Kommentar: Auf keinen Fall nachlassen

Thomas Reuter (Abb. © cci Dialog GmbH)

Deutschland hat gewählt. Und zwar nicht nur in der Bundestagswahl, sondern auch in seiner Verpflichtung gegenüber gesetzlichen Regelungen – sowohl national als auch im europäischen Rahmen wie mit dem Green Deal. In der Folge entstand das für die LüKK maßgebliche Gebäudeenergiegesetz (GEG), entworfen vom Kabinett Merkel. Daran muss sich auch die künftige Regierung messen lassen.

Der Green Deal und auch das Bundes-Klimaschutzgesetz (2019) legen fest, dass und wie die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben gewährleistet werden soll. Was nun nach der Wahl mit dem GEG passiert, steht noch nicht fest.

Bekanntlich sorgte besonders das Gebäudeenergiegesetz, für die Fachwelt schmerzlich zum „Heizungsgesetz“ degradiert, für politische Diskussionen und steht immer wieder auf dem Prüfstand – Stichwort „Technologieoffenheit“. Allerdings war im Wahlkampf eher die Frage nach dem „richtigen“ Heizsystem beziehungsweise Wärmeerzeuger das Thema – über Wärmepumpen wurde weniger fachlich-technisch, sondern eher emotional-populistisch gestritten, was ich persönlich sehr bedauere.

Das darf nun beim GEG und der Dekarbonisierung des Gebäudesektors nicht passieren. Denn der Gebäudesektor spielt eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Wärme- und Energiewende, schließlich steht er für etwa 35 % des Endenergieverbrauchs und etwa 30 % der CO₂-Emissionen. Laut dena-Gebäudereport (cci288640) gibt es in Deutschland 1,98 Mio. beheizte oder gekühlte Nichtwohngebäude, von denen 60 % vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1979 errichtet wurden. Bezogen auf den gesamten Energieverbrauch des Gebäudesektors verbrauchen Nichtwohngebäude 36 %. In absoluten Zahlen ausgedrückt, sollen die CO₂-Äquivalente von 118 Mio. t (2020) auf 67 Mio. t (2030) sinken und schließlich im Jahr 2045 ein klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden. Ein wichtiges Zwischenziel war der 1. Januar 2025 für den § 71 a des GEG: Seit 1. Januar müssen Nichtwohngebäude mit mehr als 290 kW thermischer Leistung mit Gebäudeautomationssystemen ausgestattet sein. Hintergrund ist, dass durch die Implementierung eines GA-Systems der Energieverbrauch intelligent gesteuert und überwacht wird, um Lastspitzen zu vermeiden und Betriebszeiten bedarfsorientiert zu gestalten – vor allem aber auch den Energieverbrauch zu senken. Dadurch „arbeiten“ Gebäude effizienter und es werden sowohl Kosten als auch CO₂-Emissionen eingespart.

Laut REHVA, der Vereinigung von HLK- und TGA-Ingenieuren, kann Gebäudeautomation dies erreichen: „Maßnahmen des aktiven Energiemanagements − also der Nutzung der technischen Möglichkeiten der Gebäudeautomation für eine bestmöglich effiziente Steuerung aller gebäudetechnischer Anlagen in einem Gebäude − können im Einklang mit dem Nutzerverhalten Energieeinsparungen von 5 bis 20 % bringen und sich in weniger als zwei Jahren amortisieren.“

Blickt man allerdings auf die aktuelle Realität im Gebäudebestand, hinkt die Umsetzung den politischen Vorgaben meilenweit hinterher. Fragt man Dr. Peter Hug, Geschäftsführer des VDMA Fachbereichs AMG, Automation + Management für Haus + Gebäude, heißt es aus Frankfurt: „Das ist noch überschaubar. Große Bestandshalter schätzen die Zeit, die benötigt wird, um ihre Gebäude GEG-konform mit GA nachzurüsten, auf etwa zehn
Jahre. Gründe dafür sind neben Kapazitätsengpässen und fehlenden Budgetmitteln unter anderem auch langwierige Ausschreibungsverfahren.“

Was für ein ernüchterndes Zwischenfazit. Angesichts dieser langen noch zu gehenden Strecke kann der Appell aus der Branche an die Politik nur lauten, die bisherigen Beschlüsse in GEG und im Green Deal nicht zu zerreden, aufzuweichen oder im schlimmsten Fall gar zu streichen. Dieses Szenario hält Dr. Hug allerdings auch für sehr unwahrscheinlich: „Anpassungen sind zu erwarten. Aber dass die neue Regierung riskiert, exakt formulierte europäische Vorgaben der EPBD komplett zu streichen, erscheint unwahrscheinlich. Denn das könnte in einem Vertragsverletzungsverfahren münden. Folge wäre eine empfindliche Vertragsstrafe. Und Geld kann die EU bekanntlich immer gebrauchen.“

Und dafür hat Deutschland keins. Also auf keinen Fall jetzt nachlassen.

Ungeachtet der Zusammensetzung der neuen Regierung sollten alle Beteiligten weiter an der Dekarbonisierung des Gebäudebestands arbeiten und die Maßnahmen des GEG umsetzen, wenngleich auch klar sein muss, dass dies noch viel Zeit in Anspruch nimmt. Doch nur ein ehrgeiziger Zeitplan bewirkt auch eine gewisse und notwendige Dringlichkeit.

Motiviert grüßt Sie

Thomas Reuter

thomas.reuter@cci-dialog.de

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3 Kommentare zu “Kommentar: Auf keinen Fall nachlassen

  1. Die neue Regierung muss die ideologisch motivierten Inhalte im GEG wieder in einen technologie- offenen Kontext stellen.
    Weiterhin ist es ein Skandal, dass das GEG im Hinblick auf die Energieeffizienzanforderungen von Wärmepumpen keinerlei Vorgaben mehr macht (Ausnahme im Verhältnis Mieter/Vermieter).
    Hier besteht wirklich Handlungsbedarf!

  2. Die Pflicht zur Gebäudeautomation ab 290 kW Heiz- / Kühlleistung ist ein ähnlich „scharfes“ Schwert wie die energetische Inspektion für RLT- und Kälteanlagen ab 12 kW und 10 Jahren Alter – ebenfalls im GEG festgelegt.
    Solange es keine Überprüfung und Pönalen für die Missachtung des GEG gibt, wird hier wenig passieren. Da können die Einspareffekte noch so groß sein. Nur, wer soll das bei den knapp 2 Mio. Nichtwohngebäuden prüfen? Der Zoll, die Polizei, der TÜV, eine neue (Landes-) Behörde, …?
    Der EU green deal ist hier deutlich schlauer unterwegs und knüpft günstige Kreditlinien an die Nachhaltigkeit des Gebäudes (smart readiness indicator). Hier sollte die neue Regierung einmal genauer hinschauen und lernen.

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