Ist diese Schullüftung tatsächlich „Einfach genial“?

Beispiel für die Installation eines Luftreinigergeräts unter einem Schultisch. (Abb. © ARD)
Beispiel für die Installation eines Luftreinigergeräts unter einem Schultisch. (Abb. © ARD)

Am 1. November wurde in der ARD-Mediathek in der Rubrik „Einfach genial“ ein neues System zur Schullüftung zum Schutz vor Corona-Aerosolen vorgestellt. cci Branchenticker hat sich den Beitrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) angeschaut und kommt danach zu einem anderen Ergebnis als im Titel dargestellt.

Im MDR-Beitrag „Schutz vor Corona – Multiluftfilter für Schulbänke“ geht es um einen von einem Möbelbauunternehmen aus dem Vogtland entwickelten neuen Luftreiniger, der in einer Thüringer Schule eingesetzt wurde. Der Luftreiniger besteht aus einem Holzgehäuse (Abmessungen etwa 50 x 30 x 20 cm) mit zwei Ventilatoren (Luftleistung etwa 60 m³/h), einem Luftfilter ePM1 > 50 % (ehemals F7), einer Zeitsteuerung und einem Akku, der für einen Gerätebetrieb bis zu zwei Wochen ausreichen soll. Dieses Gerät wird unter einem Schultisch befestigt. Es saugt an der perforierten Frontseite Raumluft an und bläst die gereinigte Zuluft an den Seiten in den Raum zurück. Im Video werden auch Prüfungen an einem Gerät in einem Raum des Instituts für Luft- und Kältetechnik (ILK) Dresden gezeigt. Demnach erfolgte in 30 Minuten Gerätebetrieb eine Verringerung des Prüfaerosols um etwa 50 %. Daraufhin kommt der MDR-Beitrag zu unter anderem folgenden Ergebnissen:
Der Betrieb von drei solchen im Raum verteilten Geräten kann eine höhere Sicherheit gegen die Ausbreitung von (Corona-) Aerosolen bieten. Allerdings muss in den Pausen für eine ausreichende Außenluftversorgung des Raum weiterhin per Fensteröffnung gelüftet werden.

Dazu zwei Anmerkungen von cci Branchenticker:
Ein Betrieb von nur drei Sekundärluftgeräten mit einer Gesamtluftleistung unter 200 m³/h kann in einem normalen Klassenraum kaum einen ausreichenden Schutz vor der Verbreitung von Aerosolen liefern. Dafür benötigt man, so viele Studien und Expertisen, die etwa drei- bis vierfache Sekundärluftmenge (etwa 30 m³/h pro Schüler) und auch hochwertigere als hier eingesetzte Luftfilter.
Die „Versuche“ beim ILK wurden ohne jegliche thermische Raumlasten durchgeführt. Diese im Schulalltag anfallenden thermischen Lasten (Wärmeabgabe der Schüler) bewirken aber einen unmittelbaren Aufstieg der beim Atmen abgegebenen Aerosole zur Decke hin. Somit können diese Aerosole von unter den Tischen installierten Geräten kaum (oder wenn dann nur sehr lokal) direkt erfasst werden. Und diese konvektiven Luftströmungen sind letztlich entscheidend für die Luftströmungen und somit für die Verbreitung von Aerosolen im Raum.
Daher meine Meinung: Ich schalte von der ARD Mediathek um zu SAT 1, da gibt es „Genial daneben“, das passt hier besser – oder was meinen Sie zu diesem System? Schreiben Sie uns gerne an redaktion@cci-dialog.de. Der direkte Link zu dem Beitrag ist hier.

cci188773

3 Kommentare zu “Ist diese Schullüftung tatsächlich „Einfach genial“?

  1. Ein typisches Klassenzimmer hat ein Raumvolumen von ca. 180 m³. Damit kommen wir mit drei dieser Geräte hier ziemlich genau auf einen einfachen „Luftwechsel“. Und das auch nur solange die Filter noch clean sind. Die Empfehlungen des BMAS und des BAuA belaufen sich aber auf einen drei bis fünffachen gereinigten Luftvolumenstrom pro Stunde. Außerdem werden für die Filterung mindestens HEPA-Filter H13 empfohlen. Davon ist der verbaute F7-Filter meilenweit entfernt.
    Die Ergonomie: „Wenn man große Beine hat ist es unangenehm, aber ansonsten passt es perfekt“ Naja, das ist auch ungenügend.
    Möbelbauer sollten vielleicht doch besser Möbel bauen, keine Lüftungstechnik…

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