Auslegung der Lüftung von Produktionshallen nach VDI 2262 Blatt 3 und VDI 3802 Blatt 1

Ziel der Auslegung einer Hallenlüftung ist die Berechnung des Zuluftstroms, der durch eine kontrollierte und damit bewusst erzeugte Raumluftströmung so verteilt wird, dass freigesetzte Wärme- und Stofflasten bestmöglich erfasst und rasch aus der Halle abgeführt werden.

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Dazu stehen drei Lastabfuhrprinzipien zur Verfügung, denen nach VDI 2262 Blatt 1 „Luftbeschaffenheit am Arbeitsplatz. Minderung der Exposition durch luftfremde Stoffe, Lufttechnische Maßnahmen“ und VDI 3802 Blatt 1 „Raumlufttechnische Anlagen für Fertigungsstätten“ neun Luftführungsarten zugeordnet werden.

Varianten von Hallenlüftung
Die drei verschiedenen Luftführungssysteme zur Hallenlüftung zur Abführung von thermischen und stofflichen Lasten (Abb. © cci Dialog GmbH)

Diese sind im Einzelnen:

  • Verdrängen mit je einer raumfüllenden und bereichsweisen Luftführung
  • Mischen mit zwei raumfüllenden und zwei bereichsweisen Luftführungen
  • Schichten mit drei Luftführungen

Sieht man sich diese auf den ersten Blick unübersichtlich erscheinende Vielfalt der Luftführungsvarianten genauer an, zeigt sich:

  • Die Verdrängungslüftung stellt aufgrund der hohen erforderlichen Luftvolumenströme und den damit einhergehenden hohen elektrischen Leistungen zu deren Förderung keine Standardlösung dar und bleibt Sonderanwendungen vorbehalten. Die beiden Luftführungen entfallen somit aus der allgemeinen Betrachtung.
  • Die beiden raumfüllenden Luftführungen in Form der Mischlüftung ergeben in beiden Fällen in der Halle Belastungsgrade im Bereich von Eins und können daher für die Berechnung zu einer Lösung zusammengefasst werden.
  • Von den beiden Luftführungssystemen der bereichsweisen Mischströmung entfällt die Luftzufuhr vom Boden her, da die dazu erforderlichen Bodendurchlässe in Produktionshallen nicht möglich sind. Die horizontale Luftzufuhr oberhalb des Arbeitsbereichs tritt leicht in Wechselwirkung mit Thermikströmen in der Halle. Sie wird daher in der Praxis kaum eingesetzt und kann zunächst unberücksichtigt bleiben.
  • Die beiden wirksamsten Luftführungsarten des Schichtens – das ist die bodennahe Luftzufuhr mit und ohne Impulsstabilisierung – können auf Grund ihrer gleichartigen Strömungsform zu einer Lösung zusammengefasst werden. Bei der Schichtlüftung stellt die bodennahe Zuluftzufuhr gegenüber der Zulufteinbringung oberhalb des Arbeitsbereichs die effektivere Variante dar und wird, sofern möglich, vorzugsweise eingesetzt.

Damit beschränkt sich bei pragmatischer Betrachtung die Auswahl der Hallenlüftungsarten auf die raumfüllende Mischlüftung und die Schichtlüftung.

Praxisgerechtes Vorgehen zur Auslegung einer Hallenlüftung

Am Anfang einer Auslegung ist somit zu prüfen, welche der beiden Lüftungsarten die bessere Lösung zur Erfüllung der jeweiligen Anforderungen darstellt. Das heißt, die Entscheidung zwischen Misch- oder Schichtlüftung fällt zuerst. Bei der Mischlüftung wird raumfüllend der Zustand hergestellt, der eigentlich nur im Arbeitsbereich erforderlich ist. Das ist bei Wärme- wie Stofflastabfuhr sicher nur für kleine Lasten wirtschaftlich. Der Zuluftstrom wird auf Verdünnen der belasteten Luft ausgelegt. Die Berechnung wird für Wärme- und Stofflasten getrennt durchgeführt. Der sich dabei ergebende höhere Wert des Zuluftstroms wird der Auslegung zugrundegelegt.

