Angesichts der aktuell explodierenden Preise für Energien suchen Politiker und die sie beratenden Experten nach raschen Lösungen aus der Krise. Meiner Meinung nach bietet sich dazu für den Gebäudesektor eine Kombination aus Wärmepumpe und mechanischer Lüftung als ein hocheffizientes und zukunftsfähiges Gesamtsystem an.
Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Lüftungsanlagen, die Räume jeglicher Nutzungen mit Außen- und gereinigter Luft versorgen und so das Infektionsrisiko deutlich verringern, erheblich an Bedeutung und Renommee gewonnen. Gleichzeitig boomt der Markt für Wärmepumpen. Auch durch massive politische Unterstützung etablieren sich Wärmepumpen als Alternativen zu mit fossilen Energien betriebenen Heizungsanlagen immer mehr als Standard für neue und modernisierte Gebäude. Positiver Nebeneffekt: Viele Wärmepumpen können auf einen Kältebetrieb umgeschaltet werden und dann als Kühl- und Klimasysteme arbeiten.
Lüftungsanlagen stellen bei ausreichender Luftleistung nicht nur eine gute und hygienisch unbedenkliche Raumluftqualität sicher. Die mittlerweile in fast allen RLT-Geräten integrierte Wärmerückgewinnung (WRG) ermöglicht deutliche Energieeinsparungen, besonders im Vergleich zur Fensterlüftung. In einer WRG wird der Abluft mindestens 75 bis 80 % der in ihr enthaltenen Wärme entzogen und damit kühle Außenluft zum Beispiel von 0 °C auf rund 15 °C erwärmt. Das vermeidet bei einem Luftvolumenstrom von 1.000 m³/h eine sonst zur Erwärmung notwendige (fossil erzeugte) Heizleistung von 5 kW.
Vor einigen Jahren hat Prof. Christoph Kaup (Hochschule Birkenfeld) anhand von realen Verkaufszahlen von RLT-Geräten in einer Studie berechnet, dass WRG-Systeme in Lüftungsanlagen eine durchschnittliche Arbeitszahl (rückgewonnene Wärme : zusätzlicher Strombedarf des Ventilators infolge des Druckverlusts der WRG) von rund 18 aufweisen. Zum Vergleich: Gute Wärmepumpen haben Arbeitszahlen im Bereich von 5.
Ein letztes Effizienzbeispiel. Durch den Betrieb einer indirekten Verdunstungskühlung in einem RLT-Gerät, in der die Abluft stark befeuchtet wird und dadurch abkühlt, können in der anschließenden WRG pro 1.000 m³/h Luftvolumenstrom rund 2 bis 3 kW Kälteleistung zur Luftkühlung eingespart werden. Diese müsste sonst mit Strom in einem Wasserkühlsatz erzeugt werden.
Auf Basis dieser Fakten plädiere ich für nahezu alle Anwendungen im Wohn- und im Nichtwohnbereich für eine Kombination „Wärmepumpe/Kältemaschine plus RLT mit WRG“ als ein ökologisch und ökonomisch hervorragendes Gesamtsystem. Dieses ermöglicht durch eine hohe Energieeffizienz erhebliche Einsparungen an Energie und CO2-Emissionen und stellt darüber hinaus in den Gebäuden dauerhaft eine hygienische, gesunde Luftqualität sicher.
Ich würde es mir nun sehr wünschen, dass diese – hoffentlich überzeugenden – Argumente über die LüKK hinaus auch von politischen Entscheidern bei der anstehenden Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes und der begleitenden Förderrichtlinien berücksichtigt werden. Und bei diesem Wunsch geht es mir nicht um ein Konjunkturprogramm für Lüftungsanlagen und die LüKK, sondern vielmehr um das Beachten von meiner Meinung nach gesamtheitlich sinnvollen und nachhaltigen Lösungen mit besten Auswirkungen für die Bereiche Energie und Gesundheit.
Ihr Dr.-Ing. Manfred Stahl
cci171555
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Ihrem Plädoyer stimme ich voll und ganz zu sehr geehrter Herr Stahl, wenn mir auch die Sprache für Politik und Betreiber etwas zu technisch scheint, aber Sie richten sich hier und in diesem Fall ja an ein Fachpublikum. Für Eigentümer, Mieter und Betreiber zählen jedoch meist nur EUR & ROI.
