Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen mit natürlichen Kältemitteln

Am 4. und 5. Dezember 2024 hat in Berlin eine Fachtagung über Großwärmepumpen stattgefunden. Die Veranstaltung, organisiert von cci Schulung, zog rund 70 Teilnehmer aus verschiedenen Bereichen der Branche an, darunter Planer, Anlagenbauer, Energieberater und Betreiber großtechnischer Anlagen. An zwei Tagen wurden sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Anwendungen vermittelt – inklusive einer Exkursion. Der Fokus lag dabei auf Großwärmepumpen mit mehr als 500 kW Leistung, die Ammoniak (NH3), CO2 oder Wasser als natürliche Kältemittel verwenden.

NH3-Großwärmepumpen mit Kompression und Absorption

So können beispielsweise Großwärmepumpen mit Lösungskreislauf, bei denen Wasser und Ammoniak ein Kältemittelgemisch bilden, Temperaturen bis 160 °C erreichen. Dafür werden Kompression und Absorption in einem parallelen Prozess kombiniert. „Vorteil dieses Verfahrens ist“, wie Dr. Klaus Ramming, Bereichsleiter bei der AGO GmbH Energie + Anlagen, Kulmbach, erläuterte, „ein geringerer Druck von 32 statt 62 bar bei zugleich besserer Arbeitszahl COP von 2,8 statt 2,3.“ Bei zweistufiger Ausführung sei damit ein Temperaturhub von 110 K auf bis zu 160 °C möglich. Allerdings erfordere die komplexere Technik auch eine etwa 30 % höhere Investition gegenüber einer reinen Ammoniak-Wärmepumpe. Ramming begründet das mit der Komplexität des Kältekreislaufs, der neben den üblichen Komponenten zusätzlich einen Austreiber und eine Lösungspumpe erfordere. Ab wann sich das abhängig vom Verhältnis zwischen Strom- und Gaspreis und dem Temperaturhub rechnet, zeigt Abbildung 1.

Abbildung 1: Zeitliche Investitionsempfehlung in eine Großwärmepumpe in Abhängigkeit vom Strom-Gas-Preisverhältnis und COP (Abb. © AGO Energie + Anlagen)

Energiesystemoptimierung mit der Pinch-Analyse

Entscheidend ist also, nicht nur die passende Wärmepumpentechnik für anstehende Projekte in Neuplanung und Bestand zu finden, sondern auch den richtigen Zeitpunkt für eine entsprechende Investition. Dabei helfen kann die „Pinch-Analyse“, die in der Schweiz schon längst regelmäßig angewendet wird, in Deutschland aber bislang noch wenig Beachtung findet. Einer, der das ändern will ist, Dr. Florian Schlosser. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Paderborn hat die Pinch-Analyse in den Entwurf der VDI-Richtlinie 4646 „Anwendung von Großwärmepumpen“ (2024) mit eingebracht. „Ziel ist, zunächst den thermischen Energiebedarf durch Optimierung der Wärmerückgewinnung zu minimieren und anschließend entsprechend des technisch-ökonomischen Potenzials die passende Großwärmepumpe auszuwählen“, erklärte Schlosser. Gute Nachricht für Planer: Inzwischen gibt es ein kostenlos verfügbares Online-Tool für Pinch-Analysen der TLK Energy GmbH, Aachen, die diese auf der nächsten Großwärmepumpen-Tagung am 18. und 19. Februar 2025 in Frankfurt am Main vorstellen wird.

Synergien von Großwärmepumpen und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)

Welche Synergien der bivalent teil-parallele Betrieb von Großwärmepumpen und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bietet, erläuterte Ulrich Brinkmann: „Eine Luft/Wasser-Großwärmepumpe bei -10 °C zu betreiben ist Unsinn“, so der Vertriebsleiter Großwärmepumpen bei der 2G Energy AG, Heek. Er empfiehlt, das Beste aus zwei Welten zu vereinen. „Bei richtiger Fahrweise entsprechend den Preisen an der Leipziger Strombörse können die Wärmeentstehungskosten unter Einbeziehung geeigneter Wärmespeicher um bis zu 44 % niedriger als bei reinem Wärmepumpenbetrieb ausfallen“, rechnete Brinkmann vor.

