Sind 24 °C Raumtemperatur zu warm?
(Abb. © LIGHTFIELD STUDIOS/stock.adobe.com) Im Sommer 2019 hat die auf smarte Temperatursteuerungen spezialisierte Tado GmbH, München, in europaweit 150.000 Haushalten die Raumtemperaturen gemessen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen dürften manchen LüKK-Spezialisten überraschen.
Die Tado GmbH mit Sitz in München ist als Spezialistin für intelligentes Klima-Management in Wohngebäuden (smarte Thermostate zur Temperatursteuerung von Heizung und Klima) international tätig. In einer Untersuchung hat das Unternehmen im heißen Sommer 2019 von Juni bis August täglich von 12 bis 18 Uhr in 150.000 europäischen Haushalten von Portugal bis Griechenland und von Sizilien bis Finnland über die in den Wohnungen installierten Tado-Thermostate die Raumtemperaturen abgerufen, erfasst und ausgewertet. Aus diesen Daten wurden dann für die Haushalte in den einzelnen Staaten die Temperatur-Mittelwerte berechnet. Die Ergebnisse zeigt die Abbildung:
Durchschnittliche Raumtemperaturen in den untersuchten Haushalten. Dargestellt sind die Durchschnittstemperaturen von Juni bis August, die jeweils von 12 bis 18 Uhr erfasst wurden. (Abb. © Tado)
Gemäß der Abbildung war bei der Untersuchung Griechenland mit einer Durchschnittstemperatur von 27,8 °C Spitzenreiter, gefolgt von Italien (27 °C) und Spanien (26,6 °C). Für Haushalte zum Beispiel in Österreich, Ungarn und Polen wurden Temperaturen im Bereich von 25 bis 26 °C ermittelt. Frankreich, die Schweiz, die Benelux-Staaten und Deutschland lagen bei 24 bis 25 °C. Geringere Temperaturen gab es in den skandinavischen Ländern und in Großbritannien (22 bis 24 °C), am kühlsten waren die Haushalte in Irland mit durchschnittlich 21,5 °C. Diese Ergebnisse interpretiert Tado in einer Zusammenfassung der Untersuchung /1/ unter anderem mit diesen Folgerungen und Empfehlungen:
– „In Deutschland lag die durchschnittliche Innentemperatur bei 24,1 ºC, während eine von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene, ideale Temperatur zwischen 18 ºC und 22 ºC (abhängig von der Raumfunktion) sein sollte.“
– „Vor allem ältere Menschen leiden unter den hohen Temperaturen und sind besonders gefährdet. Auch bei gesundheitlichen Vorbelastungen, wie Atemwegerkrankungen, Diabetes und Übergewicht, steigt das Gesundheitsrisiko.“
– „Eine Klimaanlage… sorgt für eine angenehme Raumtemperatur und kann gesundheitsgefährdende Auswirkungen der Hitze, wie Dehydration oder einen Hitzschlag, verhindern.“
– „In Deutschland werden jährlich rund 190.000 Raumklimageräte verkauft. Die Marktdurchdringung in privaten Haushalten liegt bei unter 5 %, allerdings wird ein starker Anstieg der Verkaufszahlen prognostiziert; bis 2040 werden Bestandszahlen von rund 2,8 Mio. Geräten erwartet. Zudem könnte die aktuelle Corona-Situation dazu beitragen, dass in diesem Frühjahr und Sommer mehr Zeit zuhause verbracht wird und daher auch die Nutzung von Klimaanlagen zusätzlich zunimmt.“
Eine wichtige Ergänzung zu diesen Ergebnissen: cci Wissensportal hat bei Tado angefragt, inwiefern die in die Untersuchung einbezogenen Haushalte mit Klimageräten gekühlt werden oder nicht. Leider gibt es dazu keine Informationen, denn dieser für die Interpretation der Ergebnisse wichtige Faktor wurde bei der Studie nicht erfasst.