Das von Ihnen beschrieben, absolut stimmige Konzept zur Effizienzsteigerung, ist meiner Auffassung nur etwas Wert, wenn gleichzeitig die maximale Dichtheit (gemeint ist mindestens DK C bzw. ATC3) dieser Lüftungsanlagen mit WRG vollständig geprüft, nachgewiesen und sichergestellt wird, da sonst weiterhin bei Neubauten eine Überdimensionierung der RLT-Anlagen gängige Praxis sein wird, um Leckagen an Leitungen und Geräten (u.a. hat Prof. Kaup ja interessante Berechnungen zu Geräteleckagen angestellt) auszugleichen.
In der Regel sprechen wir von mind. 10-20% des Luftvolumenstroms, der verloren geht und oftmals weitaus mehr. OK, Leckagen bei der Abluft können der Wärmerückgewinnung ja unter gewissen Umständen sogar zuträglich sein, wie ich mir habe erklären lassen. Dies kann doch aber beim besten Willen kein Argument für Leckagen sein. Selbe Situation gilt für den Gebäudebestand egal welchen Baujahrs. Ups, habe ich hier mal wieder den Finger in die Wunde gelegt?
Manch Einer in der Branche spricht gar von einem Skandal und die Stimmen werden lauter. Und genau hier liegt und lag der Hund doch begraben! Andere negativen Konsequenzen für Eigentümer, die durch Leckagen entstehen, möchte ich gar nicht weiter ausführen wie z.B., höhere Gesamtbaukosten (Statik, Schall, Isolierung, Raumvolumina etc.), höhere Druckverluste, niedrigere Luftwechselraten, negative Einflüsse auf die Raumluftqualität bzw. die Neudeutsch IEQ etc. oder wie aktuell das Infektionsrisiko. Bei der Untersuchung der Infektionsrisiken in Deutschen Theatern letztes Jahr, wurden die Leckagen einfach unterschlagen und mit den Angaben der Volumenströmen auf den Lüftungsgeräten kalkuliert. Das ist schon skandalös finde ich…
Hier besteht doch der eigentliche Handlungsbedarf für die Politik in Form einer entsprechender Gesetzgebung & Kontrolle!
Abschließend noch ein aktuelles Beispiel aus der Praxis: Ein Kunde von uns berechnete noch vor der Pandemie und Energiekrise ca. EUR 1,50 pro m3/h pro Jahr für seine Bürogebäude. Aktuell liegt dieser Wert bei ca. EUR 2,50, bei unterstellten Leckagen von rund 15%. Allein durch die Herstellung der erforderlichen Dichtheit, erwarten wir ein Einsparungspotential von 30-50% bei einem ROI von rund 3-5 Jahren, bezogen auf einen typischen Bürokomplex in Stuttgart. Hier geht es um sechsstellige Einsparungspotentiale und das ist das einzige Thema, was den Markt wirklich bewegt!
Für diese Effizienzmaßnahme werden übrigens nur 2 Fachkräfte benötigt (Stichwort Handwerkermangel!) und bauliche Eingriffe oder gar Betriebsunterbrechungen sind nicht notwendig. Kombiniert man dies noch mit einem Ventilatortausch und einer bedarfsgerechten Regelung, kann man ohne großen Aufwand noch mehr Einsparungspotential erschließen.
Rund 220 Millionen Wohn- und Nicht-Wohngebäude wurden in Europa vor 2001 gebaut. Das sind 85% des gesamten Gebäudebestands. Um die Einsparungsziele der EU zu erreichen, muss sich die Sanierungsquote in den nächsten Jahren mind. verdoppeln. Aktuell bekanntlich bei 1%…
Ich denke einfache und schnell umsetzbare Maßnahmen, mit wenig Personalbedarf und einem kalkulierbaren ROI, sollten hier Vorrang haben und auf dem Radar der Politik erscheinen und nicht die einer gewissen Lobby. Auch wenn diese manchmal nicht ganz so sexy & smart klingen wie das was unsere Branche aktuell so alles propagiert…