Leserstimmen: Immer wieder DIN EN 12599

(Abb. © tadamichi/stock.adobe.com)

Der Kommentar „Hier fehlt mir die Toleranz“ von Dr. Manfred Stahl zu einem möglichen Versäumnis beim Entwurf der DIN EN 12599 beschäftigt weiterhin unsere Leser, genauso wie der Normentag zu diesem Entwurf. Nachfolgend die Leserkommentare zu Meldungen in cci Branchenticker.

Dr. Manfred Stahl spricht in seinem Kommentar „Hier fehlt mir die Toleranz“ (siehe cci281325) ein mögliches Versäumnis beim Entwurf der DIN EN 12599 „Übergabe von RLT-Anlagen in Nichtwohngebäuden“ an, das seines Erachtens auch weitere technische Regeln der LüKK betreffen könnte: Wie werden bei Komfortparametern messtechnisch ermittelte Abweichungen von geplanten Sollwerten beurteilt? Wie groß darf die Toleranz sein?

Direkt nach Erscheinen des Kommentars hat sich Reinhard Siegismund gemeldet: „Bei meiner Arbeit als Sachverständiger habe ich immer wieder Abweichungen zu beurteilen. Man sollte wissen, dass die Minimal- und Maximalwerte in den Normen und Regelwerken in den meisten Fällen wirklich nicht zu unter- oder überschreitende Werte sind. (…) Die vorgegeben Werte sind Grenzwerte, deren Nichteinhaltung zum schlechteren hin zu beanstanden ist. Wir sollten den Planern empfehlen: diese Werte sind nicht das Ziel der Auslegung und müssen nicht gerade so erreicht werden, sondern sie sollten eher mit einer Abweichung zum Guten hin dimensioniert werden. (…) Wenn ich bei einer Abweichung zum Schlechteren keinen erkennbaren Nachteil für die Sicherheit oder den Menschen erkenne, (…) habe ich allerdings manche Abweichungen als vorhanden, aber ohne Nachteil und zu akzeptieren eingestuft, und konnte meist beide Seiten zu einem einvernehmlichen Abschluss bewegen.“

Nun sind zwei weitere Leserkommentar hinzugekommen.

Peter Salzwedel schreibt: „Sehr geehrter Herr Dr. Stahl, ich habe mich in meiner Berufszeit immer wieder gewundert, dass bei den Messungen der Luftvolumenströme nur ein Messwert je Messstelle in das Protokoll eingetragen wurden, keine Angabe von Fehlertoleranzen. Dabei würde bei Beachtung der Toleranzen der eine oder andere Messwert noch die Vorgaben erfüllen und es müsste nicht nachreguliert werden. Leider bin ich bei den ausführenden Firmen immer wieder auf Unverständnis gestoßen, obwohl die Fehlertoleranzen eigentlich ein Ergebnis in deren Sinne ergeben würden. Ich habe mir eine kleine Excel-Berechnung hinsichtlich der Fehlertoleranzen nach DIN EN 12599 erstellt. In dem eingegebenen Beispiel ergibt sich eine Toleranz von +/- 17 %, das heißt bei einem Rohrdurchmesser von 200 mm und einem Luftvolumenstrom von 500 m³/h ergibt sich ein Volumenstrombereich von 415 bis 585 m³/h, der noch toleriert werden müsste.“