Liegen Maschinen mit wärmeabgebenden Flächen vor, ist die Schichtlüftung im Allgemeinen die wirtschaftlichere Wahl. Berechnet werden die Thermikströme an vertikalen Flächen und über horizontalen Flächen und Zylindern in Bezug auf eine vorgegebene Schichthöhe. Die aus dem oberen Hallenbereich abgeführten Thermikströme müssen durch einen gleich großen Zuluftstrom in den Arbeitsbereich nachgeführt werden. Das bedeutet, die Größe des Zuluftstroms ergibt sich mittelbar aus der Berechnung der Thermikströme. Wird neben der Wärmelast (örtlich gekoppelt) ein Schadstoffstrom freigesetzt, ist zu prüfen, ob der über die Thermikströme berechnete Zuluftstrom ausreicht, um auch eine vorgegebene Schadstoffkonzentration in der Zuluftschicht einzuhalten oder dieser zu vergrößern ist.

Was geben die VDI Richtlinien 2262 Blatt 3 und 3802 Blatt 1 vor?

In den VDI-Richtlinien 2262 Blatt 3 und 3802 Blatt 1 wird zur Berechnung der Hallenlüftung ein luftführungsneutrales Verfahren angegeben. Dabei wird der Einfluss unterschiedlicher Luftführungen durch Einbinden der Belastungsgrade in den Gleichungen als Maßstab der Qualität einer Luftführung berücksichtigt. Das Einsetzen der Belastungsgrade entsprechender Luftführungen liefert den jeweiligen Zu- oder Abluftstrom dieser Kombinationen.
Die Darstellung des Verfahrens erstreckt sich etwas unübersichtlich über beide Richtlinien. Die Gleichungen für die Zuluftvolumenströme findet man in der VDI 3802 in Tabelle 20, die für die Abluftströme in der VDI 2262 (Gleichungen (75) und (80)). Gleichungen für Systembelastungsgrade ausgewählter Luftführungen werden in Tabelle 21 der VDI 3802 angegeben.

Berechnungsablauf nach VDI 2262 Blatt 3 und 3802 Blatt 1

Infolge des luftführungsneutralen Lösungsansatzes wird die Entscheidung zwischen Misch- und Schichtlüftung an das Ende der Auslegung verschoben. Das Verfahren beginnt mit der Bestimmung des Zuluftstroms zur Abfuhr der Wärmelasten. Für diesen gilt nach VDI 3802, Tabelle 20, etwas vereinfacht dargestellt:

mZU = (Qges • μW (1 – ηW)) : (cp (tARB – tZU)) (1)

mzu = Zuluftmassenstrom
Qges = gesamt abzuführender Wärmestrom
μW = Wärmebelastungsgrad
ηW = Wärmeerfassungsgrad
cp = spez. Wärme der Luft bei konstantem Druck
tARB = Temperatur im Arbeitsbereich
tZU = Zulufttemperatur

Das Einsetzen des Wärmebelastungsgrad der raumfüllenden Mischlüftung (μW = 1) in (1) ergibt den Zuluftstrom einer Mischlüftung.

Die Wärmebelastungsgrade des Schichtens liegen je nach gewählter Luftführungsart im Bereich von 0,4 ≤ µW ≤ 0,7. Das Einsetzen in (1) liefert den Zuluftstrom der entsprechenden Schichtlüftungsvariante.

Wird ein Schadstoffstrom mS freigesetzt, ist der Zuluftstrom zu bestimmen, der zur Einhaltung einer vorgegeben Schadstoffkonzentration cARB im Arbeitsbereich erforderlich ist. Das erfolgt nach VDI 3802, Tabelle 20, etwas vereinfacht dargestellt mit:

mZU = (mS • μS (1 – ηS)) : (cARB – cZU) (2)

mZU = Zuluftmassenstrom
mS = Schadstoffmassenstrom
µS = Stoffbelastungsgrad
ηS = Stofferfassungsgrad
cARB = Schadstoffkonzentration im Arbeitsbereich
cZU = Schadstoffkonzentration des Zuluftstroms

Setzt man in (2) den Stoffbelastungsgrad der raumfüllenden Mischlüftung (μS = 1) ein, ergibt sich der dafür erforderliche Zuluftstrom der Mischlüftung.

Die Stoffbelastungsgrade des Schichtens liegen, je nach gewählter Luftführungsart, im Bereich von 0,1 ≤ µS ≤ 0,48. Das Einsetzen in (2) liefert den Zuluftstrom zur Einhaltung einer vorgegebenen Schadstoffkonzentration cARB in der Zuluftschicht der entsprechenden Schichtlüftungsvariante.

Der jeweils größere Zuluftstrom ist der Auslegung zur Abfuhr der Wärme- und Stofflasten zugrunde zu legen.

