Der Meinungsbeitrag „Wie detailliert sollte eine LüKK-Planung sein?“ von Dr. Manfred Stahl hat bereits direkt nach dem Erscheinen zahlreiche Kommentare erhalten und beschäftigt auch weiterhin unsere Leser. Nachfolgend die Leserkommentare zu Meldungen in cci Branchenticker.
„Wie detailliert sollte eine LüKK-Planung sein?“ (siehe cci276915) hat sich Dr. Manfred Stahl in seinem Meinungsbeitrag gefragt. Vorausgegangen ist die Ankündigung, dass künftig mehrere technische Regeln zur Projektierung von Lüftungsanlagen um Berechnungen und Simulationen zu deren dynamisch-instationärem Betrieb erweitert werden sollen. Solche dynamischen Simulationen und Berechnungen in der täglichen Planungspraxis von Standard-Lüftungsprojekten sind seines Erachtens verzichtbar.
Direkt nach Erscheinen des Meinungsbeitrags gab es mehrere Reaktionen hierzu. Christian Fieberg, Norbert Nadler, Detlef Malinowsky, Dirk Lind und Reinhard Siegismund hatten sich geäußert (siehe Leserstimmen vom 20. Juni).
Nun sind weitere Kommentare hinzugekommen.
So schreibt Marcel Blumenthal: „Sehr geehrte Herren, auch ich schließe mich den Kommentaren an und möchte auch ein bisschen Prosa loswerden – Zitat: ‚wir sind erkenntnisstark und handlungsschwach‘. Allen am Planungs- und Bauprozess Beteiligten ist klar, das das System krankt. Unzureichende Planungen, Bauüberwachungen und Bauausführungen und IBN sind ein Teil des Problems. Das in Gewerken aufgegliederte Planungssystem, das übergreifende bzw. integrale Planung verhindert ebenso. Das dies dann durch die HOAI entsprechend flankiert wird, ist der Geschichte geschuldet und nur logisch. Aus meinen Gesprächen als Vertreter des Bauherrn und Betreiber von öffentlichen Gebäuden kann ich Ihnen auch bestätigen, das viele Fachplaner überhaupt keine Vorstellung davon haben, wie sich eine reale Anlage der TGA (hier RLT) tatsächlich verhalten und jeden in den technischen Randbedingungen der Anlage möglichen instationären Zustand einnehmen kann und dies auch tut. Technisches Monitoring wie wir und sicher viele andere Betreiber es mittlerweile umsetzen zeigt dies deutlich. Dieses Wissen steht Fachplaner jedoch nicht zur Verfügung! Das kommunale Haushaltsrecht und der Anspruch verantwortungsvoll mit den Steuermitteln und Fördergeldern umzugehen, führt ebenfalls dazu das der billigste Bieter mit dem wirtschaftlichsten verwechselt wird. LCC Betrachtungen finde in Vergaben keine Rolle. Versuchen Sie mal mit einem Fördermittelgeber über dieses Thema zu sprechen und zu erklären, das die Planungs- und Baukosten lediglich 10 bis 15 % der Gesamtkosten eines Gebäudes ausmachen. Sicherlich gibt es Speichermassen Modelle nach VDI 6007, wie sie auch der VDI 2078 zu Grunde liegen. Aber das sind halt Modelle und die Nutzungsprofile sind subjektive Einschätzungen oder einfach normative Vorgaben. Mit der Realität haben diese weniger zu tun. Trotzdem finde ich den genannten Ansatz der Lastverschiebung spannend (wenn man die technischen Anlagen dazu plant und baut). Sollte es gelingen einen kompletten digitalen Zwilling zu schaffen, der nicht einfach nur eine statische IFC Leiche darstellt, der auch das Gebäude in seinem realen städtebaulichen und klimatischen Umfeld abzubilden, nähern wir uns vielleicht der Wahrheit. Die von Herrn Malinowsky aufgezählten und sich alltäglich wiederholenden Punkte können dadurch jedoch nicht beseitigt werden. Es ist eher davon auszugehen, das das noch viel schlimmer wird. Fachkräftemangel und immer schlechtere Schüler, die kaum die Ausbildungsreife erreichen führen dazu, das die Normenwelt tatsächlich zu einem akademischen Wolkenkuckucksheim degradiert, in dem sich Industrielobbyisten austoben dürfen, um aktive Marktgestaltung umzusetzen.“
Ein weiterer Kommentar kommt von Thilo Bauschke: „Guten Tag Herr Stahl, bezugnehmend auf ihre Frage, wie detailliert sollen Lüftungsanlagen projektiert werden, würde ich mich gerne in die Diskussion als HOAI-Sachverständiger (Anm. d. Red.: HOAI = Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) einschalten.
