Meinung: Plus eins ist gleich minus zwei

(Abb. © cci Dialog GmbH)
Florian Fischer, Geschäftsführer der cci Dialog GmbH (Abb. © cci Dialog GmbH)

In den letzten Monaten wurde viel darüber diskutiert, wie man der Krise am Bau begegnen kann. Neben den gestiegenen Zinsen und der Inflation bei allen Baumaterialien geraten die unzähligen Bauvorschriften und Normen immer mehr in den Fokus. Das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ der Ampelregierung schenkt diesem Komplex jetzt auch mehr Aufmerksamkeit. Erfolgreich?

Gegen die gestiegenen Zinsen, die noch weit unter dem Niveau Mitte der 1990er Jahre sind, und gegen die heftige Inflation bei allen Baukosten ist die Politik weitgehend machtlos. Bestenfalls lässt sich mit direkten oder indirekten Subventionen gegensteuern. Bei leeren Kassen ist das schwer umzusetzen. Abgesehen davon lässt sich über den Sinn von Subventionen trefflich streiten.
Alle Beteiligten am Bau und damit auch die LüKK klagen über die vielen Bauvorschriften, die die Kosten unnötig in die Höhe schnellen lassen. Ein anschauliches Beispiel dazu: Wenn aufgrund einer neuen Norm in Gebäuden statt einer 18er Decke (gemeint ist die Dicke von 18 cm) jetzt eine 24er Decke gefordert ist, dann bedeutet das 30 % mehr Materialeinsatz bei mindestens 30 % höheren Kosten.
Hier ist eigentlich ohne großen Aufwand schnelle Hilfe möglich. Und so hat das aktuelle Bündnis für bezahlbaren Wohnraum der Ampelregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (nachzulesen hier) für den Bereich Normen und Standards folgenden Plan:
„Aktuell gibt es in Deutschland etwa 500 DIN-Normen. Seit Jahren wird über die Folgekosten von Normungsprozessen diskutiert. Mittels der Einrichtung einer unabhängigen Prüfstelle sollen perspektivisch die Kosten ermittelt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Vor der Einrichtung der Prüfstelle wird das Bundeskartellamt konsultiert.“
Für mich klingt das nach einer sehr unverbindlichen Absichtserklärung. Allein die Formulierung „perspektivisch“ macht mich sehr nervös. Das Problem ist jetzt akut und daher werden Lösungen jetzt dringend gebraucht.
Ich finde, wir müssen zuerst ein klares Ziel definieren wie: Neue Normen, Vorschriften oder Standards oder ihre Weiterentwicklungen, die keine Vereinfachung oder Kostenreduktion darstellen, dürfen nicht mehr in Kraft treten. Und diesem Ziel muss alles untergeordnet werden.
Es gibt tatsächlich schon positive Beispiele hierzu wie die Abschaffung der Pflicht zur Errichtung von Kfz-Stellplätzen in Berlin und mittlerweile auch Hamburg. Richtig progressiv fände ich jedoch, wenn für jede neue Norm oder Vorschrift zwei alte abgeschafft werden müssen: Plus eins ist gleich minus zwei. Das würde uns in der LüKK sicher auch enorm entlasten. Was meinen Sie dazu? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

Ihr Florian Fischer
florian.fischer@cci-dialog.de

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3 Kommentare zu “Meinung: Plus eins ist gleich minus zwei

  1. Lieber Herr Fischer, Sie haben ein wichtiges Thema richtig angesprochen.
    Mit der Normung sollen Planungs-, Kosten- und Rechtssicherheit kommen. Aber nur, wenn es für ein Produkt oder Gewerk keine unterschiedlichen und sich widersprechenden Normen gibt. In der TGA haben wir zu viele solche schlechten und widersprüchlichen Normen und Regelwerke. Im Fall der Gebäudeautomation wurden die zutreffenden Standards in den letzten 30 Jahren für alle am Bau Beteiligten durch ein kleines, internationales, harmonisch arbeitendes Team koordiniert.
    (Quelle: https://cci-dialog.de/luekk_bacnet_standardisierung_in_der_gebaeudeautomation__fluch_und_segen_cci_branchenticker/ )
    Voraussetzung war natürlich, dass alle interessierten Kreise mitwirken konnten – und wollten.
    Aber es gibt Normen, deren zugeordnete Produkte im stillen Kämmerlein eines Unternehmens entwickelt und vielleicht sogar patentrechtlich geschützt wurden. Dann bringt man dieses Produkt auf den Weg in eine Norm. Das vertrauenserweckende
    Image von Normen wird genutzt, um eine weitere Verbreitung des Produkts zu erreichen. Das Normungs-Logo wird für Marketing missbraucht. Das funktioniert, wenn man im Markt genügend Mitstreiter findet, die in der Regel vom
    »Erfinder« in irgendeiner Weise abhängig sind. Ob Bauprodukte, die so den Status einer Norm erreicht haben, für den Bauherrn die vermutete Investitionssicherheit bieten, stellt sich meist erst nach der Garantiezeit heraus. Man kann den Normen nicht ansehen, wie sie entstanden sind. Ausnahmen sind sogenannte »DIN SPEC«-Dokumente, die nicht im Konsens und ohne öffentliche Entwurfsphase entstanden sein können.
    Es gilt, dass durch das Anwenden von Normen sich niemand der Verantwortung für eigenes Handeln entziehen kann. Jeder handelt insoweit auf eigene Gefahr. Allerdings ist man im Streitfall vom Gutachter und Richter abhängig der gemäß der „zutreffenden Norm“ entscheidet.
    (Obiger Text ist aus dem Wachbuch „Bauwesen-BauUnwesen“ von Lauber, Hanke, Kranz; ISBN 978-2-8399-1464-2)

    1. Die Fortsetzung des beschriebenen Sachverhalts ist zu finden im CCI-Buch:
      „Digitaler Zwilling der Gebäudeautomation mit BACnet“; ISBN: 978-3-922-42066-8
      und demnächst als AMEV Regelwerk mit dem Namen „BACtwin“.

  2. Hallo Herr Fischer, sicher ist Ihnen ein hoher Grad an Zustimmung gewiss und wir dürfen gespannt sein, ob es (ausgerechnet) der aktuellen Regierung gelingt, den Auswuchs an Normen und Richtlinien zu reduzieren. Schon allein aus gesundem Menschenverstand, denn derzeit scheint es unter anderem auch in jedem Bundesland anders zu brennen, betrachtet man zu diesem Aspekt die unterschiedlichen Verordnungen. Interessant ist in meinen Augen auch die Frage, was diesen Normen-Fetischismus all die Jahre genährt und unterstützt hat. Ein „Rückbau“ des Regelwerkes wird sicher auch mit der ein oder anderen Qualitätsdiskussion einhergehen. In unserem Land gibt es nun mal auch eine nicht zu unterschätzende Mentalität, eventuell rutschenden Hosen mit Gürtel UND Hosenträger Einhalt zu gebieten. Dennoch: Die Zeit ist reif für eine Entlasung der LüKK. Bernhard Schöner

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