Die Euronorm DIN EN 16798-1 empfiehlt auch Außenluftvolumenströme für Wohngebäude, wodurch es eine Alternative zur Auslegung nach DIN 1946-6 gibt. Allerdings wurden diese Anregungen der Euronorm zur Wohnungslüftung nicht in den Nationalen Anhang der DIN EN 16798-1 übernommen.
Dipl.-Ing. Norbert Nadler kommentiert den Entwurf der DIN EN 16798-1/NA.
Nach langer Bearbeitungszeit ist im Juni endlich der Nationale Anhang zur DIN EN 16798-1 erschienen. Die Euronorm DIN EN 16798-1 empfiehlt auch Außenluftvolumenströme für Wohngebäude, wodurch es eine Alternative zur Auslegung nach DIN 1946-6 gibt. Allerdings wurden diese sinnvollen Anregungen der Euronorm zur Wohnungslüftung leider nicht in den Nationalen Anhang der DIN EN 16798-1 übernommen.
Im Nationalen Anhang DIN EN 16798-1/NA steht unter NA.1 „Allgemeines“, dass die Festlegung des notwendigen Luftvolumenstromes für Wohngebäude (NA.5.2) alternativ nach DIN 1946-6 „Lüftung von Wohnungen“ erfolgen kann. Unter NA.5.2 „Auslegungs-Außenluftvolumenströme für Wohngebäude“ findet sich dann aber der Satz: „Außenluftvolumenströme werden für Nutzungseinheiten bis 500 m² nach DIN 1946-6 festgelegt.“ Das ist ein Widerspruch. Diesen deute ich so, dass es für Gebäude unter 500 m² doch keine Alternative zur DIN 1946-6 im Nationalen Anhang gibt. Es werden auch keine weiteren Angaben für Nutzungseinheiten bis 500 m² gemacht.
Dagegen enthält die Euronorm im normativen Anhang A für Wohngebäude umfangreiche Tabellen für Auslegungs-Zu- und Abluftvolumenströme. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, eine Auslegung nach der CO2-Konzentration vorzunehmen, womit man bedarfsgerecht eine bestimmte Raumluftqualität planen kann. Diese Tabellen sind leer, da sie als Vorlage für einen Nationalen Anhang dienen sollen. Im informativen Anhang B finden sich die gleichen Tabellen, gefüllt mit Vorschlagswerten, und bilden somit einen Anhaltspunkt für den Nationalen Anhang.
Der Sinn des Anhanges A in der Euronorm ist die Vereinheitlichung europäischer Normen, welche hier völlig außer Acht gelassen wird. Die Käufer der Euronorm bezahlen somit Seiten mit, die irrelevant sind, wenn sie vom deutschen Spiegelgremium ignoriert werden.
Die DIN 1946-6 ist gegenüber der DIN EN 16798-1 eine Norm mit völlig anderen Inhalten und damit kaum vergleichbar. Einige Beispiele seien hier aufgeführt:
- Die DIN 1946-6 beinhaltet auch die Möglichkeit, eine freie Lüftung vorzusehen. Bei dieser Lüftungsart können die Anforderungen der DIN EN 16798-1, zum Beispiel an den Mindest-Außenluftvolumenstrom ≥ 4 l/s je Person, nicht immer aufgrund von Winddruckschwankungen erfüllt werden. Außerdem geht der Anhang A davon aus, dass nur nicht verbrauchte Außenluft aus anderen Räumen nachströmt, was bei der freien Lüftung nicht der Fall ist.
- Ein Mindest-Außenluftvolumenstrom v ≥ 4 l/s je Person ist in der DIN 1946-6 nur für Räume vorgeschrieben, in denen geschlafen wird. In der Euronorm gilt dies generell, also zum Beispiel auch für Wohnzimmer.
- Mit der DIN 1946-6 ist auch keine Kategorienwahl möglich, mit der man zum Beispiel für Altenheime eine höhere Kategorie der Luftqualität einplanen kann. Oder für wenig genutzte Räume mit dem Bauherrn eine niedrigere Kategorie vereinbart werden kann.
- Die DIN EN 16798-1 enthält auch Vorgaben zur Abfuhr von Baustoffemissionen während Nichtbelegungszeiten. Die DIN 1946-6 gibt nur für die ventilatorgestützte Lüftung vor, dass die Lüftungsstufe „Lüftung zum Feuchteschutz“ dauerhaft vorhanden sein muss. Die Tabelle zeigt die auf die Fläche der Nutzungseinheit bezogene Lüftung zum Feuchteschutz in m³/(hm²). Die rot markierten Werte erfüllen nicht die Anforderungen aus B.3.2.5 der DIN EN 16798-1 von 0,36 bis 0,54 m³/(h m²) während der Nichtbelegungszeiten.
Das heißt, zur Abfuhr von Baustoffemissionen während Nichtbelegungszeiten ist die Lüftung zum Feuchteschutz für einige Wohnungstypen nicht ausreichend. Überhaupt ist die Abfuhr von Baustoffemissionen auch bei Wohngebäuden ein wichtiges Thema, zum Beispiel bei Fertighäusern in Holz-Ständerbauweise. In der DIN 1946-6 bleibt dieses Thema aber gänzlich außen vor.
- Der Anwendungsbereich der DIN 1946-6 gilt nur für die Heizperiode sowie ganzjährig für Kellerräume. Gegenüber der Euronorm liegen damit keine Anforderungen mehr bezüglich sommerlicher Außenluftvolumenströme vor.
Schon aus Energiespargründen, Ressourcenschonung und bezahlbarem Wohnraum sollte eine Auslegung der Volumenströme bedarfsorientiert sein. Die DIN EN 16798-1 bietet durch die Angabe der zugrundeliegenden Randbedingungen (Aktivität, Atemluftvolumenstrom, etc.) die Möglichkeit der Überprüfung, ob diese Randbedingungen für das zu planende Bauvorhaben erfüllt sind bzw. der angepassten Neuberechnung des Volumenstroms über eine CO2-Ermittlung. Dabei kann auch die Belegungszeit des Raumes und das Raumluftvolumen berücksichtigt werden. Durch die Anordnung, für Wohngebäude die DIN 1946-6 zu verwenden, ist dies nicht möglich.
Für einen Einspruch ist vom DIN eine Kommentartabelle in Word vorgesehen. Diese befindet sich hier (https://www.din.de/de/mitwirken/entwuerfe/stellungnahmen-norm-entwuerfe-108708).
Wichtig ist hierbei unter der Spalte „Proposed change“ einen Vorschlag (auch in Deutsch) einzutragen. Ansonsten könnte der Einspruch abgelehnt werden! Hier sollte stehen, dass die Struktur aus dem Anhang A.3.2 der DIN EN 16798-1 in den Nationalen Anhang zu übernehmen ist (ähnlich wie die Vorschlagswerte im Anhang B.3.2 oder ggf. mit Änderungen und Anpassungen).
Die Einspruchsfrist für den Nationalen Anhang DIN EN 16798-1/NA endet am 14.07.2021. Wer einen Einspruch macht, wird zu einer Einspruchssitzung eingeladen und kann dort seinen Einspruch verteidigen.
Dipl.-Ing. Norbert Nadler, Ing.-Büro CSE Nadler, Oranienburg
cci132067
Jede Art der Vervielfältigung, Verbreitung, öffentlichen Zugänglichmachung oder Bearbeitung, auch auszugsweise, ist nur mit gesonderter Genehmigung der cci Dialog GmbH gestattet.