Marktüberblick über Hochtemperaturwärmepumpen mit Wasser

Einen Marktüberblick über verschiedene Verdichtertechnologien sowie den Entwicklungsstand zu Hochtemperaturwärmepumpen mit Wasser (R718, GWP 0) als Kältemittel gab anschließend Philip Hofmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG), Bochum. Besonders bei Temperaturen über 100 °C bescheinigt er Wärmepumpen mit Wasser als Kältemittel, technisch wie wirtschaftlich und ökologisch eine gute Option darzustellen (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Im ph-Diagramm verschiedener natürlicher Kältemittel und Kohlenwasserstoffe werden die große Leistungsdichte sowie der hohe Druck- und Temperaturbereich von Wasser als Kältemittel deutlich (Abb. © Fraunhofer IEG)

Während bei Ein- und Mehrfamilienhäusern mit Senkentemperaturen um die 70 °C vor allem Scrollverdichter im Einsatz seien, dominierten im Leistungsbereich ab 10 MW und Senkentemperaturen >100 °C eindeutig die Turboverdichter. „Aufpassen müssen Planer bei der Verdichterauswahl im Grenzbereich von etwa 5 MW Leistung“, sagte Hofmann. Denn da stehen mit Schrauben-, Hubkolben-, Schrauben/Hubkolben- und Turboverdichter verschiedene Bauarten zur Verfügung, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben. Erste serienmäßige Großwärmepumpen mit Wasser als Kältemittel erwartet Hofmann ab Mitte 2026. „Dann wird mit Wasser künftig mehr als 200 °C Senkentemperatur möglich sein“, prophezeite Hofmann.

Schwimmende Energiezentralen

Vom Wasser als Kältemittel zum Wasser als Wärmequelle. Schwimmende Energiezentralen namens „ComPon“ hat Andreas Kaiser, Prokurist und Bereichsleiter für Wärmenetze, Industrie und Abwasser beim Planungsunternehmen für regenerative Energiesysteme goodmen Energy GmbH, Gräfelfing, vorgestellt. „Ausgangspunkt dieser Entwicklung war ein direkt an der Moldau gelegenes Haus im Privatbesitz eines Unternehmers, für das eine Wärmepumpe mit circa 500 kW Leistung installiert werden sollte“, berichtete Kaiser.

Durch positives Feedback seien die Gedanken und Dimensionen inzwischen auf bis zu 88 MW für das gesamte umliegende Areal des Privathauses gewachsen. Auf einer Länge von circa 15 km will goodmen Energy dafür als Contractor bis zu zehn schwimmende Energiezentralen errichten. Diese bestehen aus Pontons, an deren Unterseite Rohrbündelwärmeübertrager zur Nutzung der Flusswärme angebracht sind. In den schwimmenden Grundrahmen werden eine Wärmepumpe und eine Hydraulikeinheit eingehängt. „Das Deck ist frei gestaltbar, was Architekten und Städteplanern eine Spielwiese bietet“, wie Kaiser betonte. Die Investitionskosten beziffert er auf rund 2 Mio. €/MW. Zudem sei die Genehmigung entsprechender Anlagen erheblich einfacher und schneller, weil grundsätzlich nur das Wasserwirtschaftsamt involviert werden müsse. Aktuell entwickelt goodmen Energy drei ComPon-Größen mit Breiten von 3 bis 10 m und Längen von 6 bis 75 m.

Vergleich von Verdichtern mit Ammoniak und Isobutan

Welche Unterschiede sich bezüglich Baugröße und Verdichterdesign im Vergleich von Ammoniak als Kältemittel zu Isobutan (R600a, GWP 3) ergeben, hat Tobias Hirsch, Vertrieb Turbomaschinen bei MAN Energy Solutions, Braunschweig, gegenübergestellt. Bei der von ihm präsentierten Vergleichsauslegung benötigt Ammoniak einen sechsstufigen Kompressor, wohingegen bei Isobutan drei Stufen genügen. „Das liegt an der deutlich höheren molaren Masse von Isobutan (58 g/mol) gegenüber der von Ammoniak (17 g/mol)“, erklärte Hirsch, was eine höhere Kompression ermögliche. Dagegen bescheinigt er Ammoniak Vorteile bei der Wärmekapazität (2,7 kJ/(kg K) vor dem Verdichter, sowie hohe volumetrische Kälteleistung und hohe spezifische Verdampfungsenergie. Dadurch könne bei dem gewählten Beispiel (40 MWth, 8/4 °C Quellen- und 60/110°C Senkentemperatur) mit Ammoniak um 50 % kompakter auf der Fläche gebaut werden – und dies bei etwas höheren Leistungszahlen im Vergleich zu Isobutan (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: NH3-Kältekreislauf, mehrstufiger Verdichter sowie Footprint der Gesamtanlage (Abb. © MAN Energy Solutions)

