Bundesarbeitsgericht: Krank ist krank

An einem Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeitszeit braucht ein Arbeitnehmer nicht teilzunehmen.

(Abb. © Rafa Irusta/Fotolia.com) Ein durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhinderter Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen. Der Kläger war ärztlich attestiert arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arbeitgeber lud ihn in dieser Zeit zweimal zu einem Personalgespräch ein und mahnte ihn schließlich ab. Die Vorinstanzen gaben der auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte gerichteten Klage statt. Die Revision des beklagten Arbeitgebers vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte keinen Erfolg (Urteil vom 2. November 2016 – 10 AZR 596/15).

Urteilsbegründung
Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers umfasst die Pflicht zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber während der Arbeitszeit im Betrieb angewiesenen Gespräch, dessen Gegenstand Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung ist, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht anderweitig festgelegt sind (§ 106 Satz 1 GewO). Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen muss, ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen. Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist es dem Arbeitgeber allerdings nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeigt. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage.
Nachdem die für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens im Betrieb darlegungs- und beweispflichtige Beklagte solche Gründe nicht aufgezeigt hatte, musste der Kläger der Anordnung der Beklagten, im Betrieb zu einem Personalgespräch zu erscheinen, nicht nachkommen. Die Abmahnung ist daher zu Unrecht erfolgt, weshalb der Kläger ihre Entfernung aus der Personalakte verlangen kann.
 

Artikelnummer: cci44083

Schreibe einen Kommentar

E-Paper