Leserstimmen: Neuer Gebäudetyp E

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Ende November haben das Bau- und Justizministerium ein Eckpunktepapier zur Einführung des „Gebäudetyps E“ vorgelegt. Dr.-Ing. Manfred Stahl hat sich über darin empfohlene Maßnahmen gewundert und geärgert, und dies in seinem Kommentar zum Ausdruck gebracht. Das hat die Leser von cci Branchenticker beschäftigt. Nachfolgend die Leserkommentare zu Meldungen in cci Branchenticker.

Das Eckpunktepapier des Bundesbauministeriums zum Gebäudetyp E soll das Bauen vereinfachen und Kosten senken. Mehrere Aspekte in diesem Papier haben in der TGA-Branche und in der LüKK für Diskussionen und Widerstand gesorgt. Dr.-Ing. Manfred Stahl hat sich das 13-seitige Dokument zum Gebäudetyp E genauer angeschaut. In seinem „Kommentar: Neuer Gebäudetyp E – So geht die Gesundheit den Bach runter“ (siehe cci313000) vom 17. Dezember erklärt er, warum er sich über darin empfohlene Maßnahmen gewundert und auch geärgert hat.

Joerg Gollub ist anderer Ansicht: „Das Eckpunkte Papier ist gut und richtig. Der Verzicht auf komplizierte und komplexe Prozesse bedeutet schlicht Kostenreduzierung, die die Bauherren doch dringend benötigen.“

Und Mirko Pfrötzschner schreibt: „Sehr geehrter Herr Dr. Stahl, Ihr Bericht zum Gebäudetyp E gibt sich kritisch, ist in Wahrheit aber vor allem eines: eine Verteidigung bestehender Bau- und Normstrukturen unter dem Deckmantel von Gesundheits- und Qualitätsargumenten. Aus einem freiwilligen, vertraglich geregelten Optionsmodell wird ein angeblicher Angriff auf menschenwürdiges Wohnen konstruiert. Einzelne politische Zitate dienen als Aufreger, während die eigentliche Zielsetzung, mehr Entscheidungsfreiheit jenseits nicht zwingender Normen, systematisch verzerrt wird. Abweichung vom Status quo gilt hier reflexhaft als Risiko. Besonders fragwürdig ist die Gleichsetzung von Technik mit Gesundheit. Niedrigere Raumtemperaturen oder der Verzicht auf mechanische Lüftung werden pauschal als unzumutbar dargestellt. Das ignoriert Lebensrealitäten ebenso wie die Tatsache, dass Millionen Menschen seit Jahrzehnten und teils bis heute, ohne diese Standards leben, ohne dass dies automatisch krank macht. Technik wird moralisch überhöht: mehr gilt als richtig, weniger als fahrlässig. Was völlig fehlt, ist eine ehrliche Prioritätenfrage. Ist es sozial gerecht, Bauwilligen vorzuschreiben, welche Standards sie sich leisten müssen – selbst dann, wenn sie bewusst darauf verzichten würden, um überhaupt bauen zu können? Oder geht es vielmehr darum, ein System zu bewahren, das von immer neuen Normen, Anforderungen und Beratungsleistungen lebt? Der Vorwurf, der Gebäudetyp E nütze am Ende vor allem Baukonzernen, ist dabei paradox. Gerade große Akteure profitieren von komplexen Regelwerken, während private Bauherren und Familien unter ihnen leiden. Mehr Freiheit schadet nicht den Schwachen – sie hilft ihnen. Der Bericht arbeitet mit Angst vor Komfortverlust, vor Qualitätsabbau, vor Veränderung. Was fehlt ist Vertrauen in mündige Bauherren und der Mut, anzuerkennen, dass nicht jede Norm, nur weil sie existiert, auch dauerhaft sinnvoll ist. Der Gebäudetyp E ist sicher kein Allheilmittel. Ihn jedoch vorschnell zu diskreditieren, weil er liebgewonnene Gewissheiten infrage stellt, ist kein Beitrag zur Lösung der Baukostenkrise, sondern Teil ihres Fortbestands.“

