Bahnhofsquartier Rosenheim setzt auf Absorptionskälte und Fernwärme

Das neue Bahnhofsquartier Rosenheim nach Fertigstellung
So soll das neue Bahnhofsquartier Rosenheim nach der Fertigstellung einmal aussehen. (Visualisierung © ATP architekten ingenieure/Sontowski & Partner Group)

Mit der Nachnutzung der stillgelegten Güter- und Rangierbahnhofflächen realisiert die Stadt Rosenheim auf diesem zentrumsnahen Areal nach Plänen von ATP München und Logo verde ein neues, lebendiges und nachhaltiges Stadtquartier mit Flächen für Büro, Handel, Hotel und Wohnen. Mit dem 40 m hohen Büroturm markiert das Quartier künftig einen neuen „Stadteingang” von Rosenheim. Die vertikale Fassadenbegrünung des Parkhauses wird zum Eyecatcher, und auf den gestaffelten Dachflächen lädt ein mit Platanen begrünter „Sky Forest“ zum Verweilen ein.

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Das ökologische Gesamtkonzept wird ergänzt durch eine Absorptionskälteanlage zur Kühlung und Klimatisierung der Gebäude im Quartier. Hier wurde im ersten Schritt eine Anlage mit einer Kälteleistung von 220 kW realisiert. Die mit Fernwärme betriebene Absorptionskälteanlage versorgt Teile des Quartiers sowie Liegenschaften, die bis zu 800 m von der Kälteanlage entfernt sind. Das Projekt wurde mit dem Bayerischen Energiepreis 2020 in der Kategorie Kommunale Energiekonzepte ausgezeichnet.

Daten und Fakten zum Projekt

Energieeffiziente Technologie

Nicht zuletzt durch die Klimaerwärmung hervorgerufene Extremsituationen in den Sommermonaten steigen die Klimatisierungsanforderungen in den Bereichen Komfort, Gewerbe, Industrie und IT und somit der Primärenergiebedarf zum Betrieb dieser Anlagen stetig an. Dabei kommen zur Erzeugung der Kälteleistung und von kaltem Wasser zur Luft- und Flächenkühlung weiterhin überwiegend elektrisch angetriebene Kompressionskältemaschinen mit hohem Strombedarf unter Verwendung von den Treibhauseffekt antreibenden F-Gasen als Kältemittel zum Einsatz. Zur Gebäudekühlung und zur Deckung des Kältebedarfs stehen jedoch energieeffiziente und nachhaltigere Technologien zur Verfügung, die intelligent und wirtschaftlich in Gesamtsysteme integriert werden müssen.
Ein solches intelligentes Konzept wurde beim Projekt Bahnhofsquartier Rosenheim umgesetzt. Die Stadtwerke Rosenheim betreiben ein Müllheizkraftwerk (MHKW), das neben der regionalen Stromproduktion überschüssige Wärme zur weiteren Wertschöpfung in das örtliche Fernwärmenetz einspeist. Dieses Netz ist aber von den saisonalen Schwankungen der Abnehmer betroffen: Während in den Wintermonaten eine maximale thermische Abnahmeleistung der Kunden bis zu 75 MW erreicht wird, liegt diese in den Sommermonaten deutlich unter 10 MW. An dieser Stelle kommt die Technologie „Kälte aus Wärme“ ist Spiel – mit dem Einsatz von Absorptionskältemaschinen.

Natürliches Kältemittel Wasser

Thermisch betriebene Absorptionskältemaschinen, die mit dem Stoffpaar Wasser und Lithiumbromid (LiBr) arbeiten, können Wärme aus Fernwärmenetzen (zentrale KWK) und Blockheizkraftwerken (dezentrale KWK) sowie aus regenerativen Energien (zum Beispiel solarthermische Anlagen) als Antriebsenergie nutzen /1/. Hierbei ist für eine möglichst wirtschaftliche und effiziente Gesamtkonzeption zu berücksichtigen, dass Gebäude in Ergänzung zum meist recht konstanten Bedarf an elektrischer Energie schwankende Anforderungen an Wärme und Kälte aufweisen. Wärme wird hauptsächlich in den Wintermonaten, Kälte dagegen in den Sommermonaten zur Gebäudekühlung benötigt. Demzufolge werden die Nah- und Fernwärmenetze im Sommerhalbjahr durch eine geringe Wärmeabnahme der Verbraucher nur wenig ausgelastet. Hier eignen sich Absorptionskältemaschinen, die die Kälte über einen thermodynamischen Prozess vorrangig aus Wärme erzeugen. Der Strombedarf zum Betrieb solcher Absorptionskälteanlagen (einschließlich Pumpen und Rückkühlwerk) ist um etwa 75 bis 90 % geringer als bei Kompressionskälteanlagen. Durch die Nutzung der Nah- oder Fernwärme wird das bisher ungenutzte Energiepotenzial der Fernwärme im Sommer verwendet und ein effizientes und nachhaltiges Ressourcenmanagement umgesetzt. Zudem wird hierdurch auf die Produktion zusätzlichen Stroms verzichtet. Das bedeutet, das bestehende Stromnetz muss nicht wegen der Klimatisierung von Gebäuden ausgebaut werden.

