Grundlagen: Lüftungssysteme für Produktionsstätten

In Produktionsstätten entstehen oft luftfremde Stoffe, die gesundheitsschädigend sein oder die Qualität der verarbeiteten Produkte beeinflussen können. Aufgrund dessen werden lufttechnische Maßnahmen eingesetzt, die die Raumluft durch zugeführte unkontaminierte Außenluft austauschen und die luftfremden Stoffe direkt erfassen. Da die Luftqualität in einer Fertigungshalle wesentlich von der Ausführung und Anordnung der lufttechnischen Einrichtungen bestimmt ist, ist eine strömungstechnische Optimierung erforderlich.

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Der Artikel wurde im Dezember 2021 überprüft.

Dabei sind der erforderliche Energieaufwand und die erforderlichen Invest- und Betriebskosten zu berücksichtigen. 
Für die Luftströmung im Produktionsraum sind im Wesentlichen vier Strömungsmuster bekannt:
Mischlüftung
Bei der Mischlüftung vermischt sich die Zuluft- mit der Raumluft durch die Induktion der an den Luftdurchlässen sich ausbildenden Einzelstrahlen homogen. Da der Induktionsluftstrom gegenüber dem an den Luftdurchlässen ausgeblasenen Primärluftstrom um ein Vielfaches größer ist, sind hohe Luftgeschwindigkeiten im Raum meist nicht zu vermeiden. Luftfremde Stoffe werden ausschließlich durch Verdünnungseffekte ausgetragen.
Verdrängungslüftung 
Die Verdrängungslüftung ist kennzeichnet durch eine einheitliche Strömungsrichtung und eine in Strömungsrichtung zunehmende Konzentration der luftfremden Stoffe. Die Strömungsform erfordert kleine Temperaturdifferenzen und hohe Luftströme, um die Gesamtströmung stabil zu halten. Sie wird daher nahezu ausschließlich in der Reinraumtechnik eingesetzt.
Schichtlüftung 
Für die Belüftung von Industriehallen hat sich die Schichtlüftung als besonders geeignet erwiesen. Die Schichtlüftung nutzt die natürlichen an thermischen Quellen entstehenden Konvektionsströmungen zum Aufbau der Raumluftströmung. Die Zuluft sollte daher so einströmen, dass die Thermikströmung nicht gestört wird. Es bildet sich eine Schichtenströmung, die die thermische und die stoffliche Belastung im Aufenthaltsbereich der Personen bestimmt.
Funktionsweise der Schichtlüftung

Bei der Schichtlüftung entsteht an der Wärmequelle (z. B. Maschine) eine Konvektionsströmung, die oberhalb der Wärmequelle einen Freistrahl bildet. Die erwärmte und mit luftfremden Stoffen angereicherte Luft wird nach oben in einen Bereich gefördert, der überhalb des Aufenthaltsbereichs der Personen liegt. Um eine Rückströmung aus dem höher belasteten Bereich zu vermeiden, wird der Thermikstrom oben abgesaugt und durch unkontaminierte Zuluft im Aufenthaltsbereich ersetzt.Schematische Darstellung einer Schichtenströmung Die Abbildung basiert auf einer Zeichnung von Hoval. (Abb. upp Kassel)
 Thermikstrahl oberhalb einer Wärmequelle (ROM)  

 
 
 
 
 
 
 
Der Belastungsgrad der Raumluft

Der Belastungsgrad der Raumluft definiert sich als Quotient aus dem im Aufenthaltsbereich wirksamen Stoffstrom zu dem in den Raum eingebrachten Stoffstrom. Bei richtiger Art und Ausführung der Schichtenströmung und geringen Störungen durch Querströmungen lassen sich mittlere Stoffbelastungsgrade im Aufenthaltsbereich von ca. 10 bis 20 % der Belastung bei Mischströmung erreichen.Einflussgrößen auf die Schichtenbildung (ROM)Das heißt, die Belastung im Aufenthaltsbereich der Personen beträgt weniger als 20 % der sich bei vollständiger Vermischung einstellenden stofflichen Belastung. Auch die thermische Entlastung kann nahezu 50 % betragen.Um dies zu erreichen, sind gewisse Voraussetzungen zu schaffen:

  • Der Konvektionsstrom ist bis zu einer Schichthöhe H vollständig durch Zuluft im unteren Raumbereich zu ersetzen, um Rückströmungen von oben zu verhindern. Die Schichtgrenze muss außerhalb des Aufenthaltsbereichs liegen.
  • Die Nachführung von Zuluft muss impulsarm erfolgen. Durch die nachgeführte Zuluft dürfen die an den Wärmequellen entstehenden Thermikströme nicht gestört werden, damit es nicht zu Ausspüleffekten kommt.
  • Die Zuluft muss unterhalb der Schichtgrenze zugeführt werden, denn die Zulufteinbringung oberhalb der Schichtgrenze bewirkt einen Rücktransport luftfremder Stoffe aus dem oberen Raumbereich in den Aufenthaltsbereich.
  • Thermikströmungen, insbesondere an kalten Wandflächen sind zu verhindern, da Kaltluftströmungen an kalten Flächen Einmischprozesse höher kontaminierter Luft in den unteren Raumbereich bewirken.
Schicht- und Mischlüftung im Vergleich

