
Die Entwürfe zur neuen DIN EN 378 sind umfangreich und fachlich fundiert – aber kaum praktikabel. Planer, Anlagenbauer und Betreiber werden mit hochkomplexen, rechtlich bindenden Vorgaben zur Sicherheit von Kälteanlagen und Wärmepumpen konfrontiert, bei denen Theorie und Praxis weit auseinanderklaffen. Ein Kommentar.
Die vier Entwürfe zur Neufassung der DIN EN 378 „Kälteanlagen und Wärmepumpen – Sicherheitstechnische und umweltrelevante Anforderungen“ zählen fast 500 Seiten (deutsch/englisch) (siehe cci301243). Unbestritten ist die Bedeutung dieser Norm. Sie dient dem Schutz von Personen, Sachwerten und der Umwelt und hat rechtlich bindende Bedeutung (siehe cci89380).
Doch wie der europäische LüKK-Verband Air conditioning and Refrigeration European Association (AREA), Brüssel, mitgeteilt hat, sind die in den Entwürfen vorgeschlagenen Änderungen sehr umfangreich und komplex und werden erhebliche Auswirkungen auf die Konstruktion und Installation von Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen haben. Der Verband fordert die Branche daher dazu auf, sich an dem bis 25. September dieses Jahres offenen Konsultationsverfahren zu beteiligen. So solle sichergestellt werden, dass bei der Neufassung die Interessen der Anwender ausreichend berücksichtigt werden. Aber wie soll kommentiert werden, was selbst für Spezialisten kaum zu erfassen ist?
Ich frage mich, wie die Normenentwürfe in ihrer vollen Tragweite kommentiert – geschweige denn angewendet– werden sollen, wenn deren Umfang und Komplexität die adressierte Zielgruppe überfordern? Hier gibt es eine gefährliche Schieflage zwischen normativem Anspruch und Praxis. Diese wird auch nach dem Ende der Konsultationsfrist nicht geradegerückt sein. Daher hier ein paar Gedanken, wie die Umsetzung nach der für Mai 2026 erwarteten Veröffentlichung der Weißdrucke besser gelingen könnte:
- Interpretationshilfe: Die Normenverantwortlichen könnten einen „Technischen Anwendungskommentar“ zur DIN EN 378 veröffentlichen, der leicht verständlich zentrale Aspekte erklärt und typische Anwendungsfälle behandelt – wie bei der DIN EN 16798, bei der es zu jedem Normenteil eine „Interpretation der Anforderungen“ gibt.
- Gestaffelte Anwendungstiefe: Eine Trennung zwischen „Muss-Wissen“ und „Vertiefungs-Wissen“ innerhalb der Norm selbst oder in Begleitmaterialien wäre hilfreich.
- Schulungsstandards und E-Learning: Wenn die Norm schon faktisch Gesetzeskraft besitzt, sollten dafür auch flächendeckende Schulungsangebote existieren – am besten modular aufgebaut und digital verfügbar.
Fazit: Die Entwürfe zur neuen DIN EN 378 erfüllen formell betrachtet ihren Anspruch als technische Regelwerke. Sie sind sorgfältig recherchiert, fachlich fundiert und enthalten zahlreiche sicherheitsrelevante Detailvorgaben. Doch das ist nur eine Grundvoraussetzung. Entscheidend ist, ob die Norm in der Breite verstanden, umgesetzt und gelebt werden kann. Die vorliegenden Entwürfe schließen jedoch nicht die Lücke zwischen Theorie und Praxis, die bereits die bisherigen Weißdrucke kennzeichnet. Aber Normung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich am Alltag der Anwender messen lassen. Als Interessenvertretungen tragen die Fachverbände und Innungen eine besondere Verantwortung, zwischen betrieblicher Realität und Normung zu vermitteln.
Eine Zusammenfassung der noch aktuellen Weißdrucke der DIN EN 378 findet sich in cci Wissensportal unter der Artikelnummer cci132729. Unter Artikelnummer cci84789 wird darüber hinaus DIN EN 378 Teil 4 „Betrieb, Instandhaltung, Instandsetzung und Rückgewinnung“ zusammengefasst und analysiert.
Eine monatlich aktualisierte Übersicht mit mehr als 350 Normen, Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen aus der LüKK und TGA finden Sie in cci Wissensportal unter der Artikelnummer cci257169. In dieser nach Themenbereichen gegliederten Tabelle sind die Neuerscheinungen des Jahres 2025 in blau und die über 130 technischen Regeln, zu denen die Redaktion Zusammenfassungen erstellt hat, in grün gekennzeichnet (mit zugehörigen Artikelnummern).
Peter Reinhardt
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Normen und Richtlinien spiegeln technische Vorgaben, die (das liegt in der Natur der Sache) oft komplex sind. Hier sind erst einmal die Hochschule gefordert, den angehenden Planerinnen und Planern das Wissen praxisnah zu vermitteln.
Allerdings möchte ich mich als Mitglied in Richtlinienausschüssen nicht von übertechnisierten und zunächst einmal verwirrenden Formulierungen freisprechen.
Ein vergleichsweise einfaches Mittel gibt es dennoch: Mitmachen. Jede fachlich kompetente Person ist herzlich eingeladen an der Normen- und Richtlinienarbeit mitzuwirken. Wir sind kein geheimer Zirkel, sondern hier der Transparenz und der Sache verpflichtet.
Sie haben Recht, Herr Fieberg. Mitmachen ist immer besser als meckern!