Nutzung von Absorptionskälte

Bei der Kälteerzeugung für das neue Quartier steht der Bau eines Versorgungsnetzes als Lösung zur Deckung der saisonal schwankenden und stetig steigenden Kühlanforderungen im Vordergrund. Durch die realisierte Kältezentrale wird der Vorteil der zentralen Kälteversorgung umgesetzt, bei der Kunden von einer einfachen, effizienten und umweltfreundlichen Kälteversorgung profitieren. Eine solche zentrale Energiebereitstellung erzielt neben Vorteilen für Kunden auch einen exegetischen Vorteil für das Kältenetz gegenüber Einzelgeräten in Gebäuden. Beim Projekt Rosenheim wird eine Absorptionskältemaschine eingesetzt, die durch den Antrieb mit bis zu 95 °C heißem Wasser (312 kW Heizleistung) Kaltwasser mit einer Vorlauftemperatur von 8 °C (220 kW Kühlleistung) zur Klimatisierung des Quartiers zur Verfügung stellt.

Die Abbildung zeigt das Rückkühlwerk der Absorptionskälteanlage „ECO-Cooler“
Die im Quartier Bahnhof Nord in Rosenheim installierte Absorptionskälteanlage „chillii® Cooling Kit“ der SolarNext AG hat eine Kälteleistung von 220 kW (Beide Abb. © SolarNext AG)

Bedeutung von solarem Heizen und Kühlen

Solares Heizen und Kühlen spielt eine große Rolle in Gebäuden und in der Industrie und hat sich in zahlreichen Konzepten für Wohn- und Nichtwohngebäude bewährt. Zudem gibt es zunehmend Projekte, in denen die Industrie die Solartechnik für Prozesswärme nutzt. Vor allem die solare Kühlung wird zunehmend in den sonnigen Regionen der Welt umgesetzt. Fast ein Sechstel (16,5 %) des weltweiten Energieverbrauchs für Heizung und Kühlung könnten nach Erhebungen der Internationalen Energieagentur (IEA) bis 2050 durch solares Heizen und Kühlen erzeugt werden. Die IEA geht in ihrer SHC Roadmap von einem Beitrag von 1,5 % pro Jahr mit einer installierten Leistung von mehr als 1 000 GW aus. Dadurch könnten jährlich rund 800 Megatonnen CO2-Emissionen vermieden werden. Solarthermie für Fernwärme ist weltweit auf dem Vormarsch, so auch die Untersuchung „Solar Heat Worldwide 2020“ des Solar Heating and Cooling Technology Collaboration Programs (IEA SHC) der Internationalen Energieagentur IEA. Angeführt von Dänemark, wo der Markt 2019 um rund 170 % wuchs, und anderen Ländern wie China und Deutschland, ist dieser Anstieg vor allem auf eine verbesserte Kosten-Wettbewerbsfähigkeit dieser Techniken zurückzuführen. Ein weiterer Grund für das Wachstum ist die steigende Nachfrage nach industriellen und landwirtschaftlichen Anwendungen. Während die Warmwasserbereitung für Privathaushalte, dem größten Marktsektor, in China und Mitteleuropa durch konkurrierende Technologien unter Druck geriet, stieg die Nachfrage in Südafrika Afrika, Griechenland, Zypern und Brasilien. Grundsätzlich erlebt die Solarthermie laut IEA ein stetiges Wachstum in zwei Schlüsselsektoren – Fernwärme und industrielle Prozesse. Der IEA zufolge waren 2019 weltweit Anlagen mit 684 Mio. m² Fläche in Betrieb, die 41,9 Mio. t Öl einsparten und 135,1 Mio. t an CO2-Emissionen vermieden.

Autoren des Beitrags sind Frank Molter, Vorstand SolarNext AG, Bernau, und Jakob Schober, Stadtwerke Rosenheim GmbH & Co. KG. Der Beitrag wurde für cci Wissensportal von der Redaktion überarbeitet und ergänzt.

Einen Beitrag „Grundlagen: Die Absorptionskältemaschine“ lesen Sie in cci Wissensportal unter der Artikelnummer cci8331.

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