Mindestens fünf Millionen Häuser im früheren Westdeutschland wurden zwischen 1956 und 1989 nach der damals rechtsverbindlichen DIN 68800 mit bioziden Holzschutzmitteln behandelt. Deren Verwendung führte in den 1980er-Jahren im Xylamon-Prozess zum größten Umweltstrafverfahren der deutschen Justizgeschichte. Mittlerweile werden diese Häuser gedämmt und damit die aus den Holzschutzmitteln diffundierenden Schadstoffe luftdicht eingekapselt.
(Abb. © makaule/Fotolia.com) Erneut wurden in einem Wohnhaus erhebliche Dioxinbelastungen gemessen, die aus ehemals verstrichenen Holzschutzmitteln stammen. Das Bremer Umweltinstitut wies in einer Staubprobe eines in den 70er-Jahren erbauten Fertighauses im Landkreis Verden unter anderem 29.100 Pikogramm des extrem gefährlichen Dioxins nach. Der EU-Grenzwert für Fleisch liegt bei 1,25 Pikogramm, ein entsprechend verseuchter Erdboden müsste laut Bodenschutzverordnung entsorgt werden.
Karl-Jürgen Prull vom Bundesfachbeirat Umweltschutz und Normung der NaturFreunde Deutschlands hat bereits mehrere Häuser vom Umweltinstitut Bremen untersuchen lassen und dabei immer wieder extrem hohe Belastungen festgestellt. Prull: „Alle Häuser, die nach der DIN 68800 mit diesen Holzschutzmitteln behandelt wurden, dürften mit großer Sicherheit Sanierungsfälle sein, denn die in den Holzschutzmitteln enthaltenen Schadstoffe, wie zum Beispiel Polychlorierte Naphthaline (PCN), Pentachlorphenol (PCP), Lindan oder auch die aus Verunreinigungen stammenden Dioxine, gasen noch Jahrzehnte nach der Anwendung in die Raumluft aus und sammeln sich zum Beispiel in Stäuben und in Teppichen. Die Bundesregierung müsste die Bevölkerung dringend vor möglichen Gefahren durch die Dioxinbelastung in Holzschutzmitteln warnen, tut es aber nicht. Was hier läuft, ist nichts anderes als ein riesiger unbegleiteter Menschenversuch.
Dioxin gilt als einer der giftigsten Stoffe, den die Menschheit geschaffen hat. Auch PCP, PCN und Lindan sind für die menschliche Gesundheit extrem schädlich und können bei langfristiger Belastung zu Leber-, Nieren- und Knochenmarkschäden führen. Lindan ist zudem krebserregend und steht im Verdacht, Veränderung der inneren Organe, der Blutbildung, Multiple Sklerose oder Nervenschädigungen auslösen zu können. Das Universitätsklinikum Freiburg hat bereits skizziert, wie verstorbene Krebs-, Parkinson- oder Multiple-Sklerose-Patienten auf Dioxine aus Holzschutzmitteln untersucht werden könnten, doch das Forschungsprojekt liegt auf Eis.
Artikelnummer: cci55202
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