Die Mischlüftung versetzt durch eine starke Zuluftströmung im Deckenbereich nahezu das gesamte Raumluftvolumen in Bewegung, wodurch ein gleichmäßiges Temperatur- und Schadstoffniveau erzeugt wird. Insbesondere bei hohen Räumen wird ein erheblicher Raumbereich klimatisiert, der für Personen und Produktionsprozesse nicht benötigt wird. Hohe thermische Lasten führen aufgrund eines proportionalen Zusammenhangs zwischen Gesamtwärmestrom und Zuluftvolumenstrom zudem zu großen Zuluftmengen, die das Mischlüftungssystem schnell an seine Grenzen bringt.
Im Fall der Schichtlüftung wird hingegen die Zuluft über Luftauslässe in Bodennähe in den Raum eingebracht. Aufgrund der Thermik entsteht durch den Schadstofftransport nach oben ein Selbstreinigungseffekt des Arbeitsplatzes. Der Belastungsgrad ist wesentlich geringer als bei einem Mischluftsystem.

Örtliche Gefahrstoffbelastung an Arbeitsplätzen bei unterschiedlicher Luftführung (Abb. ROM)
Die Auswirkung unterschiedlicher Luftführungssysteme auf den Belastungsgrad zeigt die Abbildung. Diese Ergebnisse resultieren aus einer Untersuchung einer Aluminiumgießerei, in der Motorteile für die Automobilindustrie gegossen werden. Durch Einsatz einer Schichtenströmung gegenüber einer Mischströmung verbessert sich der Belastungsgrad im Aufenthaltsbereich bei gleichem Luftvolumenstrom nahezu um den Faktor 10.

Messreihe mit CO2-Konzentrationen

Messreihen zum Vergleich der CO2-Konzentration bei Misch- und Schichtlüftungssystemen in einer Modellfabrik an der Universität Kassel haben bestätigt, dass eine Schichtlüftung bei unterschiedlichen Volumenströmen durchgehend zu einer signifikanten Verbesserung der Luftqualität im Arbeitsbereich führt.

Darstellung der Gaskonzentration bei einer Flächenlast von 180 W/m² bei Mischlüftung (upp Kassel)  Darstellung der Gaskonzentration bei einer Flächenlast von 180 W/m² bei Schichtlüftung (upp Kassel)  Die Versuche wurden mit einer Flächenlast von 180 W/m² durchgeführt. Die in den Diagrammen dargestellten CO2-Werte befinden sich auf unterschiedlichen Raumhöhen, um die Schadstoffkonzentration in jeder Raumschicht zu analysieren. Bei einer Mischlüftung führt eine Anhebung des Luftvolumenstroms zu einer geringeren Schadstoffkonzentration.
Bei der Schichtlüftung hingegen ergeben sich je nachdem, auf welcher Raumhöhe der Messfühler angebracht ist, deutlich unterschiedliche Werte. Insbesondere im Aufenthaltsbereich sind diese deutlich geringer als bei einer Mischlüftung. Eine Erhöhung des Volumenstroms führt im unteren Raumbereich zwar zu einer geringeren CO2-Konzentration, jedoch ist diese Verbesserung nur noch gering.
Insgesamt weist bei vergleichbaren Zu- und Abluftvolumenströmen die Luft im Aufenthaltsbereich bei einer Schichtlüftung eine geringere Schadstoffkonzentration auf als beim Einsatz einer Mischlüftung.

Bestimmung des Zuluftvolumenstroms

Der Zuluftvolumenstrom und dessen Temperatur lässt sich in Abhängigkeit von den thermischen Lasten so einstellen, dass sich Personen ausschließlich in der sauberen und behaglichen Luftschicht aufhalten. Die von der RLT-Anlage zugeführte Luftmenge wird üblicherweise auf einen repräsentativen stationären Betriebszustand der Produktion eingestellt, sodass sich eine schadstoffarme Schicht mit einer Höhe von 2,5 m einstellt.

Die Bemessung des erforderlichen Zuluftstroms ergibt sich aus der Massenbilanz der Produktionshalle und somit aus der Addition der Luftmengen, die bis zur angestrebten Schichthöhe mit der Thermikströmung abgeführt werden. Die rechnerische Ermittlung des thermischen Volumenstroms muss für horizontale und vertikale Flächen getrennt durchgeführt werden.

Weiterführende Informationen
  • Hinweise zur Luftzuführung finden sich in der VDI 3802 Blatt 1 „Raumlufttechnische Anlagen für Fertigungsstätten“. Unter anderem beschreibt die Richtlinie das Vorgehen bei der Suche nach den erforderlichen Grenzwerten zur Auslegung der raumlufttechnischen Anlage. Ebenfalls enthalten sind die Vorgaben zu Raumtemperaturen sowie Behaglichkeits- und Erträglichkeitsanforderungen.
  • VDI 2262 Blatt 3: „Luftbeschaffenheit am Arbeitsplatzplatz – Minderung der Exposition durch luftfremde Stoffe – Lufttechnische Maßnahmen“

Quelle
Der Beitrag beruht auf einer Ausarbeitung von Prof. Rüdiger Detzer, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dipl. oec. Mirko Schäfer und Prof. Jens Hesselbach, Universität Kassel.

Artikelnummer: cci15550

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