Ammoniak: Gesundheitsgefährdung und Warnwirkung

Ergänzt wurde die theoretische Wissensvermittlung auf der Tagung in Berlin durch einen Besuch der Verdichter-Produktion der GEA Refrigeration Germany GmbH, Berlin. Als Gastgeber gewährten Hannes Burgis und Dirk Oschetzke, beide technischer Vertrieb, Einblicke in Ammoniak-Großwärmepumpen, wobei sie Ausführungen mit Hubkolben- und Schraubenverdichtern gegenüberstellten, zunächst aber die gesundheitsschädliche Wirkung von Ammoniak erläuterten. Aufgrund der hohen Warnwirkung fallen selbst austretende Kleinstmengen auf:

  • 5 ppm: Wahrnehmungsgrenze
  • 20 ppm: Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration (8 h)
  • 50 ppm: maximale Arbeitsplatzkonzentration
  • 150 ppm: unangenehm
  • 500 ppm: kaum erträglich
  • 1.000 ppm: gefährlich (4h)
  • 5.000 ppm: führen in kürzester Zeit (5 Minuten) zum Tod

Absicherung vor Gefahren

Gefahren, die von Ammoniak-Wärmepumpen ausgehen können, werden bei GAE über folgende Maßnahmen abgesichert:

  • Überdruck: Bau nach Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU mit druckseitiger Sicherheitskette (Sicherheitsdruckbegrenzer, Überströmventil, Sicherheitsventil)
  • elektrische Gefährdung: Absicherung Sicherung nach DIN VDE 0100 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ und DIN VDE 0105 „Betrieb von elektrischen Anlagen“
  • Absicherung gegen austretende Medien: Dichtheitsprüfung vor Inbetriebnahme (mit Stickstoff, Prüfdruck 24 h anstehen lassen, anschließend Lecksuche, bei großen Anlagen in Teilabschnitten)
  • Alarmschwellen der NH3-Sensorik (Beispiel): Voralarm Bei 500 ppm (Anzeige optisch, akustisch und in Steuerung: Aktivierung Lüftung), Hauptalarm bei 1.000 ppm (automatische Abschaltung der Anlage), obere Alarmgrenze bei 30.000 ppm (komplette elektrische Freischaltung der Gesamtanlage inklusive Abschaltung der Lüftung)
  • Sicherheitstechnische Anforderungen nach DIN EN 378 „Kälteanlagen und Wärmepumpen“: ab 3 t NH3 müssen „Sicherheitstechnische Anforderungen an Ammoniak-Kälteanlagen“ gemäß Technische Regel für Anlagensicherheit (TRAS) 110 beachtet werden.

Gegenüberstellung Hubkolben- und Schraubenverdichter für Ammoniak

Es folgte eine Gegenüberstellung von Hubkolben- und Schraubenverdichter betreffend Funktion, Leistungsregelung, Schallemissionen, Aufstellfläche, Temperaturbereich, Effizienz und Kosten. Als Ergebnis resümierte GEA wie folgt auf seine Produkte bezogen:

Hubkolbenverdichter:

  • ideal bei Leistungen < 5 MW
  • höchste Effizienz in der Wärmepumpen-Anwendung
  • hohe Effizienz in Teillast

Schraubenverdichter:

  • ideal für große Leistungen > 5 MW pro Einheit
  • hoher Temperaturhub möglich (Öl-Einspritzung während der Verdichtung)
  • weniger rotierende Teile, wartungsarm
  • schwingungs- und geräuscharm

Fazit und Ausblick

Die Tagungsreihe über Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen zeigt deutlich, dass Großwärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielen. Sie bieten nicht nur eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Heiz- und Kühlsystemen, sondern eröffnen auch der Industrie neue Möglichkeiten, Prozesse zu dekarbonisieren. Mit Blick auf die Zukunft ist zu erwarten, dass die Bedeutung von Großwärmepumpen und natürlichen Kältemitteln weiter zunehmen wird. Die siebte Tagung von cci Schulung über Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen findet am 18. und 19. Februar 2024 in Frankfurt am Main statt.
Details und Anmeldung

Der Beitrag basiert auf einer Zusammenfassung von Lars Keller, Gründer der Hitzköpfe-Academy, Poing, sowie Organisator und Moderator der Großwärmepumpen-Tagung in Berlin, und wurde von der Redaktion überarbeitet und ergänzt.

Weitere Berichte über Großwärmepumpen-Tagungen

cci288396

Schreibe einen Kommentar

E-Paper