Kommentar: Gute Gehälter sind kein Geheimnis – oder sollten es nicht sein

Torsten Wiegand (Abb. © cci Dialog)

Aktuelle Studien zeigen: Im Handwerk lässt sich gutes Geld verdienen. Doch viele Betriebe kommunizieren diese Stärke kaum. Wer nicht über Gehälter spricht, verspielt Chancen – vor allem auch im Wettbewerb um Fachkräfte. Gehaltstransparenz ist kein Risiko, sondern ein strategischer Vorteil.

Das Handwerk zahlt gut – das zeigen die aktuellen Vergütungsstudien des Münchner Ludwig-Fröhler-Instituts für Handwerkswissenschaften (LFI) und der Jobplattform „PowerUs“ (siehe cci300246). Doch so erfreulich diese Botschaft ist, so ernüchternd ist der Befund zwischen den Zeilen: Viele Handwerksbetriebe kommunizieren ihre Gehaltsstrukturen kaum. Das ist meines Erachtens eine vertane Chance, gerade im Wettbewerb um Fachkräfte. Dabei sprechen die Zahlen für sich: Gesellenlöhne in SHK-Berufen von über 3.700 €, Meistergehälter bis 8.000 € im Monat – damit muss sich das Handwerk nicht verstecken. Und dennoch bleiben viele Betriebe bei der Kommunikation ihrer Vergütung auffallend zurückhaltend. Wer nicht offen über Gehälter spricht, überlässt die Deutungshoheit anderen – etwa der Industrie, die oft als attraktiver wahrgenommen wird. Es ist generell Zeit dafür, den Mythos der „besser zahlenden Industrie“ einem Realitätscheck zu unterziehen. Auch Industrieunternehmen beschäftigen Anlagenmechaniker SHK oder Mechatroniker für Kältetechnik. Verdienen diese dort tatsächlich besser? Wenn ja – warum? Wenn nein – warum hält sich das Gerücht? Handwerksbetriebe könnten durch Transparenz entscheidend dazu beitragen, hier Klarheit zu schaffen.

Ein gutes Gehalt ist natürlich relevant – aber nicht alles. Für viele Beschäftigte sind Betriebsklima und persönlicher Kontakt wichtiger. Dennoch bleibt die Bezahlung ein entscheidender Bindungsfaktor. Daher ist es umso wichtiger, das Gesamtpaket sichtbar zu machen: Weihnachtsgeld, bezahlte Weiterbildungen, Kinderbetreuungszuschüsse oder – wie ein gutes Beispiel aus der LüKK-Industrie zeigt – der Bau eines Betriebskindergartens bei der Wildeboer Bauteile GmbH aus Weener. Nach Angaben des geschäftsführenden Gesellschafters Dr.-Ing. Jürgen Wildeboer ist das ein „großer Schritt weiter in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Dies und die anderen Punkte sind starke Argumente moderner Arbeitgeber – und sollten offensiv kommuniziert werden.
Natürlich schwanken die Gehälter regional – das ist Fakt. Das Gehalt muss aber auch nicht überall gleich hoch sein – es muss jedoch zur Lebensrealität passen. Wer seine Gehaltsstruktur klug auf regionale Lebenshaltungskosten abstimmt, zeigt Wertschätzung und stärkt die eigene Attraktivität. Denn auch hier gilt: Transparenz schafft Vertrauen.

Das Handwerk hat viel zu bieten – es muss es nur zeigen. Offenheit beim Thema Gehalt ist kein Risiko, sondern Chance: zur Positionierung, zur Nachwuchsgewinnung. Gute Löhne verlieren ihren Wert, wenn niemand davon weiß. Zeit, selbstbewusst darüber zu sprechen.

Ihr Torsten Wiegand
torsten.wiegand@cci-dialog.de

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Ein Kommentar zu “Kommentar: Gute Gehälter sind kein Geheimnis – oder sollten es nicht sein

  1. Lieber Herr Wiegand,
    delikates Thema, bin auf die Anzahl und Inhalte der Reaktionen gespannt, mache mal den Anfang und komme gleich mit etwas anderen Ansichten um die Ecke. In der Zusammenarbeit mit Fachhandwerksbetrieben und Gesprächen mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen wurde mir häufig eher folgendes vermittelt:
    1. Der gesuchten Fachkraft ist bewusst, was sie wert ist.
    2. Für Gehalts- bzw. Lohn-Transparenz sorgt reger Austausch auf Baustellen, natürlich auch gewerkeübergreifend.
    3. Dies bringt auch immer wieder gerne gegenseitige muntere Abwerbungsaktivitäten innerhalb der Branche in Gang.
    4. Dass auf Industrieseite nicht mehr alles Gold ist, was glänzt, ist inzwischen bekannt, der lahmenden Konjunktur sei Dank.
    5. Dennoch: Auf Industrieseite ist die Fachkraft nicht tagelang auf Montage, hat keinen Notdienst, eine geregelte Arbeitszeit, klare Organisationsstrukturen. Dies treibt in manchem Fall die Fachkraft weg vom Handwerk. Nicht unbedingt die Unkenntnis über mögliche Bezüge und der Glaube, dass es auf Industrieseite mehr gibt.
    Und: Das Fachhandwerk ächzt durchaus hier und da über die steigende Gehalts- und Lohnspirale aufgrund des Fachkräftemangels. Ob hier mehr offene Kommunikation und Promotion gewollt und hilfreich ist? Ich bin da skeptisch, so sehr ich Ihre Worte über Vertrauen und Wertschätzung auch wirklich gut heiße. Mal sehen, was andere noch meinen.
    Bis bald und hochsommerliche Grüße… Bernhard Schöner

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