Anmerkungen der Redaktion
Aufgrund von Leserkritik zu dieser Untersuchung hat die Redaktion von cci Wissensportal folgendes recherchiert :
Anmerkung 1
Für LüKK-Fachleute sind die in der Abbildung dargestellten Durchschnittstemperaturen in den Haushalten nur schwer nachzuvollziehen. So wird zum Beispiel für Deutschland ein Mittelwert von 24,1 °C angegeben. Erinnern Sie sich an den heißen Sommer 2019 mit Außentemperaturen von oft weit über 30 °C bis zu 40 °C? Viele Haushalte wären wohl froh gewe¬sen, wenn sie in dieser Zeit in den Nachmittagsstunden bei der maximalen Solareinstrahlung eine Raumtemperatur von nur rund 24 °C gehabt hätten. Sehr oft lagen die Raumtemperaturen wohl deutlich höher. Selbst wenn in vielen der untersuchten Haushalte eine Klimaanlage arbeitet (besonders in den heißen Staaten in Südeuropa), hätte diese wohl Probleme, bei einer Außentemperatur von über 30 °C im gesamten Haushalt eine Raumtemperatur von 24 °C sicherzustellen – dafür bräuchte man schon ein Multisplitsystem.
Eine Anfrage von cci Wissensportal bei Tado, inwiefern die untersuchten Haushalte klimati-siert waren oder nicht (in Prozent oder als absolute Zahl), verlief ergebnislos: Die Ausstat¬tung der Haushalte „mit Klima“ oder „ohne Klima“ wurde leider nicht erfasst.
Anmerkung 2
Richtig ist, dass eine optimale, die Gesundheit, die Behaglichkeit und auch die Effizienz fördernde Raumtemperatur rund 22 bis 23 °C beträgt. Nicht korrekt ist in der Studie aber der Bezug auf die Angaben der WHO mit einer guten Raumtemperatur zwischen 18 und 22 °C – denn diese Vorgabe gilt explizit für Raumzustände im Winter und nicht im Sommer! Allerdings wird in technischen Regeln (zum Beispiel der DIN EN 15251) für Wohn- und auch für Nichtwohngebäude eine Raumtempera¬tur von maximal etwa 26 °C im Sommer empfohlen. Der Grund, warum man in technischen Regeln nicht die opti¬male Temperatur von 22 bis 23°C empfiehlt, liegt im Energie- und Kostensparen: Wenn Räume im Sommer auf diese ideale Temperatur gekühlt würden, ergäbe das einen erheblichen Energie(mehr)ver¬brauch zur Klimatisierung und Kühlung – daraus folgt als Kompromiss die Empfehlung zu 26 °C. Insofern liegen die von tado gemessenen Mittelwerte – bei denen es sicherlich erhebliche Schwan¬kungen nach oben (aber wie bei Mittelwerten üblich dann auch „nach unten“) gegeben haben muss – sogar unter diesem Wert von 26 °C und sind daher kaum als „zu hoch“ oder gar als „gesundheitsgefährdend“ einzustufen.
Anmerkung 3
Nachvollziehbar ist der von tado prognostizierte Trend zum Anstieg der Raumklimatisierung auch in Deutschland. Treibende Kräfte dafür sind mehr heimischer Komfort in den immer heißeren Sommermonaten (erträgliche und angenehme Temperaturen in den Wohn- und Schlafräumen), sicherlich auch gesundheitliche Aspekte (ältere und kranke Menschen), und auch der Trend zum gekühlten Homeoffice. Dieser Trend ist bereist 2019 stark spürbar geworden und hat sich, so viele Anbieter von Raumklimageräten, 2020 sogar noch verstärkt. Bei rund 41 Mio. Haushalten in Deutschland und fast 16 Mio. Einfamilienhäusern dürfte die von tado bis 2040 geschätzte Zahl von 2,8 Mio. Klimageräten im Wohnbestand eher konservativ sein – das dürften wohl viel mehr werden.
Was meinen Sie zu dieser Studie und den Anmerkungen? Ihre Meinung dazu ist per Email an redaktion@cci-dialog.de sehr willkommen.
Den Originalbeitrag von tado zu dieser Untersuchung lesen Sie hier.
Der Beitrag wurde im August 2020 von Dr. Manfred Stahl für cci Wissensportal erstellt.
Artikelnummer: cci90187
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