Beat Frei aus der Schweiz meint hierzu: „Sehr geehrter Herr Stahl, besten Dank für Ihren Kommentar. Mein Kollege David Burkhardt und ich beschäftigen uns in der Praxis, in der Forschung, in der Normierung und in der Lehre immer wieder mit dem Thema Messunsicherheiten und Toleranzen bei der Übergabe von LüKK-Anlagen. Wir schätzen es, dass Sie das wichtige Thema Toleranzen im Zusammenhang mit der Revision der EN 12599 aufgenommen haben.
Bei der bald abgeschlossenen Revision unserer nationalen Norm SIA 382/1 Mechanische Lüftung in Gebäuden – Grundlagen und Anforderungen haben wir das Thema Messunsicherheit und Toleranzen grundlegend überarbeitet. Im von der SIA 382/1:2014 verwendeten Begriff „Toleranz der Messunsicherheiten“ waren die Messunsicherheit und die zulässige Sollwertabweichung miteinander ungünstig vereint. Damals konnten die Werte der EN 12599:2012 und der SIA 382/1:2014 nicht eindeutig miteinander verglichen werden. Die Anwendung der SN EN 12599:2012 musste damals mit einem nationalen Vorwort und einem nationalen Anhang geregelt werden, damit die SIA 382/1:2014 maßgeblich blieb. Für Funktionsmessungen haben wir in der revidierten und Anfang 2025 publizierten SIA 382/1 zulässige erweiterte Messunsicherheiten und zulässige Toleranzen vom Sollwert voreinander getrennt und für wichtige Messgrößen tabellarisch ausgewiesen.
In meiner langjährigen früheren Tätigkeit in der akkreditierten Prüfstelle HLK der Hochschule Luzern waren mir die Spezifikation und Konformitätszonen ein Begriff. Bei der Revision der SIA 382/1 haben wir diese Methodik für die Akzeptanz von Ergebnissen bei Funktionsmessungen angewendet. Ich bin im CEN/TC 156 als Schweizer Vertreter engagiert. In der für die EN 12599 zuständigen WG 8 mit Frank Bitter als Convenor sind aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel keine Schweizer Experten aktiv. Während meiner Beobachtertätigkeit im DIN NHRS habe ich Frank Bitter auf unsere obenstehend beschriebenen Arbeiten aufmerksam gemacht – ohne Rückmeldung.
Die Vernehmlassung zur prEN 12599:2024 ist nun im Gang. Wir werden seitens SIA Begleitkommission zu CEN/TC 156 an der Vernehmlassung zur prEN 12599:2024 teilnehmen und das Thema Toleranz und Messunsicherheit einbringen. Ich hoffe, dass Ihnen unsere Arbeiten weiterhelfen, das Thema Messunsicherheiten und Toleranzen nochmals im cci begleitend zur Vernehmlassung zu lancieren.“

Bevor Dr. Manfred Stahl seinen Kommentar zum Entwurf der DIN EN 12599 veröffentlicht hat, hat sich cci Branchenticker im Rahmen des Normentags am 3. September mit der DIN EN 12599 beschäftigt (siehe cci279999).

Hierzu hatte sich bereits Detlef Malinowsky gemeldet, der den neuen Entwurf der DIN EN 12599 unter folgendem Motto sieht: „Warum soll man etablierte, einfache Normen nicht wieder komplizierter, aufwendiger, unübersichtlicher und natürlich teurer machen und das bei 1/3 weniger Seiten.“ Einige Beispiele hat er hinzugefügt.

Die Einschätzung von Herrn Malinowsky hat wiederum Marcel Blumenthal nachdenklich gemacht: „Mein Erfahrungen mit Planenden ist bisher, dass man den aktuellen Stand der DIN EN 12599 schon nicht verstanden oder einfach ignoriert hat. Das hat zu Folge das abweichend der Vorgabe des §7 VOB/A in den seltensten Fälle eine eindeutige und für alle gleich zu verstehende Leistungsbeschreibung (auch) in diesem Kontext erstellt wurde.“

Der neuste Kommentar stammt von Olaf Mayer: „Hallo Herr Malinowsky und Herr Blumenthal, ihr seit schon auf der richtigen Spur. Die Din EN 12599 hat sich jemand zu eigen gemacht, der auch einmal etwas verfassen wollte. Das würde ich jetzt ‚Entbürokratisierung‘ oder doch Entschleunigungsprozess nennen. Ok, das stimmt ja so nicht. Wir machen geradewegs weiter da, wo wir immer aufhören und ändern wollten. Die Bürokratie nimmt seinen Lauf steil nach oben und ein Aufhellen ist da nicht in Sicht. Zitat Herr Blumenthal: ‚Werden meine Besprechungen und Abstimmungen zur Gestaltung und Inhalt von Leistungsverzeichnissen wohl noch umfangreicher werden müssen.‘ Das kann nicht der Sinn einer neuen DIN EN 12599 sein oder? Herr Malinowsky hat es auf die Norm gebracht. Zitat: ‚Wer die Überarbeitung der DIN EN 12599 vorangetrieben hat, aber ‚der die das‘ hat keinen Bezug zur Praxis!‘ Dabei sind die Normen, die ich bis jetzt bei meinen Sachverständigenarbeiten einbezogen habe, völlig ausreichend und doch zu viel. In der ganzen Gestaltung wird der Praxisanteil sehr häufig vernachlässigt oder sogar vergessen. Die Norm sollte auch dafür ausgearbeitet werden, das eine Umsetzung von Handwerk und Co. praxisorientiert umgesetzt werden kann. Aber laut Helmut Bramann (Hauptgeschäftsführer vom ZVSHK) heißt es – Zitat: ‚Wir bauen doch keine Raketen, sondern nur Wärmepumpen‘. Solange wir solche Sätze von uns geben, darf man sich über andere Aussagen oder Norm-Gestaltungen nicht mehr wundern. Das Zitat war total praxisfremd.“

