Ein hinkender Vergleich

Am 5. Oktober fand ein virtuelles Fachgespräch unter Leitung des Umweltbundesamts (UBA) zum Thema „Persistente Abbauprodukte halogenierter Kälte- und Treibmittel in der Umwelt“ statt. Die Ergebnisse eines knapp dreijährigen Forschungsprojekts wurden dort präsentiert. cci Branchenticker hat zugehört und stellt eine Frage.

Thomas Reuter (Abb. © cci Dalog GmbH) Klar, zu Beginn eines Forschungsprojekts herrscht Unklarheit beziehungsweise Offenheit darüber, welche Ergebnisse durch die erhobenen Daten zustande kommen. Hinzu kommt, dass bei diesem Projekt Aussagen aufgrund eines Rechenmodells getroffen werden sollten, die weit in die Zukunft reichen – bis zum Jahr 2050. Es ging um die zentrale Frage, ob durch die steigende Verwendung von ungesättigten HFKW-Kältemitteln wie R1234yf oder R1234ze gefährliche umwelt- und gesundheitsrelevante Substanzen wie unter anderem Trifluoracetat (TFA) entstehen und wie hoch deren Schadenpotenzial auf Mensch und Umwelt ist. Diese ungesättigten HFKW werden zum Großteil in der mobilen Klimatisierung sowie als Treibmittel in Schäumen und für Aerosole verwendet und weisen einen niedrigen GWP (zwischen 1 und 4) auf – im Vergleich zu R134a (GWP 1.430), das bis vor wenigen Jahren als Standardkältemittel für Autos galt. Also doch eine tolle Sache? Nein, meinen die Projektpartner. Fest steht, dass beim Abbau der ungesättigten HFKW hohe Anteile von TFA entstehen, bei R1234yf sogar zu 100 %.

Doch wie groß ist das Problem? Abgesehen von den Messungen gehen die Berechnungen davon aus, dass der Eintrag von TFA innerhalb der nächsten zehn Jahre um den Faktor zehn wachsen wird. Also zehnmal so viel wie heute? Klingt apokalyptisch! Aber: Die Details sind wichtig. Zum einen weiß man bisher nicht, aus welchen anderen Quellen TFA auch entsteht: „Bisher nicht bekannte Emissionsquellen von gesättigten und ungesättigten HFKW und HFCKW sollten identifiziert werden. […] Von großem Interesse ist es, zu klären, woher der Anteil der gemessenen Trifluoracetat-Menge im Niederschlag stammt, der durch die bekannten Kälte- und Treibmittelemissionen nicht unmittelbar erklärt werden kann.“

Außerdem empfinde ich die Aussage über einen deutlichen Anstieg von TFA in der Umgebung problematisch – es gibt außer den Messungen im aktuellen Projekt nur wenige andere, und eine 1995 bis 1996 in Bayreuth durchgeführte Studie beruht auf einer völlig anderen Methodik als die jetzige. Dies räumen die Projektpartner zwar ein und mahnen daher weiteren dringenden Forschungsbedarf an. Und wie es in der Wissenschaft so üblich ist, folgt daraus, dass die Projektpartner trotz fehlender Forschung und dem vorliegenden, nicht unmittelbar vergleichbaren Datenmaterial von der Verwendung halogenierter Kälte- und Treibmittel abraten: „Auf den Einsatz von halogenierten Kälte- und Treibmitteln sollte daher verzichtet werden und Alternativen mit natürlichen Kältemitteln präferiert und gefördert werden.“ Vor allem vor dem Hintergrund der kommenden Revision der F-Gase-Verordnung kann dieses Thema – also ein möglicher Ausstieg aus der Verwendung von HFO-Kältemitteln und deren Mischungen – noch erhebliche Wirkung entfalten. Sicher, weder das Umweltbundesamt noch Ökorecherche oder die anderen Projektpartner müssen eine für die Branche umsetzbare Lösung präsentieren – dies ist nun Aufgabe der Kältemittelhersteller. Zudem zeigt die Debatte, dass eine reine Fixierung auf den GWP-Wert eines Kältemittels falsch ist und dass die Suche nach neuen, Low-GWP-Kältemitteln weiter geht.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Ihr Thomas Reuter

 

Artikelnummer: cci91279

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