Die nächste Hitzewelle rollt in Deutschland an und wird wieder vielen Menschen, die produktiv arbeiten wollen und müssen, das Leben schwermachen. Eine Lösung ist nicht in Sicht, denn geltende Richtlinien rechtfertigen 35 °C Raumtemperatur in der Arbeitsumgebung.
Die aktuellen Vorgaben der Arbeitsstättenregel ASR A3.5 erlauben es, dass Beschäftigte in Nichtwohngebäuden bis zu 35 °C Raumtemperatur aushalten müssen – und das, ohne dass eine Pflicht zur aktiven Kühlung besteht. Diese Regelung mag formal den „Mindestschutz“ für die Gesundheit sicherstellen, hat mit produktivem Arbeiten aber nichts mehr zu tun. Der Leitartikel von cci Zeitung 9 („35 °C im Raum sind zumutbar“) hat darüber zuletzt berichtet (cci302465).
Während europäische Normen wie die DIN EN 16798 („Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden“) und die Leitlinien zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) deutlich strengere Empfehlungen geben – maximal 26 °C in gekühlten Räumen und 30 °C in ungekühlten Gebäuden –, bleibt die deutsche Rechtslage weit hinterher. Die ASR A3.5 verweist lediglich auf Sonnenschutz, Nachtlüftung oder Ventilatoren. Eine Verpflichtung zur Klimatisierung? Fehlanzeige. Das Resultat sind tropische Arbeitsbedingungen, die weder den Beschäftigten noch den Unternehmen zumutbar sind.
Es ist zudem schlicht realitätsfern anzunehmen, dass bei 33, 34 oder gar 35 °C noch konzentriert und effizient gearbeitet werden kann. Wer schon einmal versucht hat, bei solchen Temperaturen einen Büroalltag zu bewältigen, weiß: Fehler häufen sich, die Leistungsfähigkeit sinkt rapide – und die gesundheitliche Belastung steigt dramatisch. Das ist kein Umfeld, das modernes Arbeiten fördert, sondern ein klarer Rückschritt.
Natürlich muss man die aktuelle Lage realistisch sehen: Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist derzeit alles andere als rosig. Eine sofortige gesetzliche Verpflichtung zur aktiven Raumkühlung käme vielen Unternehmen vermutlich zur Unzeit. Doch mittelfristig und vor allem langfristig führt an diesem Schritt kein Weg vorbei – nicht zuletzt, weil Hitzewellen häufiger, intensiver und länger werden. Wer jetzt nur auf kurzfristige Entlastung setzt, riskiert in einigen Jahren ein noch viel größeres Problem: sinkende Produktivität, höhere Krankheitsquoten und ein massives Standortproblem.
Deutschland braucht deshalb dringend eine Anpassung der gesetzlichen Vorgaben. Der Schutz der Beschäftigten darf nicht nur Mindestanforderungen erfüllen, sondern muss die Grundlage für gesunde und produktive Arbeitsplätze bilden. Dazu gehört eine klare Verpflichtung zur aktiven Raumkühlung, sei es durch moderne Klimasysteme, Kühldecken oder wassergeführte Lösungen, die auch in Bestandsgebäuden nachrüstbar sind. Das wirtschaftliche Potenzial für die LüKK ist riesig.
Wer die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sichern will, darf sich nicht damit zufriedengeben, dass Räume bis 35 °C als „zumutbar“ gelten. Notwendig ist ein klares Signal: Arbeiten im Tropenklima darf in Deutschland kein Standard sein.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen (Spät)-Sommer!
Florian Fischer
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Herr Burkhardt weist zurecht auf die praktischen Schwierigkeiten einer gesetzlichen Verpflichtung zur aktiven Kühlung hin – angefangen bei der messtechnisch korrekten Erfassung von Raumtemperaturen bis hin zu Vollzugs- und Umsetzungsfragen. Diese Bedenken sind ernst zu nehmen. Dennoch sollten wir die Diskussion nicht auf Temperatur allein reduzieren.
Gesundheit im Arbeitsumfeld bedeutet mehr als die Abwesenheit von Hitze. Das Raumklima wird durch mehrere Faktoren bestimmt: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO₂-Gehalt, Luftreinheit und Luftbewegung. Alle wirken unmittelbar auf Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Krankheitsanfälligkeit. Studien zeigen, dass schon eine um 2 °C erhöhte Temperatur kognitive Leistungen um bis zu 10 % verringert. In Büros und Klassenräumen werden oft CO₂-Werte von über 1.500 ppm erreicht – klar nachweisbar mit Konzentrationsschwächen und Fehlerhäufungen verbunden. Ebenso senkt eine kontrollierte Luftfeuchtigkeit nachweislich Krankheitsausfälle.
