Leser helfen Lesern: Arbeitsstättenrichtlinie und Lüften in Schulen und Kitas

Gegenseitige Hilfe ist oft die schnellste und effektivste Lösung (Abb. © banphote/adobe.stock.com)

Ein Leser macht sich darüber Gedanken, ob die Regelung, alle 20 Minuten zu lüften, und die Arbeitsstättenrichtlinie kollidieren.

Der Leser führt aus:
„Gemäß Arbeitsstättenrichtlinie hat jeder an seinem Arbeitsplatz das Recht auf eine winterliche Mindestraumtemperatur (ASR A3.5). Das gilt auch für Lehrer und Erzieher. Wenn nun der betreffende Kultusminister Schulen und Kitas anhält, alle 20 Minuten eine Stoßlüftung vorzunehmen, und die gemäß DIN EN 12831* Teil 1 ausgelegten Heizkörper die zusätzlichen Lüftungswärmeverluste gar nicht abdecken können, was passiert dann? Ist es den Lehrern aus vielleicht übergeordneten Gründen zuzumuten, im Klassenraum zu frieren? Was werden die Arbeitsgerichte und die Berufsgenossenschaften sagen?“

* („Energetische Bewertung von Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast“)

Wir leiten diese interessante Fragestellung hiermit an unsere Leser weiter. Schicken Sie bitte Ihre Antwort an redaktion@cci-dialog.de. Wir sammeln die Antworten und werden Sie in cci Branchenticker veröffentlichen. Vielen Dank im Voraus.

cci124756

3 Kommentare zu “Leser helfen Lesern: Arbeitsstättenrichtlinie und Lüften in Schulen und Kitas

  1. Beim Stoßlüften sind zwei verschiedene Zeiten sorgsam zu unterscheiden. Das eine ist die reine Lüftungsdauer (d. h. Fenster auf). Für die werden gemäß ASR A3.6 im Sommer mindestens 10 min, im Winter 3 min und in den Übergangszeiten 5 min Lüftungsdauer empfohlen. Nach drei Minuten sollte die Auskühlung noch nicht so gravierend sein, dass man sich Sorgen über die Heizflächen machen muss. Zumal die Zeit bei ganz extremen Außentemperaturen (und damit schnellerem Lüftungsvorgang) ggf. auch noch verkürzt werden kann.
    Dann gibt es als zweite Zeit das Lüftungsintervall, d. h. die Zeit zwischen zwei Lüftungsvorgängen (d. h. Fenster zu). Für dieses Intervall wird für Klassenräume nun die Zeit von 20 Minuten empfohlen. Wobei genau genommen ein typischer voll belegter Klassenraum mit dichten Fenstern (180 m³, 30 Personen) auch schon bereits nach ca. 10 Minuten die Pettenkoferzahl in Höhe von 1000 ppm erreichen kann. Bei jungen Schülern in größeren Räumen etwas später. Ein Lüftungsintervall von 20 Minuten ist hier eher der Notwendigkeit geschuldet, irgendwie noch einigermaßen vernünftig unterrichten zu können. Aber die Schulen hatten hier schon vor Corona Sonderregelungen leicht abseits der Arbeitsstättenverordnung.
    Die gesetzliche Unfallversicherung äußert sich hier zu diesem Thema: https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressearchiv/2020/quartal_4/details_4_414729.jsp
    Die Berufsgenossenschaft Nahrungmittel und Gastgewerbe empfiehlt ihren Lüftungsrechner (https://www.bgn.de/lueftungsrechner/)
    Peter Rietschel, BGN

  2. Unabhängig davon, ob die beim Lüften entstehenden Zugerscheinungen und niedrigen Temperaturen geltenden Regeln der Technik widersprechen, sollte jedem klar sein, das eine Stoßlüftung mit Temperaturverlust im Raum gesundheitliche Probleme mit sich bringt. Leider werden die verfügbaren Möglichkeiten einer mechanischen Lüftung von den Schulbehörden nicht aufgenommen. Lüften in Klassenräumen reduziert nicht nur das Infektionsrisiko sondern trägt auch nachhaltig zum besseren Lernen bei. Leider wird derzeit die Nachrüstung von Lüftungsanlagen im Rahmen der Corona Förderung nicht berücksichtigt. Man wird also feststellen – ausreichende Fensterlüftung unter winterlichen Bedingungen führt zu gesundheitlichen Problemen, deshalb müssen Schulen und Kitas weiterhin geschlossen bleiben….

    Martin Törpe, AL-KO THERM GMBH

  3. Der kritische Leser der cci hat Recht., Die Lüftungsregeln mit 20 min. Stoßlüften verstoßen eklatant gegen die ASR A3.5. Auch wenn die Heizflächen und Wärmeerzeuger es schaffen sollten, den Raum z. Bsp. bei den aktuellen Tiefsttemperaturen nach 20 min wieder irgendwie in Richtung 20° C Raumtemperatur zu bringen, folgt ja dann bereits das nächste Lüftungsintervall und die Temperaturen entsprechen nicht mehr den Anforderungen der genannten ASR. Das Raumklima entspricht nicht mehr den Aspekten des Gesundheits- und Arbeitsschutzes.

    Gleichzeitig wird damit allerdings auch gegen die DIN EN 15251:2012 „Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik“, verstoßen. Diese legt normativ fest dass:
    „Die Komfortraumtemperatur θRa,C beträgt 22 °C bei Außentemperaturen θAu,C unter 16 °C und 26 °C bei Außentemperaturen θAu,C über 32 °C.“ Dem entspricht die Raumtemperatur unter dem Einfluss des Intervalllüftens in keinster Weise.

    Gleichzeitig entstehen bei den aktuell tiefen Außentemperaturen mit trockener, polarer Kaltluft zusätzliche Risiken. Das häufige Lüften und die Vermischung sehr trockener Kaltluft mit Warmluft im Raum und nachfolgende Erwärmung führt zu Raumluftfeuchten mit geringen Feuchtegehalten untehalb 30% rel.F.. Inzwischen weiß man aus Forschungen und Veröffentlichungen dazu (Dr. Walter Hugentobler/ ASHRAE/ u.a.) dass dadurch die Gefahr der Konservierung von Viren entsteht, was es diesen ermöglicht, länger in der Raumluft und auf Flächen ohne einen Wirt zu überleben. Gleichzeitig erfolgt eine Austrocknung der menschlichen Schleimhäute im Hals-/ Nasenraum, was diese Barriere gegen das Eindringen der Viren nachhaltig schwächt und durchgängig macht.

    Wäre jetzt aktuell die Frage: Treibt man mit dem Intervalllüften den Teufel mit dem Beezelbub aus?

    Mit winterlich-sonnigen Grüßen aus Hessen

    Ralph Langholz

Schreibe einen Kommentar