Kommentar: Neuer Gebäudetyp E – So geht die Gesundheit den Bach runter

Dr.-Ing. Manfred Stahl (Abb. © cci Dialog)

Ende November haben das Bau- und Justizministerium ein Eckpunktepapier zur Einführung des „Gebäudetyps E“ vorgelegt. Mehrere Aspekte in diesem Papier haben in der TGA-Branche und in der LüKK für Diskussionen und Widerstand gesorgt. Ich habe mir daraufhin das 13-seitige Dokument zum Gebäudetyp E genauer angeschaut – und mich über darin empfohlene Maßnahmen gewundert und auch geärgert.

„Nicht jeder braucht die fünfte Steckdose im Wohnzimmer. Auch auf Handtuchheizkörper im Bad legt nicht jeder Wert, wenn es ohnehin eine Fußbodenheizung gibt“. Diese Aussage ist keine Satire, sondern ein Zitat der Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig aus einer Presseerklärung. Sollen das etwa typische Beispiele zur Umsetzung des „Gebäudetyp E“ zum künftig schnelleren, einfacheren und günstigeren Bauen sein? frage ich mich. Hintergrund ist: Mit Einführung des “Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus“ – so heißt der Gebäudetyp E (E = einfach) offiziell (siehe Anhang), will die Regierung es Bauherren erleichtern, auf „etablierte Goldbaustandards“ zu verzichten, die gesetzlich nicht zwingend notwendig sind. Was die Ministerien unter Goldstandards verstehen, betrifft im Eckpunktepapier beispielsweise folgende empfohlenen Maßnahmen. Und diese könnten tatsächlich deutlich mehr Potenzial zum günstigen Bauen haben als der Verzicht auf Steckdosen und Handtuchheizkörper:

– nur Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes GEG an Effizienz, Statik und Schalldämmung einhalten

– jegliche Komfort- und Ausstattungsstandards in einfach(st)er Ausführung

– Verzicht auf Keller, Garage und Stellplätze

– Heizkörper statt Fußbodenheizung einsetzen

– weniger Fenster und Glasflächen einsetzen.

Den möglichen Verzicht solcher Baufeatures beim Gebäudetyp E mögen Architekt und Bauherr per Vertrag festlegen. Demgegenüber halte ich aber folgende Punkte, die im Dokument ebenfalls als bauverbilligend empfohlen werden, für indiskutabel:

– Reduzierung der Norm-Innenraumtemperatur

Die empfohlene Mindesttemperatur beträgt gemäß Nationalem Anhang zur DIN EN 16798 Teil 1 „Eingangsparameter für das Raumklima“ in der Standardkategorie II = 20 °C und in der Kategorie III „moderat“ = 18 °C. Solche Mindestanforderungen an Temperaturen müssen im künftigen GEG 2026 eindeutig festgelegt werden – ich bin auf die Umsetzung gespannt.

– Verzicht auf eine mechanische Be- und Entlüftung, stattdessen natürliche Fenster- und Querlüftung

Dazu gibt es ein klares Veto von mir. Viele Verbände drängen seit Jahren darauf, die mechanische Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung aufgrund ihrer positiven Eigenschaften zum Feuchte- und Gesundheitsschutz sowie zur Einsparung an Heizenergie fest im GEG zu verankern. Dass nun offiziell empfohlen wird, darauf sogar zu verzichten, geht aus meiner Sicht gar nicht! Ausreichende Raumtemperaturen und eine hygienisch gute Raumluftqualität sind unabdingbare Faktoren, die nichts mit Kostensparen und Komfort, sondern mit Gesundheit und Lebensqualität in Wohnungen zu tun haben, siehe dazu auch das Statement des VDMA-ALT unter cci312206.

Noch sind der Gebäudetyp E und die darin erläuterten Möglichkeiten zu Kostensenkungen nicht beschlossen. Dazu heißt es von den Ministerien, dass demnächst ein Austausch über die Eckpunkte mit Ländern, Fachkreisen und Verbänden stattfinden soll. Auf Basis dieser Gespräche sollen dann praxistaugliche gesetzliche Regelungen zum Gebäudetyp-E-Vertrag erarbeitet werden.

Hat der Gebäudetyp E tatsächlich das Potenzial, die heutigen hohen Baukosten signifikant zu senken? Können dadurch bauwillige Familien tatsächlich ihren Traum von den eigenen vier Wänden eher realisieren, indem sie dann für Jahrzehnte auf Komfort verzichten? Und wollen sie das tatsächlich? Oder soll das Gesetz letztlich nur Baukonzernen dienen, die dadurch ihre Kosten bei großen Bauprojekten – um wieviel auch immer – mindern können?

Ich habe meine Zweifel, ob diese Rechnung aufgeht – und wie sehen Sie das?

Dr.-Ing. Manfred Stahl, Herausgeber cci Zeitung

manfred.stahl@cci-dialog.de

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