Aus dieser Perspektive geht es nicht nur um die „Zumutbarkeit“ von 35 °C, sondern um die Grundlage gesunder Arbeitsbedingungen. Räume, in denen Menschen über Stunden konzentriert arbeiten müssen, benötigen nicht nur Kühlung, sondern vor allem eine kontrollierte Frischluftversorgung, eine stabile Luftfeuchtigkeit und eine Begrenzung von Schadstoffen. Moderne Klima- und Lüftungssysteme erfüllen diese Aufgabe: Sie kombinieren Kühlung, Frischluftzufuhr, CO₂-Management und Luftfeuchte-Regelung zu einem hygienischen und produktiven Raumklima.
Wenn wir also über Anpassungen von Gesetzen und Regeln sprechen, sollte das Ziel nicht primär „aktive Kühlung“ heißen, sondern „ganzheitlicher Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz“!
Hierzu gehören klare Anforderungen an Luftqualität – ähnlich wie in vielen europäischen Ländern, wo Mindestvolumenströme für Außenluft gesetzlich verankert sind. Ein Richtwert von 25 m³/h Außenluft pro Person ist hier ein tragfähiger und wissenschaftlich belegter Mindestwert. Diese Perspektive hilft, die Debatte aus der Ecke von „mehr Bürokratie“ herauszuführen und hin zu einer fachlich fundierten Definition von gesunden Arbeitsumgebungen.
Die Debatte über Hitzewellen und Arbeitsstättenrichtlinien sollte daher dringend erweitert werden: von der einseitigen Temperaturgrenze hin zu einer modernen Definition von gesunden und produktiven Innenräumen. Denn die zentrale Frage ist nicht, ob Beschäftigte 35 °C „aushalten“, sondern ob wir Arbeitsumgebungen schaffen, die langfristig Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation sichern.
Daher mein Appell: Ob Gesetzgeber, Planer oder Unternehmen – wir alle sollten Raumklima nicht länger nur als Komfortthema behandeln. Es ist die Grundlage für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
Am Ende geht es nicht um Maschinen, sondern um Menschen – und genau das macht gute Luft zur wertvollsten Investition.
Hallo Udo,
danke für Deinen Kommentar. Du hast sicher recht, die Hitze im Büro ist nur ein Aspekt, letztendlich geht es um ganzheitlichen Gesundheitsschutz. Ich habe mich bei meiner Meinung aufgrund der Sommerzeit auf die damit verbunden hohen Temperatuen fokussiert.
„Raumklima nicht als Komfortklima sehen“: das ist wirklich ein griffiger Slogan!
Viele Grüße an den Niederrhein
Florian Fischer
Überall wird Bürokratieabbau gefoderdert und jetzt kommt einer daher und will wieder neue Gesetze, Verordungen und Normungen. Davon gibt es ausreichend, auch für dieses Thema. Wann fassen wir uns in den Interssenverbänden endlich mal an die eignene Nase? – und sorgen zum Beispiel erst mal dafür, das umgesetzt wird, was jetzt schon geht?
Wenn ein Arbeitgeber produktive Arbeitsplätze haben will, wird er sich aus eigenem Intersse selber darum kümmern, dafür gibt es ausreichend Vorlagen, Gesetze, Richtlinien Empfehlungen. Das kann jeder AG/Bauherr bei Sanierungen und Neubauten beachten und – vor allem bei Sanierungen – soweit wirtschaftlich vertretbar nach geltenden Regeln umsetzen, konzentrieren wir uns doch darauf, erst mal das umzusetzen, oder auch alle dazu anzuhalten, es auch wirklich zu tun, was jetzt schon alles möglich ist, bevor wieder nach neuen Regularien rufen.
Und ehrlich, meist wird noch nicht mal umgesetzt, – gerne aus Kostengründen – was heute schon möglich ist (da z.B. Kann-Bestimmungen). Ich hab gerade ein öffentliches BV, das sag ich hier lieber nix dazu.
