Meinung: Aerosole in den Tagesthemen

Thomas Reuter (Abb. © cci Dalog GmbH)

„Das Ansteckungsrisiko ist draußen viel geringer als in Innenräumen“, so ließ sich Dr. Christof Asbach, Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) in den Publikumsmedien zitieren. Nachdem der Verband ein Positionspapier „zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln“ herausgegeben hatte, wurde dies und damit auch das Thema von vielen Publikumsmedien aufgegriffen.

Wie Dr. Asbach erklärt, fänden die Ansteckungen mit dem Corona-Virus zu „99,9% in Innenräumen“ statt, daher müssten alle staatlichen Maßnahmen an dieser Stelle greifen und sich nicht auf Regelungen zum Verhalten im Außenbereich beziehen. Dies vermittle sonst ein falsches Verständnis des Ansteckungsrisikos. Ich denke mir: So weit, so gut, diese Fakten sind bekannt, mehr als offensichtlich und die Lüftungsbranche hat bereits seit gut einem Jahr ihre Empfehlungen zur Verminderung der Ansteckung in Innenräumen gebetsmühlenartig kommuniziert – nur scheint mir (und nicht nur mir), dass diese Positionen trotz erheblichem Kommunikationsaufwand deutlich weniger Aufmerksamkeit bekamen und bekommen als das Positionspapier der Aerosolforschung. Woran könnte das liegen? Hat die GAeF einen direkten Draht in die Redaktionen der großen Tagesmedien? Enthält das Papier bahnbrechende Erkenntnisse, die bisher unbekannt waren? Soviel sei vorweg gesagt: Nein. Trotzdem erhielt dieses Positionspapier jede Menge „Airtime“, wie man neudeutsch sagt. Ich sehe dahinter geschickte Kommunikation: Sobald in einer Experteneinschätzung das magische Wort „Umdenken“ enthalten ist, stürzen sich Redaktionen auf dieses Thema, um der teilweise ermüdenden Diskussion um die richtigen Maßnahmen gegen Corona etwas Neues, etwas bisher Unbekanntes hinzuzufügen. Bemerkenswerterweise heißt es bereits im Vorwort des Positionspapiers: „Dabei wird die Thematik rein aus der Sicht der Aerosolforschung betrachtet und es werden keine medizinischen, epidemiologischen, virologischen oder infektiologischen Schlüsse gezogen“. Das war auch gar nicht nötig, denn die Schlussfolgerungen fanden sich dann in den Kommentaren der Publikumsmedien.

Mit diesen Gedanken wünsche ich Ihnen eine gute Woche
thomas.reuter@cci-dialog.de

cci129036

3 Kommentare zu “Meinung: Aerosole in den Tagesthemen

  1. Das Mißverständliche an der Ausgangssperre ist, dass, anders als bei politischen Unruhen, die Gefahr gar nicht im Freien lauert, sondern bei den abendlichen Besuchen bei Freunden etc.
    Es geht doch gar nicht darum, abendliche Freiluftspaziergänge an sich zu verbieten, sondern einen Überblick über die Straßen zu gewinnen und abendliche Besuche im Keim zu ersticken, da eine anderweitige Kontrolle nicht möglich ist. Das sind aber recht komplexe Zusammenhänge, die schwer zu vermitteln sind. (Wenn das dann dazu führt, dass die Besuche bei Freunden einfach bis nach 5 Uhr am Morgen ausgedehnt werden, sind das natürlich unerwünschte Kollateralschäden.)
    Die laute Diskussion über Ausgangssperren, Masken im Freien, Schließung von öffentlichen Parks und Gärten lässt dabei leicht übersehen, dass die eigentliche Gefahr tatsächlich bei ganz harmlosen gemeinsam mit Freunden in engen Räumen verbrachten längeren Aufenthalten oder auch an zahlreichen Arbeitsplätzen besteht. Und gerade im privaten Bereich gibt es keinerlei Hygienekonzepte, Lüftung, Luftreiniger etc.
    Insofern war der Hinweis der GAeF auf die Innenräume schon nötig. Freiluft ist sicher. Wobei ich diese Aussage bei engen Ansammlungen vieler Menschen, wie Demos, nicht mehr gelten lassen würde.
    Peter Rietschel, BGN

  2. Wir bekamen einen weiteren Kommentar zu diesem Beitrag, der Verfasser ist der Redaktion bekannt. Hier der Wortlaut:

    Sehr geehrter Herr Reuter,

    die Sache ist eigentlich ganz einfach. Draußen spazieren zu gehen kostet weder Geld, noch Zeit noch die Verantwortung derjenigen, die sich für Anpassungen oder gar Neuanschaffungen von Lüftungstechnik entscheiden müssten. Solange es nirgends verbindliche Vorgaben gibt und nur Empfehlungen ausgesprochen werden, lehnen sich alle zurück. Denn sie müssen ja nicht, sie könnten ja nur. Und das ist der große Unterschied. Solange niemand etwas ändern muss, wird die LÜKK noch viel Geld und Zeit und Kapazitäten verbrauchen können. Erst wenn geschrieben steht, dass geändert werden muss, dann wird es interessant. Aber dann scheitert es wohl wieder an der zu geringen Umsetzungskapazität der LÜKK-Unternehmen.

  3. Sehr geehrter Herr Reuter,

    es freut mich, dass Sie das Thema und die viel Beachtung findende Studie zum Thema gemacht haben. Aus meiner Sicht ganz wichtig und, wir sollten als Experten für Innenraumlufthygiene hier unbedingt den Faden aufnehmen. Warum?

    Kommunikativ war dieses Positionspapier, so meine Meinung und Empfinden, ein Desaster. Nicht, weil dort das Richtige aus fachlicher Sicht dargestellt und veröffentlicht wurde. Sondern weil letztendlich in den Medien und den dafür aufnahmewilligen Kreisen die Botschaft ankam:

    Draussen gibt es keine Risiken.
    Warum also benötigen wir Ausgangsverbote?
    Warum muss das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden? Und Auflagen dafür eingehalten werden?
    Warum muss im Freien eine Maske getragen werden?
    …..

    Hier wurde eher die „falsche Seite“ mit Argumenten aufgeladen und ich sehe dieses Papier leider auch als Basis für die zu erwartenden Klagen vor den deutschen Gerichten gegen die bald kommende „Bundesnotbremse“. Oder sollte man eher von einer „Stotterbremse“ sprechen?

    Das gut gewollte an dem Possitionspapier, das Bestreben, die Aufmerksamkeit auf die Innenräume zu Lenken und somit Maßnahmen zur Verbesserung der Raumluftsituation in Schulen, Büros, Restaurants etc. herbei zu führen, ist damit völlig ins Hintertreffen geraten.

    Hier sollten wir uns als Branche doch einmal mit einem starken Statement einbringen und den Focus wieder in die richtige Richtung lenken.
    Falls ich das ganze falsch betrachte, freue ich mich auf eine angeregte Diskussion und Gedankenaustausch bei cci dazu.

    Mit sonnigen Grüßen aus Hessen.

    Ralph Langholz

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