Kommentar: Schnellkurse statt Fachwissen – ein Bärendienst für die Branche

Torsten Wiegand (Abb. © cci Dialog)

Die BLAC lehnt Mindestvorgaben für die Dauer von Zertifikatskursen ab – trotz Kritik von Fachschulen und Verbänden. Damit bleiben Schnellkurse erlaubt, die in wenigen Tagen zum Personen-Zertifikat für den Umgang mit Kältemitteln führen. Ein riskantes Signal, zumal mit dem Umstieg auf natürliche und brennbare Kältemittel die Anforderungen an Ausbildung und Sicherheit noch einmal deutlich wachsen.

Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit (BLAC) hat entschieden, keine Mindestvorgaben für die Dauer von Zertifikatskursen zu machen. Die Forderung von Branchenverbänden, verbindliche Mindeststandards einzuführen, lief ins Leere. Die BLAC verweist stattdessen auf die EU-Durchführungsverordnung, die nur Prüfungsinhalte definiert, nicht jedoch Kursdauer oder Umfang (siehe cci305077).
Somit können auch weiterhin Personen-Zertifikate für den Umgang mit Kältemitteln nach sechswöchiger (240 Stunden) Fachschulausbildung erlangt werden – oder eben im Schnellverfahren nach vier bis fünf Tagen, teils im Online-Selbstlernformat. Das ist, wie der VDKF bildhaft dargestellt, als würde man beim Führerschein nur die Theorieprüfung verlangen und auf Pflichtstunden im Auto verzichten. Niemand würde ernsthaft behaupten, dass so sicheres Fahren gewährleistet ist – und genauso verhält es sich mit dem Umgang mit Kältemitteln.

Die BLAC hat mit ihrer Entscheidung ein fatales Signal gesendet: Ausbildung sei reine Formsache. Damit verschiebt sie die Verantwortung – auf Zertifizierungsstellen, Kursanbieter und letztlich auf die Betriebe. Wenn Arbeitsgremien und Behörden sich auf formale Zuständigkeiten zurückziehen, entziehen sie sich der Aufgabe, Mindeststandards im Interesse der Allgemeinheit zu sichern.
Noch schwerer wiegt die Entscheidung mit Blick auf die Zukunft. Diese läuft auf den verstärkten Einsatz von natürlichen Kältemitteln hinaus. Propan, Ammoniak oder CO2 erfordern nicht weniger, sondern mehr Wissen, Praxis und Sicherheitsbewusstsein. Wer glaubt, solche „Crashkurse“ könnten hier die nötige Qualifikation liefern, spielt mit Risiken, die sich weder technisch noch gesellschaftlich verantworten lassen.

Die Folgen liegen auf der Hand: ein Zwei-Klassen-System von Absolventen, Wettbewerbsnachteile für seriöse Anbieter und ein sinkendes Vertrauen in die Aussagekraft von Zertifikaten. Für eine Branche, die auf Vertrauen, Fachkompetenz und Nachwuchs angewiesen ist, ein Schlag ins Gesicht.

Jetzt muss die LüKK handeln, es braucht ein klares Bekenntnis: Qualität vor Geschwindigkeit. Mit Blick auf die laufende Überarbeitung der Chemikalien-Klimaschutzverordnung haben BIV, BFS und VDKF in einer gemeinsamen Stellungnahme bereits eine entsprechende Forderung eingebracht. Nun dürfen sie nicht nachlassen: Neben Empfehlungen zur Kursdauer und zu Mindestinhalten könnten die Verbände eigene Standards entwickeln und ein Qualitätssiegel etablieren, mit dem Anbieter bewertet werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, einen Katalog seriöser Schulungseinrichtungen zu veröffentlichen. Gleichzeitig gilt es, politischen Druck bei den zuständigen Ministerien und Landesbehörden aufzubauen, um verbindliche Regelungen in die Verordnung einzubringen. Fachschulen und Betriebe wiederum könnten noch offensiver für fundierte Ausbildung werben und die Unterschiede zu Schnellkursen herausstellen. Um zu verhindern, dass das Ausbildungsniveau womöglich dauerhaft untergraben wird.

Zertifikats-Schnellkurse sind meines Erachtens nicht nur ein Irrweg, sondern auch eine Gefahr. Wer Ausbildung auf Minimalmaß stutzt und beim Kälteschein auf Schnellverfahren setzt, spart nicht Zeit, sondern rüttelt am Fundament der Fachlichkeit.

Ihr Torsten Wiegand
torsten.wiegand@cci-dialog.de

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