„Jedes Großprojekt beginnt mit einer Lüge“

Setzt Minister Dobrindt auf mehr Partnerschaft beim Lügen für Bauprojekte?
Kritische Anmerkungen von Jürgen Lauber.

Im April 2013 rief der damals zuständige Minister Ramsauer eine 36-köpfige Reformkommission für Großbauprojekte ins Leben. Erklärtes Ziel war es, mehr Kostenehrlichkeit zu erreichen. Sein Nachfolger, Alexander Dobrindt, präsentierte im Juni den 112-seitigen Abschlussbericht seines Ministeriums. Sein Vorwort setzt den Ton.

Das Wort „Ehrlichkeit“ findet sich auf den 112 Seiten nicht. Dafür kommt das Wort „partnerschaftlich“ fünfundsiebzig Mal vor. Der Abschlussbericht dokumentiert eindrücklich in Form und Umfang eigentlich nicht mehr als den Reformunwillen der Regierenden.
Nach der Präsentation des Abschlussberichts ging das politische Berlin in die Sommerferien. Ein scheinbar glückliches Ende für Minister Dobrindt – bis am 20. August die 34. Ausgabe der „Zeit“ erschien.

(beide Abb. „Zeit“) Auf einer ganzen Doppelseite (S. 22/23) machte Rainer Hascher, ein renommierter Architekt und langjähriger Baupartner der öffentlichen Hand, reinen Tisch beim Thema Großbauprojekte. Dabei blamierte er den Minister und lässt die Spitzenleute der deutschen Baubranche als Mitglieder der Reformkommission schlecht aussehen.

Herr Hascher war einfach ehrlich. Er sprach als erster Insider der Baubranche offen und direkt aus, was in Deutschland jeder vermutet: „Jedes Großprojekt beginnt mit einer Lüge.“

Um eine Abhilfe für dieses „Lügen“ zu finden, hatte der frühere Minister Ramsauer der Reformkommission das Ziel „mehr Kostenehrlichkeit“ mit auf ihren zweijährigen Weg gegeben. Unter der Ägide des neuen Minister Dobrindt hat sich das Ziel der Reformkommission jedoch gewandelt. Statt Ehrlichkeit im Handeln des Staates und seiner Repräsentanten zu sichern, geht es um bessere Kooperation der Baubeteiligten beim Lügen. Wenn schon Großprojekte durch Lügen geboren werden, sollen künftig durch mehr Partnerschaft die Kostenexplosionen kleiner werden. Wenn alle Beteiligten mehr zusammenhalten, könne ja so weitergemacht werden wie bisher – so lautet die unterschwellige Botschaft.
Dabei gehen den öffentlichen Auftragnehmern langsam, aber sicher die Partner für Großprojekte aus. So ging Anfang August mit Imtech Deutschland (3.500 Mitarbeiter in Deutschland) spektakulär einer der wichtigsten Auftragnehmer des öffentlichen Baus insolvent. In diesem Sinn ist das gesamte öffentliche Bauwesen reif für die Insolvenzeröffnung. Es braucht einen Neustart mit glaubwürdigen neuen Köpfen, denn wie sagt das Sprichwort so schön: „ Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht.“

Jürgen Lauber, juergen.lauber@cci-dialog.de

Anmerkung der Redaktion
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe sieht die Sachlage übrigens deutlich optimischer. Seine Stellungnahme finden Sie hier.

Artikelnummer: cci39605

Ein Kommentar zu “„Jedes Großprojekt beginnt mit einer Lüge“

  1. Hallo! Was denn ist an dieser Aussage des ZDB optimistischer?
    Aus dem Bericht:
    „Die regelmäßige Unterschätzung der Kosten und des Zeitbedarfes ist häufig politisch motiviert.“

    Da hat man mit dem Wort „Unterschätzung“ das selbe nur etwas verklausuliert ausgedrückt. Wenn „Kosten“ von hochbezahlten Fachleuten „unterschätzt“ werden dann ist das Vorsatz.
    In Jürgen Lauber’s Aufzählung der am BauUnwesen gescheiterten „Partner“ fehlen die großen Ingenieurbüros wie SRP, Brandi, HL-Technik, Ebert-Ingenieure, Scholze und sicher weitere.

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