Landwirtschaftssachen – entschied, dem Kläger stehe kein Schadensersatz zu, denn es fehle an einer vertraglichen Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger eine Vereinigungsbaulast zu bewilligen. Äußerlich übereinstimmend hätten die Parteien in dem Vertrag zwar vereinbart, dass der Beklagte dem Kläger die Eintragung einer „Baulast“ auf seinem Grundstück bewillige. Dabei hätten die Parteien der Bezeichnung „Baulast“ allerdings eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen, sodass der Vertrag einen versteckten Einigungsmangel (Dissens) aufweise. Der versteckte Dissens bewirke, dass der intendierte Vertrag nicht zustande gekommen sei und daher keine Rechtsgrundlage für das Schadensersatzbegehren des Klägers darstellen könne.

Der Begriff der „Baulast“ sei objektiv mehrdeutig. Von den Parteien sei er beim Vertragsschluss unterschiedlich verstanden worden. Ein geschütztes Vertrauen der Parteien, dass der Begriff der „Baulast“ nur in einem einzigen Sinne aufgefasst werden könne, sei nicht festzustellen. Es gebe mehrere Arten von Baulasten, z. B. eine Stellplatzbaulast, eine Erschließungsbaulast, eine Abstandsflächenbaulast oder eine Vereinigungsbaulast. Es gebe keine Verkehrssitte, nach der der Begriff immer in einem bestimmten Sinn gebraucht werde. Wortlaut und Zweckbestimmung des Vertrags der Parteien sprächen nicht eindeutig für ein Vertragsverständnis im Sinne einer der Parteien.

Artikelnummer: cci54546

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