Schichtlüftung Produktionshalle
Bei der Schichtlüftung ist die aus der Zulufteinbringung folgende Schichthöhe eine entscheidende Größe bei der Planung des Systems. (Abb. © cci Dialog GmbH)

Diese Vorgehensweise funktioniert für Mischlüftung, hat bei der Schichtlüftung aber zwei Schwachstellen:

  1. Eine Schichtlüftung wird durch zwei Werte charakterisiert, der vorgegebenen Schichthöhe und dem Zuluftstrom, der die Thermikströme zu dieser Schichthöhe nachführt. Gleichung (1) liefert nur die Größe des Zuluftstroms, aber keine Angaben zur Schichthöhe. Das bedeutet, der Zuluftstrom steht an einer unbekannten Schichthöhe im Gleichgewicht mit den Thermikströmen. Damit ist das Ergebnis zur Festlegung einer Schichtlüftung nicht verwertbar. Der Vergleich mit dem erforderlichen Zuluftstrom zur Einhaltung einer vorgegebenen Konzentration im Arbeitsbereich bei der Freisetzung eines Schadstoffs hat dann folglich auch keine Aussagekraft.
  2. Der Wärmestrom Qges in (1) ist im Wesentlichen der konvektiv abführbare Anteil und gilt formal für alle Luftführungsarten. Tatsächlich unterscheiden sich die konvektiv abführbaren Wärmestromanteile bei Misch- und Schichtlüftung deutlich. Da (1) für Schichtlüftung aber kein verwertbares Ergebnis liefert, bleibt das letztlich ohne Belang.

Nach Berechnung des Zuluftstroms zur Wärm- und Stofflastabfuhr soll geprüft werden, ob beim Einsatz einer Schichtlüftung der zuvor berechnete Zuluftstrom ausreicht, um die Thermikströme zu einer vorgegebenen Schichthöhe nachzuführen. Diese Prüfung erübrigt sich, da das Ergebnis aus (1) für Schichtlüftung, wie zuvor dargelegt, nicht verwertbar ist. An dieser Stelle ist dann zwischen Misch- und Schichtlüftung zu entscheiden. Damit wird die Auslegung einer Schichtlüftung erforderlich, wie sie im Abschnitt der praxisgerechten Auslegung beschrieben wird.

Mit den in beiden VDI-Richtlinien angegebenen Gleichungen zur Bestimmung der Thermikströme lassen sich aber nur Thermikströme an vertikalen und über horizontalen Flächen, also quaderförmigen Maschinen, berechnen. Für Thermikströme über horizontalen Zylindern, wie sie bei Spritzgussmaschinen vorkommen, wird eine Gleichung angegeben, die sich nicht für konkrete Berechnungen eignet. Im Gegensatz zur Gleichung für horizontale Flächen, fehlt hier noch die Einarbeitung des Abstands zur virtuellen Wärmequelle (eine Näherungslösung zur Berechnung der Thermikströme über horizontale Zylinder findet man in /1/).

Fazit und Empfehlung

Die Gleichungen (1) und (2) des luftführungsneutralen Ansatzes gehen mit dem Belastungsgrad von Eins über in die Gleichungen der Mischlüftung, die man dann genauso gut direkt anwenden kann. Bei Schichtlüftung liefern sie wegen der fehlenden Angabe zur Schichthöhe kein verwertbares Ergebnis. Die Berechnung kann man sich ersparen. Das Verschieben der Entscheidung zwischen Misch- und Schichtlüftung an das Ende der Berechnung bringt keinen erkennbaren Vorteil. Will man eine Schichtlüftung einsetzen, führt der Weg letztlich über die Berechnung der Thermikströme.

Damit empfiehlt sich zur Berechnung einer Hallenlüftung die zuvor im Absatz „Praxisgerechtes Vorgehen zur Auslegung einer Hallenlüftung“ beschriebene praxisgerechte Vorgehensweise als einfach und direkt.

Literatur
/1/ Dorenburg, J. Lüftung von Produktionshallen mit hoher Wärme- und Schadstoffbelastung, 2. Auflage, cci Dialog GmbH, Karlsruhe, 2020

Der Autor Jürgen Dorenburg, Rottenburg, ist Spezialist für Hallenlüftung und bietet dazu auch Tagesseminare bei der cci Dialog GmbH an, siehe hier (https://cci-dialog.de/schulung/).

cci171640

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