Bestandschutz für nicht behindertengerechte Toiletten

Wann ist eine „Konkretisierung“ von Anforderungen in einer landesrechtlichen Verordnung eine Verschärfung eines Bundesgesetzes? Um diese grundsätzliche Frage, die auch Bedeutung für die LüKK hat, geht es im Folgenden.

(Abb. © Rafa Irusta/Fotolia.com) Die Verpflichtung zum Einbau behindertengerechter Toiletten trifft Gastwirte bei der Übernahme vorhandener Räumlichkeiten nicht immer. Dies hat die 4. Kammer des Verwaltungsgericht Berlins entschieden (22. Januar 2016, VG 4 K 169.15). Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Gericht die Berufung am Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Sachlage
Der Kläger hatte in Berlin-Spandau eine Gaststätte übernommen. Das Bezirksamt Spandau versagte ihm die Gaststättenerlaubnis, weil die Voraussetzungen der landesrechtlichen Gaststättenverordnung nicht erfüllt seien. Danach muss ab einer Schankraumfläche von 50 m² mindestens eine Toilettenanlage für mobilitätsbehinderte Gäste benutzbar sein. Daran fehlte es hier. Die Gaststätte wurde zuvor aufgrund einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1975 betrieben. Die Gästetoiletten befinden sich im Unterschoss und sind nur über eine Treppe erreichbar.

Urteil
Die von Gastwirten zu erfüllenden Vorgaben sind bundeseinheitlich durch das Gaststättengesetz vorgegeben. Dieses macht selbst Vorgaben zu den Anforderungen an eine barrierefreie Nutzung von Gaststätten, allerdings ausdrücklich nur für Räumlichkeiten, für die eine Baugenehmigung nach dem 1. November 2002 erteilt wurde. Nach einer im Gesetz enthaltenen Ermächtigung dürfen die Länder diese Mindestanforderungen konkretisieren. Laut Gericht dürfen sie sie aber nicht verschärfen, denn eine landesrechtliche Verordnung müsse sich an durch das Bundesgesetz gezogene Grenzen halten. Ist dies – wie hier – nicht der Fall, könne sie keine Geltung beanspruchen.

Der Gesetzestext
Gaststättengesetz (GastG)
§ 4 Versagungsgründe
(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn …
2a. die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde …
(3) … Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
a) zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind …

Fazit
Wenn ein Bundesgesetz nicht ausdrücklich eine Verschärfung der Anforderungen erlaubt, sondern nur eine Durchführungsverordnung, ist eine Verschärfung durch eine landesrechtliche Verordnung laut Verwaltungsgericht Berlin nicht rechtens.

 

Artikelnummer: cci39958

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