Da der Arbeitgeber über den Privatwohnbereich keinerlei Mitbestimmungsrechte hat, und gegebenfalls diese Vorgaben dort nicht sicherstellen kann die hier gefordert werden, fällt dann eventuell mit den (neuen) Forderungen das Thema Home-Office unter den Tisch, alle wieder zurück ins Büro -mehr Platzbedarf statt Desksharing, mehr Mietkosten für mehr Fläche, höher Kosten für den Arbeitgeber. Oder war das das eigentliche Ziel des Vorschlages?
Ansonsten Danke ich im Kern den ausführlichen Darstellungen des Herrn Burkhardt vom 27. August 2025 und Hr. Mühlauer.
Hier wird für Büro-Atlehten zum Bürostuhlsitzen Komfort bis zum Abwinken gefordert, aber alle Anderen, die nicht in gekühlten Büros Arbeiten können, die ignorieren wir dabei? Wie kommen wir dazu?
Schöne Grüße vom Koch in eurer Kantine/Bistro/Dönerbude … .
Schöne Grüße aus dem Strassen- und Tiefbau, die Sonne ist der alltäglicher sommerlicher Begleiter von früh bis spät.
Lieber Herr Precht,
vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar zu meiner Meinung.
Ich bin überhaupt kein Freund von neuen gesetzlichen Regelungen, wir haben sicher viel zu viel davon. Es ist sicher auch richtig, dass viel gewonnen wäre, wenn wenigstens bei Neubauten und Sanierungen sämtliche Richtlinien und Empfehlungen beachtet werden. Aufgrund der aktuell angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage wird dies oft aus Kostengründen scheitern. So ist das nun mal, wenn es keine wirkliche Verpflichtung dazu gibt.
Viele Grüße
Florian Fischer
In der Sache gebe ich Herrn Fischer recht. 35°C im Büro sind kein tragbarer Zustand. Die Lösung ist allerdings nicht, neue Vorschriften oder Gesetze zu fordern (oder gar zu erlassen). Wenn es eines gibt, wovon wir in Deutschland genug haben, dann sind es gesetzliche Regelungen!
Ich habe selbst erlebt, welchen Produktivitätsschub der Einbau einer Klimatisierung bringt. Es ist daher ureigenstes Interesse der Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen, an denen die Mitarbeiter volle Leistung bringen – und zwar unabhängig von der Jahreszeit.
Vertrauen wir doch – gerade als Unternehmen – wieder ein bisschen auf Eigenverantwortung. Auch in Deutschland. Auch in 2025.
Hallo Herr Mühlauer,
danke für Ihren Kommentar.
Mir wäre Eigenverantwortung auch lieber. Viele Unternehmen mieten ihre Büroflächen, alleine deshalb werden sie die Investition in eine Klimatisierung scheuen. Was passiert damit am Ende des Mietvertrages?
Viele Grüße
Florian Fischer
Natürlich sind 35 °C Raumtemperatur für produktive Arbeit nicht „zumutbar“, das zeigen uns die verschiedenen geltenden Standards wie EN 16798-1, EN ISO 7730 und weitere Empfehlungen.
Als HLK-Ingenieur in einem Schweizer Planungs-Unternehmen profitiere ich im Büro von einem top Klima in einem Neubau von 2023 mit TABS, maschineller Lüftung, aussenliegendem Sonnenschutz, grosser Speichermasse usw.
Die Forderung nach einer gesetzlichen Verpflichtung der normativen Empfehlungen ist aus meiner Sicht trotzdem nicht sinnvoll – und zwar aus verschiedenen Gründen.
Zum einen wird es in Deutschland wie in der Schweiz kaum genügend finanzielle und personelle Ressourcen geben, um ein solches Gesetz zu vollziehen. Wer kontrolliert ein solches Gesetz im Vollzug? (siehe z. B. die Umsetzung der bei Ihnen vorgeschriebenen energetischen Inspektionen)
Sie sprechen von „Gebäudetyp E“ und Bürokratie-Abbau, wollen aber eine maschinelle/aktive Kühlung für (Büro-)Arbeitsplätze gesetzlich verankern? Die Umsetzungsprobleme beginnen bereits bei einer korrekten Messung der Raumtemperatur an jedem der betroffenen Arbeitsplätze (nach EN ISO 7726). Die meisten Leute können die Raumtemperatur und die Raumlufttemperatur nicht unterscheiden, geschweige messtechnisch korrekt erfassen.