Technisch:
Um Lüftungsanlagen auf dem Stand der Technik zu planen, sind Simulationen jeglicher Art sehr hilfreich.
Es beginnt jedoch schon bei der grundsätzlichen Auslegung der Vorparameter, also zum Beispiel thermischen Simulationen des Gebäude, der Nutzung, der gesamten Rahmenparameter, die Einfluss auf eine Lüftungsanlage haben können. Und natürlich müssten dann auch die Gebäude in ihrem thermischen und nutzungsspezifischen Bedingungen simuliert werden. Bisher werden Gebäude überwiegend in statischen Betrachtungen bewertet. Aus meiner Sicht gehören auch Strömungssimulationen mit den Raumkonditionen dazu. Denn hier liegt ein erhebliches Einsparpotential, aber auch eine der Quelle für Probleme und Unzulänglichkeiten.
Letztendlich ist jede Information, die eine Gebäude und die technischen Anlagen passgenau machen, aus technischer Sicht zu begrüßen.
Honorar:
Die HOAI ist hier eindeutig. Simulationen jeglicher Art sind besondere Leistungen, müssen zusätzlich vergütet werden. Wenn jetzt Simulationen in die Regelwerke aufgenommen werden, stellen sich mehrere, zum Teil hochkomplexe juristische Fragen:
– Sind die Simulationen dann vertraglich geschuldeter Inhalt einer nach HOAI beauftragten Planung?
– Wird mit einer Novelle von Regelwerken dann die Vergütung „quasi über die Hintertür“ ausgehebelt?
– Wer liefert die Grunddaten und wer kann die Grunddaten einer Simulation überhaupt ermitteln, vorgeben?
Soll dies der Bauherr leisten?
Ist das ein Thema der Bedarfsermittlung, also §650p BGB? Oder wird das ebenfalls zur Grundleistung nach HOAI im Rahmen der Grundlagenermittlung?
-Wer simuliert und wer haftet für die Annahmen einer Simulation. Denn „Simulanten“ sind nicht gleich auch die Projektierenden. Gerade in multikomplexen Zusammenhängen wird es vermutlich früher oder später speziell ausgebildete Fachkräfte geben, die sich um alle Simulationsthemen kümmern (Gebäude, Energieversorgung, Schall, Schwingung, etc. und dann wohl auch Lüftungsanlagen?). Oder sollen die Simulationen, dann losgelöst durch die Lüftungsplaner erfolgen? Wer sorgt dafür, dass die Simulationen dann im multikomplexen Gesamtkontext richtig eingebettet sind. Wird es also einen Simulations-Koordinator geben, ähnlich einem BIM-Koordinator?
– Wo beginnt dann die besondere Leistung nach HOAI und was sind dann die besonderen Leistungen? Denn die Planenden schulden vermutlich weiterhin eine Planung nach den anerkannten Regeln der Technik, also Regelwerken, sowie oftmals nach dem Stand der Technik.
Baurecht:
Spannend wird es, wenn wir die auf Simulationen basierenden baurechtlichen Genehmigungsaspekte ansehen. Wenn eine Anlagenauslegung auf Simulation basiert, die Simulation aber in den baurechtlichen Berechnungsvorschriften (zum Beispiel GEG) nicht ausreichend berücksichtigt ist, hier einfache Näherungen verwendet werden:
– Sind die Annahmen der Simulationen dann baurechtlich bindend, weil sie Gegenstand der Baugenehmigung sind?
– Was ist, wenn die Annahmen der Simulationen sich im realen Betrieb als nicht zutreffend erweisen und im Rahmen der Möglichkeiten dann nachjustiert werden? Sind dann Tekturen in den Baugenehmigungen notwendig?
– Sind dann parallele Berechnungen zu erstellen?
