Messewesen: Unternehmen müssen umdenken

Kai Halter, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Industrie Kommunikation (BVIK) und Marketingleiter des Ventilatorenherstellers ebm-papst Mulfingen (Abb. © NürnbergMesse/Thomas Geiger)

Die Messe-Landschaft steht vor einem großen Umbruch. Fast 80 % aller Messen in Deutschland wurden 2020 abgesagt oder verschoben. Während man sich an digitale Formate noch gewöhnen muss, wächst die Bedeutung digitaler Erfassung von Kontakten (Leads) und Showrooms. Unternehmen müssen jetzt umdenken. Dies meint der Bundesverband Industrie Kommunikation (BVIK).

Messen sind seit Jahren das wichtigste Marketinginstrument der B2B-Branche. Laut einer Erhebung des Verbands der deutschen Messewirtschaft (AUMA) wurde fast die Hälfte des B2B-Marketing-Budgets deutscher Aussteller im Jahr 2019 für Messen verwendet. Die Corona-Pandemie hat diesen Wirtschaftszweig stark ausgebremst und fast zum Stillstand gebracht. Rund 80 % der fast 370 Messen, die für 2020 in Deutschland geplant waren, wurden verschoben oder abgesagt. Digitale Veranstaltungsformate rücken zunehmend in den Fokus und fordern ein Umdenken bei den Unternehmen. Das sind Ergebnisse der digitalen Konferenz „W&V Make – the new normal“ und einer gemeinsamen Veranstaltung der Messe München mit dem BVIK, bei der es um die Zukunft von Messen geht.
„Viele Messegesellschaften und Marketer haben Jahrzehnte lang verschlafen, Messen und Live-Events zukunftsfähig aufzustellen. Hier muss ein Umdenken stattfinden“, macht BVIK-Vorstand Dr. Andreas Bauer, die Problematik der Messebranche deutlich. Eine reine Transformation eines Präsenzevents in die digitale Welt, verbunden mit derselben Erwartungshaltung, sieht Bauer kritisch: „Messen und Live-Events haben eine große Bedeutung für die Industrie, da sie als Marktplatz für eine starke und gewachsene Community fungieren. Messen nur auf eine digitale Plattform zu bringen, macht jedoch keinen Sinn. Man muss die gesamte Bandbreite an Stärken nutzen, die die digitale Welt zu bieten hat, wie beispielsweise Virtual und Augmented Reality sowie Social Media.“ Diese Kritik bestätigt auch die BVIK-Studie „Digitalisierungsschub 2020 im B2B-Marketing“, laut der nur ein Drittel der Befragten zufrieden mit dem Besuch von virtuellen Messen war. Die Lösung wäre laut Bauer deshalb keine virtuelle Messe, sondern ein anderes Kommunikationsangebot als Ergänzung zur Live-Veranstaltung.
Kai Halter, BVIK-Vorstandsvorsitzender und Marketingleiter des Ventilatorenherstellers ebm-papst Mulfingen, macht sich aber große Sorgen um die Messe-Landschaft: „Je länger die Beschränkungen andauern und der Erfolg der Unternehmen trotzdem nicht ausbleibt, desto schwieriger wird es werden, sehr teure Maßnahmen wie Messen wiederzubeleben – zumal die Qualität eines Messe-Kontakts im Vergleich zu Online-Kontakten nicht geklärt ist.“ Laut Halter ist es im digitalen Umfeld leichter, Neukontakte zu akquirieren als auf einer Messe, zu der häufig Stammkunden und bekannte Interessenten kommen. Halter geht davon aus, dass der Fokus zukünftig auf den großen und wichtigen Leitmessen liegt und sich der Messe-Bereich in das eigene Unternehmen verlagert: „Das Bedürfnis mit Menschen am Tisch zu sitzen und Projekte zu besprechen, wird es auch nach Corona wieder geben. Was nicht so schnell wiederkommen wird, sind die großen Messeplätze. Der Weg geht zum eigenen, themenbezogenen Showroom, denn der Kunde möchte etwas erleben und es kommt zu einer ganz anderen Art der individualisierten Produktpräsentation. Hier ist das Marketing gefordert.“

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