Kommentar: Aus der Traum – oder es wird alles doch ganz anders

Sabine Andresen (Abb. © cci Dialog)

Nun soll es doch keine Stromsteuerentlastung für Verbraucher geben – obwohl sie im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Was sich die Regierung bei diesem Hin und Her denkt, ist schwierig nachzuvollziehen. Klar ist aber, dass der politisch gewünschte Umstieg auf die Wärmepumpe auf diese Weise garantiert nicht vorankommen wird.

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, soll Konrad Adenauer seinerzeit gesagt haben, obwohl die genaue Herkunft des Zitats nicht eindeutig belegt ist. Wer auch immer der Urheber dieses Ausspruchs ist: Die Botschaft ist so aktuell wie nie, schaut man sich die derzeitige Strompreispolitik der Bundesregierung an. Entgegen monatelanger Ankündigungen und Zusagen von CDU/CSU und SPD sehen die haushaltspolitischen Eckpunkte für 2026 bis 2029 nun doch keine Absenkung der Stromsteuer für alle Verbraucher vor (siehe cci300956). Eigentlich sollten die Bundesbürger um 5 Cent pro Kilowattstunde Strom entlastet werden.

Achtung, Wortwitz: Hier kommen meine 5 Cent dazu. Zu diesem meisterhaften Schachzug im Spiel „Verwirre den Verbraucher maximal und bringe ihn gegen dich auf“. Denn was kommt denn nun letztlich bei Lieschen und Heinz Müller an, die sich vielleicht gerade durch die versprochene Strompreisentlastung dazu entschlossen haben, eine Wärmepumpe anzuschaffen? Die denken sich: „Die Situation bei Wärmepumpen bleibt nach wie vor ungewiss, denn ansonsten hätte man ja nun die versprochene Strompreisentlastung auch durchgeführt. Da warten wir doch mal lieber noch ab, solang meine bestehende Heizung noch läuft. Ich möchte nicht auf einer hohen Stromrechnung sitzenbleiben. Und wer weiß, was sich die Regierung morgen ausdenkt.“

„Toll“ gemacht von der Bundesregierung. Ich frage mich tatsächlich, ob sie noch weiß, was sie tut. Denn einerseits ist der Umstieg auf die Wärmepumpe politisch gewollt, aber dann wird der entscheidende Hebel in die falsche Richtung umgelegt. Hat es überhaupt jemals einen Plan gegeben, wie die Strompreisentlastung hätte realisiert werden sollen?
Die jüngsten Marktzahlen des Europäischen Wärmepumpenverbands (EHPA), Brüssel, haben ja auch gezeigt, dass Deutschland als Wärmepumpenland ziemlich weit abgeschlagen in Europa liegt (cci300909). Irgendwie erinnert mich das an den European Song Contest, wo es bei der Punktevergabe meistens heißt: „Germany: Zero points“.

Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des BWP, mahnt zu recht: „Wer Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Energiewende stärken will, darf nicht bei zentralen Versprechen zurückrudern. Wenn der Gesetzgeber gleichzeitig den Gaspreis über Zuschüsse zur Gasspeicherumlage subventioniert, aber Versprechungen zum Strompreis nicht einhält, sendet das ein falsches Signal.“

Vielleicht kommt ja noch ein Deus ex Machina – und alles wird doch ganz anders (und hoffentlich gut).

Sabine Andresen
sabine.andresen@cci-dialog.de

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2 Kommentare zu “Kommentar: Aus der Traum – oder es wird alles doch ganz anders

  1. Die Ampelregierung spricht von Wärmepumpen, E-Mobilität, dezentraler Stromerzeugung, „Freiheit durch Erneuerbare“. Doch wer seine Gasheizung gegen eine Wärmepumpe tauscht oder sein Verbrennerauto durch ein E-Auto ersetzt, erhöht seinen Stromverbrauch drastisch – und zahlt nun volle Stromsteuer. Die Botschaft: Wer sich klimafreundlich verhält, wird bestraft.

    Der Entfall der Stromsteuerentlastung für private Haushalte ist ein energiepolitischer Rückschritt und ein sozialer Zündstoff. Er bremst Klimainvestitionen, verstärkt soziale Ungleichheit und untergräbt das Vertrauen in die Fairness der Energiewende.

    Wer ernsthaft eine klimaneutrale Gesellschaft will, muss Strom als Energieträger der Zukunft entlasten – und nicht belasten.

    Ich habe mal einen Blick ins böse Orbán-Land Ungarn geworfen:
    Seit dem Amtsantritt der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán wurde der Strompreis für private Haushalte gesetzlich gedeckelt. Ziel war es, die Lebenshaltungskosten künstlich niedrig zu halten – und gleichzeitig politische Zustimmung zu sichern. Der Strompreis für private Haushalte liegt bei ca. 10–11 Cent/kWh brutto (Stand 2024) – deutlich unter dem EU-Durchschnitt und weit unter dem deutschen Niveau (30 bis 40 ct/kWh).

    Ich frage mich, was treibt Herrn Orbán an und was treibt Herrn Merz an?

  2. Die Deutschen lieben Kontinuität. Daher scheint sich die aktuelle Koalition an der Arbeitsweise der Ampel zu orientieren. Wenn die Politik hier ausfällt, hoffe ich, dass die Industrie einspringt. Die Heizungsbauer sollten nun umso stärker die Wärmepumpe technisch und preislich attraktiv gestalten und nicht wieder Gasheizungen ins Schaufenster stellen mit den Hinweis, dass die Gasumlage ja wegfällt und es dann nochmal günstiger werde.

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