– Werden die parallelen Berechnungen dann als Wiederholung von Grundleistungen zusätzlich zu vergüten sein?
Mein Fazit:
– Die hier aufgeführten Themen sind nur ein subjektives und erstes Blitzlicht auf dieses sehr komplexe Themenfeld.
– Aus meiner Sicht ist es lobenswert, wenn wir die technischen Möglichkeiten ausschöpfen. Überdimensionierte Anlagen werden uns bei der Erreichung der Klimaziele nicht helfen.
– Es hat wenig Sinn, Regelwerke zu verändern, ohne sich das gesamte Spannungsfeld mit allen Wechselwirkungen anzusehen und die sich verändernden Themen ausreichend zu würdigen.
– Die Folgen von unüberlegt eingeführten Regelwerken haben wir in den letzten Jahren deutlich vernommen. Gute Ideen und notwendige Veränderungen haben eine kurze Halbwertszeit, wenn diese von der Fachwelt und den Auftraggebern / Bauherren nicht angenommen werden.
– Durch die immer komplexer werdenden Erwartungen sind viele Planungen bereits jetzt in einer finanziellen Überforderung. Planende können nur begrenzt, im Kontext endlicher Honorare, unentgeltliche Zusatzleistungen trage. Mal ganz abgesehen, dass bereits jetzt die Hausforderungen durch den Fachkräftemangel dadurch nicht geringer werden.
Überlegung:
Seit etlichen Jahren ist es Betreiberpflicht, die energetische Inspektionen an Lüftungsanlagen durchzuführen. Obwohl baurechtlich verpflichtend ist dieses einfache Tool sträflich vernachlässigt. Wie sollen vor diesem Hintergrund angenommen werden, dass die Parameter einer Simulation, dann vor Ort nachgehalten werden. Statt die Regelwerke zu verschärfen, sollte das Augenmerk eher verstärkt auf die Umsetzung im Betrieb der Anlagen gelegt werden.
Es steht bereits jetzt jedem Planenden und jedem Bauherren frei, Simulationen für die Auslegung von Gebäuden und Anlagen einzusetzen. Es können freiwillig, entsprechende Vereinbarungen getroffen werden. In vielen Projekten werden Simulationen daher bereits jetzt mit Augenmaß und Fachverstand eingesetzt. Wer daher will, der kann jetzt schon und braucht dazu keine weitere, übergeordnete Regulierung.“
Hierauf antwortet wiederum Marcel Blumenthal: „Guten Tag Herr Bauschke, vielen Dank für die Erweiterung des Betrachtungsraumes. Sie beleuchten sehr gut einen weiteren sehr wichtigen Bereich. Spannend finde ich den Exkurs in die Bedarfsplanung. Wenn wir als Stadt eine Schule planen, dann erstellen die Kollegen der Schulverwaltung eine Aufgabenstellung in Bezug auf die Nutzung und wir als Abt. Hochbau eine Aufgabenstellung für die Planung. Wir geben jedoch global das Ziel vor, nicht den Weg dahin. Insofern kann die Notwendigkeit einer Simulation in der Bedarfsplanung ggf. noch gar nicht erkannt werden. Daher fragen wir im Rahmen der VgV Verfahren für Planungsleistungen immer diese besondere Leistung mit ab. Auch Ihre Ausführungen zum Thema Hintertür in die Grundleistungen finde ich sehr spannend. Vor allem wenn man dies in Bezug auf § 633 BGB ‚Sach- und Rechtsmangel‘ betrachtet. Kurz gesagt heißt es dort, dass die Leistung so beschaffen sein muss wie man es normalerweise erwarten kann. Das bedeutet in Bezug auf Planungen die Umsetzung von Gesetzen und auch von a.a.R.d.T. wie z.B. einige DIN Normen es sind. So ähnlich wie auch beim Themenkomplex BIM werden sich hier Juristen darüber auseinandersetzen müssen, was noch einer Grundleistung entspricht und was nicht. Ggf. sollte man die HOAI auch mal novellieren. Abgesehen vom Wegfall von Honoraruntergrenzen ist seit 2013 nicht viel geschehen.“
Olaf Mayer schreibt: „Liebe Kollegen, liebe Fachplaner und Lüftungsbauer, sehr geehrter Herr Stahl, alle meine Vorredner haben sich dafür stark gemacht, dass eine Änderung eintreten sollte. Es wurde viel über HOAI, Projekte, Szenarien, Installationen, Dynamik, BGB, Planer et cetera geschrieben. Alle haben wirklich zielgenau ihr Anliegen vorgetragen zu diesem Thema, dem kann ich mich nur anschließen. Mir sind bei diesen ganzen Thema zwei wichtige Aussagen oder Darstellungen aufgefallen.
