Am 24. April ist im Bundestag das Für und Wider eines umfassenden PFAS-Verbots diskutiert worden. Leitfrage war: Sollten diese Verbindungen verboten oder die Vorteile der PFAS gegen die Gefahren abgewogen werden, die von ihnen ausgehen? Unabhängig davon stehen im Juni die nächsten Ausschusssitzungen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) an.
Ein Antrag (20/9736) der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Vorteile von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) weiter nutzen – Wertschöpfung erhalten – Gesundheit und Umwelt schützen“ war Grundlage der Debatte, die der Umweltausschuss in einer öffentlichen Anhörung führte. Daraus einige Meinungen: Ulrike Kallee, Abteilungsleiterin Stoffe und Technologien beim Bund Naturschutz Deutschland (BUND), will PFAS beschränken und fordert eine zügige Umsetzung des Beschränkungsvorschlags, den die Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen im Januar 2023 bei der ECHA eingereicht haben. Der Vorschlag ziele darauf ab, sowohl die Verwendung als auch die Herstellung von PFAS zu verbieten. Der BUND begrüßt den Vorschlag „als wichtige Maßnahme, um die fortschreitende Kontamination von Mensch und Umwelt mit diesen hoch problematischen Stoffen aufzuhalten“. Die Bundesregierung solle sich für die Umsetzung der universellen PFAS-Beschränkung einsetzen und den Ausstieg aus Produktion und Verwendung der gesamten PFAS-Gruppe in der EU bis 2030 auf den Weg bringen. Diese Position unterstützt auch Rainer Söhlmann, Leiter der PFAS-Geschäftsstelle im Landratsamt Rastatt. Der EU-Beschränkungsvorschlag werde begrüßt, weil er „dem Schutz der Menschen dient und der Industrie lange Übergangsfristen einräumt“. Der Landkreis Rastatt sowie die Stadtkreise Baden-Baden und Mannheim hätten „leidvolle Erfahrungen mit der Stoffgruppe der PFAS machen müssen“. Alleine durch die Vermischung von Papierschlämmen mit Kompost und der Aufbringung auf Ackerflächen seien in Mittelbaden etwa 1.100 Hektar Bodenfläche als belastet eingestuft. Auch Martin Scheringer, Professor für Umweltchemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, fordert mehr Tempo. „Der Beschränkungsvorschlag ist wichtig und kommt eher zu spät als zu früh“, sagte er und wies darauf hin, dass sich seit einigen Monaten abzeichne, dass die fluorchemische Industrie sich auf fluorierte Gase und Fluorpolymere fokussiere und andere Verwendungen von PFAS nicht mehr beibehalten wolle. Für viele Anwendungen von PFAS gebe es längst fluorfreie Alternativen.
Stimmen aus der Industrie wehrten sich gegen ein pauschales PFAS-Verbot:
Mirjam Merz, Referentin Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), warnt vor einer zu engen Beschränkung. Für viele PFAS-Verwendungen existierten absehbar keine geeigneten Alternativen, so dass Industrie und Gesellschaft auch zukünftig auf den Einsatz von PFAS angewiesen sein würden, zum Beispiel in der Wasserstoffelektrolyse, bei der Herstellung von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Paneelen, in technischen Textilien, Industrieanlagen sowie bei der Halbleiterherstellung und in Medizinprodukten. Für gesellschaftlich wichtige Anwendungen wie die Medizintechnik sowie für High-Tech- und Industrieanwendungen fordert der BDI umfassende Ausnahmen, um den Weiterbetrieb von Industrieanlagen, den Fortbestand ganzer Wertschöpfungsketten/-netze in Europa und die grüne Transformation der Industrie nicht zu gefährden. Zudem werden angemessene Übergangsfristen gefordert. Auch Kirsten Metz, Expertin für Chemikalien- und Umweltpolitik beim Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), befürwortete einen risikobasierten, zielgerichteten Regulierungsansatz und lehnte ein pauschales Verbot ab. Aus diesem Grund solle das PFAS-Vorhaben zurückgezogen und grundlegend überarbeitet werden, damit stärker zwischen den Risikoprofilen der verschiedenen PFAS-Gruppen und ihren Anwendungen unterschieden werde. VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann sagt dazu: „Ein vollumfängliches Verbot aller PFAS-Stoffe ist unvorstellbar. Es würde nicht nur viele Betriebe existenziell gefährden. Auch das Erreichen der Klimaziele würde in weite Ferne rücken. Die riesige Stoffgruppe der PFAS muss unterteilt werden. Stoffe, von denen nachweislich kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgehen, brauchen nicht reguliert werden. Die Hängepartie um das geplante PFAS-Verbot dauert schon viel zu lange und verunsichert die mittelständischen Betriebe. Es braucht jetzt endlich klare Informationen und einen verlässlichen Zeitplan, damit die Unternehmen ihre Betroffenheit einschätzen können.“
Im Rahmen der öffentlichen Konsultation zu dem von den deutschen Behörden gemeinsam mit den Behörden vier anderer europäischer Länder vorgelegten Beschränkungsdossier für PFAS, die von März bis September 2023 lief, waren 5.642 Kommentare eingegangen. Inzwischen hat die ECHA auf ihrer Internetseite Informationen zum weiteren Ablauf des Beschränkungsverfahrens zur Verfügung gestellt. Demnach werden die eingegangenen Kommentare sowohl von den wissenschaftlichen Ausschüssen der ECHA, Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) und Ausschuss für sozio-ökonomische Analyse (SEAC), als auch von den verantwortlichen Behörden Sektor für Sektor abgearbeitet. Die Behörden überarbeiten dabei anhand der Informationen aus den Kommentaren ihr ursprünglich vorgelegtes Beschränkungsdossier. Dieses bildet dann als sogenanntes Hintergrunddokument gemeinsam mit den Kommentaren die Grundlage für die Stellungnahme der Ausschüsse.
In der Ausschusssitzung vom März von RAC und SEAC wurden folgende Themen und Sektoren adressiert:
- Verbrauchergemische, Kosmetika und Skiwachs
- Gefahreneigenschaften der PFAS (nur im RAC)
- Allgemeine Vorgehensweise (nur im SEAC)
In den Sitzungen im Juni 2024 geht es um
- Metallbeschichtung und Herstellung von Metallprodukten
- Zusätzliche Diskussion über die Gefahreneigenschaften (nur im RAC)
Sitzungen im September 2024:
- Textilien, Polstermöbel, Leder, Bekleidung, Teppiche
- –Lebensmittelkontaktmaterialien und Verpackungen
- –Erdöl und Bergbau
Informationen zum weiteren Zeitplan und zu den geplanten Diskussionen in den Ausschüssen werden seitens der ECHA nach und nach bekannt gegeben. Die Veröffentlichung ist immer parallel zu den Ausschusssitzungen geplant. Sobald die ECHA-Ausschüsse ihre Stellungnahmen fertiggestellt haben, wird die Europäische Kommission gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten über die Beschränkung entscheiden.
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