Dann müssten die Arbeitgeber praktisch alle Homeoffice-Arbeitsplätze aufheben, weil sie im privaten Bereich keinen Einfluss nehmen könnten auf die baulichen und technischen Gegebenheiten. Ich als Mieter könnte im Gegensatz zu Eigenheimbesitzer:innen gar keine aktive Kühlung installieren lassen. So müsste ich mich an heissen Tagen wieder 5-mal pro Woche in stickige Züge und Busse setzen – ausser das Gesetz würde auch die Arbeitsplätze von Busfahrer:innen und Zugbegleiter:innen betreffen. Dann hätten wir es auch dort durchgehend angenehm kühl. Die Deutsche Bahn freut sich bestimmt auf ein solches Gesetz… (Ironie OFF).
Ob es dann nicht eine „Rebellion“ der Berufstätigen an Hitzearbeitsplätzen wie z. B. im Strassenbau oder auf den Baustellen geben würde, die nicht im gekühlten Büro oder Verkaufsladen arbeiten könnten, wäre ebenfalls zu überlegen.
Als Fachjournalist wissen Sie auch, dass die Wärmeabfuhr im Raum (über konvektive Systeme oder Strahlungsflächen) nur der erste Teil einer Klimakälteanlage darstellt. Wie können Sie oder Ihr Arbeitgeber in einer gebauten Umgebung (z. B. einer Altstadt) unter Einhaltung aller anderen Vorschriften – insbesondere Schallschutz – die Aufstellung einer Kälteanlage mit Rückkühlung (über Erdsonden, Grundwasser, Oberflächenwasser, Aussenluft, Fernkälte usw.) gewährleisten?
Ein solches Gesetz würde viele Arbeitsplätze indirekt „verbieten“ und würde so zum Abbau von Stellen führen, sofern es die jeweilige Grundlage (Gewerkschafen, Gesamtarbeitsverträge usw.) erlauben würde. Andernfalls müssten die Arbeitgeber den Angestellten mehrere Tage hitzefrei geben bei Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Raumtemperatur. Bei systemrelevanten Jobs wären dann auch viele Kunden betroffen, die selbst von einem gekühlten Arbeitsplatz profitieren, aber Dienstleistungen von Leuten ohne diese Möglichkeit in Anspruch nehmen würden (Restaurant geschlossen aufgrund überhitzter Arbeitsplätze in der Küche…?.
In der Schweiz gelten praktisch die gleichen Empfehlungen zum Raumklima wie in Deutschland, da die normativen Grundlagen auf der selben Basis aufbauen (vgl. https://www.seco.admin.ch/dam/seco/de/dokumente/Arbeit/Arbeitsbedingungen/Arbeitsgesetz%20und%20Verordnungen/Wegleitungen/Wegleitungen%203/ArGV3_art16.pdf.download.pdf/ArGV3_art16_de.pdf). Schwangere und stillende Mütter sind in der Schweiz speziell geschützt und dürfen bei einer Raumtemperatur von 28 °C und mehr die Arbeit niederlegen. Für die Arbeit an Hitzetagen gibt das zuständige Bundesamt entsprechende Empfehlungen ab mit Temperatur- und Feuchteabhängigen Massnahmen (die alleinige Betrachtung der Raumtemperatur reicht nicht aus, insbesondere bei Schwüle).
Wir sollten unsere Ressourcen eher darauf konzentrieren, dass die geltenden Standards bei Neubauten (und Sanierungen soweit wirtschaftlich und energetisch sinnvoll und machbar) in die Planungs- und Werkverträge aufgenommen und umgesetzt werden. Ein gesetzlicher „Zwang“ zur aktiven Kühlung aller (Büro-)Arbeitsplätze würde zu unzähligen Rechtsstreitigkeiten führen und die Auftragsbücher von Jurist:innen, Gutachter:innen und Sachverständigen sowie die Kalender von eh‘ schon überforderten Gerichten füllen. Beraten, Motivieren und Überzeugen anstatt Vorschreiben wäre meine Empfehlung.
Hallo Herr Burkhardt,
danke für Ihren Kommentar.
Mir ist Freiwilligkeit auch viel lieber als Zwang, wir stecken da in einem echten Dilemma. Wenn wenigstens bei Neubauten und Sanierungen mehr auf das Raumklima geachtet würde, wäre schon viel gewonnen.
Viele Grüße
Florian Fischer