Das eine ist die Beschreibung mir dem Wortlaut Planer. Jetzt könnte man sich ja fragen, was das soll. Das habe ich mich auch gefragt. Zu meiner Zeit sprachen wir in unserer Branche immer vom ‚Fachplaner‘ und ich denke, dass hat auch eine besondere Bedeutung. Die in unserer heutigen Zeit kaum noch vorkommt.
Das zweite ist die Beschreibung mit dem Wortlaut Praxis. Jetzt könnte man erneut fragen, was soll denn das jetzt. Zu meiner Zeit wurde für die Praxisarbeiten auch die ‚Basic‘ vermittelt. Dieses findet heute in vielen Branchen nicht mehr statt oder wird nicht als wichtig betrachtet.
Und jetzt legen wir noch eine Schippe oben drauf, anstatt bei der ‚Basic‘ anzufangen. Ich möchte mich mit dem Zitat von Herrn Blumenthal aus der heutigen Diskussionsrunde verabschieden und würde mir wünschen, dass auch wir eines Tages auf die Straße gehen und unser aller Anliegen einmal kundtun. Danke an alle, die Vorgetragen haben. Da brennt gerade was an!“
Der neuste Kommentar stammt von Prof. Achim Trogisch: „Sehr geehrter Dr. Stahl, bezugnehmend auf ihre Fragestellung in cci Branchenticker möchte ich folgendes ausführen.
Theorie:
Die bestehenden Richtlinien und Normen sind ausreichend, um eine RLT-Anlage richtig zu dimensionieren und zu planen, auch wenn sie von stationären Randbedingungen (Heizlast, Kühllast, Außenluftbedingungen) ausgehen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Randbedingungen seitens des Gebäudes (zum Beispiel Fenster, Speicherfähigkeit), der Belastungen (thermisch, hygrisch, stofflich) und die geplanten Nutzungsbedingungen in der Phase Grundlagenermittlung und Vorentwurf einen Genauigkeitsgrad von 10 bis 15 % aufweisen.
Für den Vorentwurf ist es ausreichend, Vorbemessungsverfahren zu nutzen (siehe auch VDI 2078 ‚Berechnung der thermischen Lasten und Raumtemperaturen‘, Vormessung sommerlicher Wärmeschutz), um unter anderem einen notwendigen Außenluftvolumenstrom oder zu erwartende Raumlufttemperaturen zu bestimmen – siehe dazu auch Beitrag „Zur Vorbemessung des sommerlichen Wärmeschutzes“ in der Anlage. In der Phase ‚Entwurf‘ sind Simulationsprogramme sinnvoll und zweckmäßig, um Variantenuntersuchungen hinsichtlich des Einflusses zum Beispiel von Lasten, Außenluftbedingungen, Außenluftvolumenströmen und Nutzungszeiten durchzuführen. Wobei nicht nur ‚bunte Bilder‘ erstellt werden sollten, sondern verifizierbare Eingangsdaten formuliert und eindeutige Ergebnisse zur Entscheidung für die weitere Planung dokumentiert werden.
Praxis:
Ursachen, dass es in der Praxis anders aussieht, sind vielfältig. Dazu zählen zum Beispiel das (zu geringe) Wissen der Architekten um die TGA, die Ausbildung der Architekten (im Allgemeinen nur Entwerfen), kaum Kenntnisse zum Platzbedarf von RLT-Anlagen (Kanäle möglichst zwischen Putz und Tapete), Ignoranz von Normen und Richtlinien, Reduzierung der TGA-Ausbildung an den Unis und Hochschulen, Dominanz der Kosten (bei Forderung Reduzierung der Kosten im Allgemeinen prozentual gleich für alle Gewerke), Einfluss der Projektsteurer (Terminplanung), Auftragsabhängigkeit des TGA-Planers vom Architekten.“
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