Leser helfen Lesern: § 71a GEG (Gebäudeenergiegesetz) bereitet Kopfschmerzen

(Abb. © banphote/adobe.stock.com)
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Ein Mitarbeiter des Hochbauamts der Hansestadt Greifswald hat so seine Probleme mit der Auslegung und Anwendung des § 71a im Gebäudeenergiegesetz (GEG). Mit seinen Fragen hat er sich hilfesuchend an cci Branchenticker gewandt. Er schreibt, im Augenblick könne kein Fachplaner den mittleren Automationsgrad gemäß DIN V 18599 einer geplanten Anlage angeben und diesen mit dem gesetzlichen Grenzwert abgleichen. Und das ist nicht sein einziges Problem mit dem GEG.

Drei Unklarheiten hofft der Leser mit seinem Schreiben an cci Branchenticker beseitigt zu bekommen:

  1. Gemäß § 111 GEG 2024 ist die aktuelle Version des GEG nicht anzuwenden für Neubauten, für die 2023 eine Bauanzeige eingereicht wurde, schreibt der Leser. Er leitet daraus ab, dass für aktuell laufende Bauvorhaben also erstmal keine Anwendungspflicht gegeben sei. „Doch dann steht in § 71a (1), dass in Nichtwohngebäuden bis zum Ende des Jahres 2024 – und da steht nicht ,nur für Neubauten’ – ein System der Gebäudeautomatisierung und -steuerung nachgerüstet werden muss“, stellt der Leser fest – und fragt daher: „Ist die Forderung einer solchen Nachrüstung ein Eingriff in den Bestand? Gilt das GEG 2024 damit nicht indirekt auch für alle Neubauten über 290 kW Leistung für Raumheizung und Lüftung?
  2. Des Weiteren beschäftigt ihn die Frage, wie ein Gesamtautomationsgrad berechnet werden soll. Die DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 11: Gebäudeautomation“ (2018) sei dafür genauso wenig ausgelegt wie die DIN EN 15232 „Energieeffizienz von Gebäuden“ (2017) und die DIN EN ISO 52120 „Energieeffizienz von Gebäuden – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“ (2021), mit denen lediglich die prozentualen Unterschiede beziehungsweise das Einsparpotenzial zwischen verschiedenen Automationsgraden berechnet werden könnten. „Wenn man argumentiert, dass der schlechteste Einzelfaktor gilt, müsste in Zukunft jedes Lager und jedes Treppenhaus mit einer elektronischen Einzelraumregelung ausgestattet werden, damit alles Automationsgrad B hat.“ Das mag der Fragesteller nicht glauben.
  3. Die dritte und letzte Frage ist, ob § 71a GEG besagt, dass nur die Heizung vom Automationsgrad B betroffen ist. Das wäre aus Sicht des Fragestellers ein völlig unzureichender Regelungsinhalt des GEG. Denn in diesem Fall würde ignoriert, welchen gewichtigen Anteil die Lüftungs- und Klimatechnik sowie die Beleuchtung an der Gesamtbilanz eines Gebäudes haben. Daher sehe die DIN V 18599 ja so aus, wie sie aussieht – und bilde eine Klammer um alles, argumentiert der Leser. „Und genau aus dieser Primärenergie-Klammer heraus, an die dann die 18599-11-Faktoren angehängt werden, ist es nicht möglich einen Automationsgrad über alles zu berechnen. Oder habe ich da etwas falsch verstanden“, so der Leser in der Hoffnung auf Beantwortung seiner drei Fragen.

Gibt es zu den Fragen rund um den § 71a GEG Antworten aus der Leserschaft von cci Branchenticker? Antworten Sie gerne über die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag oder per E-Mail an redaktion@cci-dialog.de. Bei per E-Mail eingesendeten Kommentaren setzen wir Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung voraus. Vielen Dank!

cci271488

3 Kommentare zu “Leser helfen Lesern: § 71a GEG (Gebäudeenergiegesetz) bereitet Kopfschmerzen

    1. Guten Tag Herr Malinowsky,

      vielen Dank für den Tipp. Prof. Krödel war einer der ersten die ich kontaktiert hatte. Z.T. bestätigte er meine Einschätzungen und hat hier zusätzlich noch eine Rechtsunsicherheit in der Auslegung diese Paragraphen erkannt. Er hat jedoch auch darauf hingewiesen, das dies die Juristen unter sich ausmachen müssten und das nicht sein Fachgebiet ist.

      VG M. Blumenthal

  1. Sehr geehrter Mitarbeiter im Hochbauamt,
    sie sind nicht der erste und werden auch nicht der letzte sein, der mit dem GEG 2024 zu kämpfen hat. Aus meiner Sicht ist es eigentlich klar geregelt… Es gilt für alle Gebäude (Nichtwohngebäude die nach 01.01.2024 beantragt worden sind) und (zwar von mehr als 290 kW).

    Frage 1: § 71a Gebäudeautomation

    (1) Ein Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung der Heizungsanlage oder
    der kombinierten Raumheizungs- und Lüftungsanlage von mehr als 290 Kilowatt
    muss bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 mit einem System für die Gebäude-
    automatisierung und -steuerung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 ausgerüstet
    werden. Satz 1 ist auch für ein Nichtwohngebäude mit einer Nennleistung für
    eine Klimaanlage oder eine kombinierte Klima- und Lüftungsanlage von mehr als
    290 Kilowatt anzuwenden.
    § 111
    Allgemeine Übergangsvorschriften
    (1) Die Vorschriften dieses Gesetzes sind nicht anzuwenden auf Vorhaben, welche
    die Errichtung, die Änderung, die größere Renovierung, die Erweiterung oder den Aus-
    bau von Gebäuden zum Gegenstand haben, falls die Bauantragstellung oder der Antrag
    auf Zustimmung oder die Bauanzeige vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgte.

    Frage 2. Nur für beheizte Räume und nicht für Kellerabgänge und Kellervorräume sind keine beheizten Geschosse im Sinne dieser Regelung, soweit sie nur indirekt beheizt sind.
    Anlage 2
    (zu § 18 Absatz 1)
    Technische Ausführung des Referenzgebäudes (Nichtwohngebäude)
    (Fundstelle: BGBl. I 2020, 1769 – 1773) für Gebäudeautomation Klasse C nach DIN V 18599-11: 2018-09

    Frage 3: Dier DIN V 18599 schuldet diesen Dienst. Im Umkehrschluß fällt diese Berechnung nicht ein.
    Anlage 11
    (zu § 88 Absatz 2 Nummer 2)
    Anforderungen an die Inhalte der Schulung für die Berechtigung zur
    Ausstellung von Energieausweisen
    (Fundstelle: BGBl. I 2020, 1791 – 1792)

    Anlage 6
    (zu § 32 Absatz 3)
    Zu verwendendes Nutzungsprofil für die Berechnungen des Jahres-
    Primärenergiebedarfs beim vereinfachten Berechnungsverfahren für
    ein zu errichtendes Nichtwohngebäude
    (Fundstelle: BGBl. I 2020, 1782)

    Das wären so die Anhaltspunkte um den Primärausstoß zu berechnen. Über diesen Weg wäre die „Primärenergie-Klammer“ zur Zeit so aufzulösen.

    Mit gutachterlichen Gruß
    olaf mayer (SV)

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