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cci281978

2 Kommentare zu “Leserstimmen: Immer wieder DIN EN 12599

  1. Sehr geehrter Herr Stahl,
    ich habe Ihren Artikel und besonders die Kommentare als Mitglied in den Prüfungsausschüssen für die Prüfung der Prüfsachverständigen in der IHK in Stuttgart und Potsdam verfolgt.

    Wieder einmal stimme ich dem Kommentar von Herrn Siegismund zu.
    Wichtig bei den Messungen generell halte ich die Frage der Auswirkungen bei den Abweichungen vom Sollwert für wesentlich.
    Die DIN EN 12599 gibt dazu einfache und genauere Messarten vor.
    >>Dazu einen Beitrag von Ihnen zu lesen würde mich freuen.

    Bei unseren Prüfkandidaten ist es uns wichtig, dass der Messende weiß und einschätzen kann wie das Profil, z.B. bei einer Volumenstrommessung, in der zu messenden Luftleitung einzuordnen ist, deshalb ist ein einziger Messpunkt dazu nicht geeignet, und ob durch nicht erkennbare Störungen das Ergebnis verändert ist. Füür mich war immer die Erkenntnis wichtig, dass bei starken Abweichungen zwingend die Erhöhung der Messpunkte notwendig wird und das Strömungsprofil genauer abzubilden.

    Der Messende muss nicht nur die Messung nach DIN EN 12599 vornehmen können sondern auch verstehen wozu die richtige Fehlerauswertung notwendig ist.

    Ergänzend noch zu den Kommentaren der Hinweis, dass natürlich die Festlegungen zum Luftvolumenstrom mit dem Betreiber/Bauherrn/Nutzer zu beachten sind, wenn jemand Worte wie „Garantiewert“ oder „nicht zu unterschreiten“ in Werkverträgen zu erfüllen hat wiegt das schwerer.
    Wenn andererseits Gesundheit oder Leib und Leben davon abhängen ebenso.

    Mit freundlichen Grüßen
    SVfS Hans Christian Sieber

  2. Hier möchte ich nochmals ergänzen:
    Richtig sind die von Herrn Salzwedel nach den Regeln zulässigen Toleranzen, die oft erheblich sein dürfen, wenn er schreibt: „—- In dem eingegebenen Beispiel ergibt sich eine Toleranz von +/- 17 %, das heißt bei einem Rohrdurchmesser von 200 mm und einem Luftvolumenstrom von 500 m³/h ergibt sich ein Volumenstrombereich von 415 bis 585 m³/h, ….“. Aber oft habe ich die Situation, dass in vielen Fällen bei allen Messung immer nur der untere zulässige Toleranzwert erreicht wird. Das habe ich dann zu akzeptieren, aber es ist fast ein System zu vermuten? Meist ist eine neue Messung anzuraten.

    Bei großen Gebäuden wurden mir schon Messprotokolle der ausführenden Firma von Luftvolumenströmen vorgelegt, bei denen die Abweichung vom Sollwert bei hunderten Messungen nur zwischen +/- 3 % war und die Firmen empört waren, wenn ich nachgemessen habe und Abweichungen von -50 % und -70 % und keine einzige Abweichung mit „+“ feststellte. (Praxis eines Sachverständigen)
    Freundliche Grüße Reinhard Siegismund

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