Ein weiterer Kommentar stammt von Claus Händel vom FGK. Er schreibt: „Über vereinfachtes und serielles Bauen nachzudenken ist sicherlich richtig. Grundsätzlich ist das schon heute möglich. Natürlich stellt sich die Frage der Rechtssicherheit – jetzt und vermutlich auch beim Gebäudetyp E. Ein Aspekt zu Lüftungsanlagen insbesondere Wohnungslüftungsanlagen: Bis heute ist nicht vorgeschrieben, Lüftungsanlagen in Wohngebäude einzubauen. Ausnahme sind Entlüftungsanlagen für fensterlose Bäder und WC. Das wird in keiner Weise in Frage gestellt. Schon heute entscheiden sich Bauherren aus gesundheitlichen und/oder energetischen Aspekten für eine Lüftungsanlage mit Bedarfsregelung und/oder Wärmerückgewinnung. Aus beiden Gründen eine sinnvolle und zukunftssichere Entscheidung.
Wir führen regelmäßig eine Marktabschätzung durch und seit vielen Jahren wird etwa ein Drittel der neu gebauten Wohneinheiten mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Oft auch im geförderten Bereich – also eine aktive Entscheidung der Nutzer. In zwei Drittel der Wohneinheiten wird leider keine Lüftungsanlage eingebaut. Diese Kosten treten also gar nicht auf. Überall dort, wo auf die Kosten geschaut wird, also eigentlich nicht. Heute nicht und in der Vergangenheit nicht. Wie kann man Kostenreduzierungen prognostizieren für einen Aspekt, der gar nicht so gebaut wird. Diese Sichtweise erscheint mir äußerst fragwürdig. Die Kosten treten nur dort auf, wo sich die Nutzer aktiv dafür entscheiden. Auch die in diesem Zusammenhang kritisierte DIN 1946-6 fordert nicht den Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Im Lüftungskonzept wird überprüft, ob die Randbedingungen zusätzliche lüftungstechnische Maßnahmen notwendig machen. Die Entscheidung darüber, was tatsächlich gemacht wird, obliegt den Nutzern und Planenden. Auch eine Fensterlüftung mit nutzerunabhängigem Feuchteschutz ist möglich. Diese Norm ist also Teil der notwendigen Informationen auch zum Gebäudetyp E.
Wie will man zukünftig ,Nullenergie-Gebäude‘ bauen, wenn aus Gründen der Gesundheit und Behaglichkeit etwa 50 % der Energie zum Fenster raus geht. Über groß dimensionierte Wärmeerzeuger (Wärmepumpen) will ich gar nicht weiter reden. Gebäude, die man heute baut, werden erst mal 50 Jahre so genutzt. Nachrüstungen sind wesentlich teurer. Man verschiebt also wieder Kosten in die Zukunft.“

Christian Fieberg ist der Meinung: „Der Gebäudetyp E ist ein erster Versuch, die Baukosten abzufedern. Wieviel das sein kann und welche Gebäude das betrifft, sollte man ruhig einmal versuchen. Das dadurch ein Zielkonflikt entsteht zwischen Kosten – (Thermischer) Behaglichkeit – Energiebedarf ist offensichtlich. Alle sprechen von Entbürokratisierung, aber mögliche Vorschläge erzeugen (teils zu recht) sofort Bedenken. Wenn wir aus diesem „lock in“ herauskommen wollen, sollten wir dem Typ E eine Chance geben. Interessant wäre hierzu eine Erfassung der tatsächlichen Kostenersparnis und mögliche Auswirkungen auf die Nutzenden.“

Und  eine anonyme Leserstimme (Anm. d. Red.: Der Name des Verfassers ist der Redaktion bekannt, er hat jedoch um eine anonyme Veröffentlichung gebeten) schreibt: „Sehr geehrter Herr Stahl, weshalb muss eigentlich die staatliche Überregulierung des Bausektors durch Energiegesetze, Bauvorschriften, zunehmend unverständliches Technisches Regelwerk und Lobbyarbeit in all diesen Bereichen etc. durch eine weitere Regel wieder dereguliert werden? Im Laufe meiner Tätigkeit haben wir uns als Planer aus dem Gebäudeplanungsgeschäft nahezu komplett zurückgezogen. Wissenschaftlich fundierte Regeln werden durch politisch geprägte Regulierungen ersetzt. Wohnhäuser sind doch keine Schlaf- und Beköstigungsbaracken für das einfache Volk. Fachleute, wie erfahrene Architekten und Ingenieure, können doch nicht mehr ernsthaft einen Bauherren beraten, der sich zum Beispiel einen schönen Alterssitz in Deutschland bauen möchte und sich einfach wohlfühlen will. Wo bleibt den bitteschön der gesunde Menschen- und Sachverstand? Zum Heizkörper und den Lichteinfall durch kleine Fensterchen etc. fiel mir spontan die sehr lesenswerte Dokumentation ein, die ich Ihnen gern weiterempfehlen möchte.
Ich sehe auch wie Sie den Haftungsfall kommen, wenn der Besteller der Behausung bei Erstellung, Erscheinungsbild und späterer Nutzung aus allen Wolken fällt.
Als Leser Ihrer Zeitung bin ich nicht mit Allem einverstanden, muss ich auch nicht. Trotzdem spiegeln die Kommentare doch zaghaft wider, dass es noch so etwas wie eine Meinungsvielfalt gibt. Ich habe den Eindruck, dass noch vor Jahren die Artikel Ihrer Zeitung mehr von den Lesern kommentiert und diskutiert wurden. Deshalb, weiter so, ruhig auch mal etwas kritischer.“

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