Leser helfen Lesern: Pflicht zur Überdachung von Dachklimageräten?

(Abb. © cci Dialog GmbH)
Für ein aktuelles Bauprojekt fordert der baubegleitende Sachverständige, dass die auf dem Dach aufgestellten RLT-Geräte überdacht werden müssen. (Abb. © cci Dialog GmbH)

Die heutige Frage eines Lesers an die Leser von cci Branchenticker in der Rubrik „Leser helfen Lesern“ hat es in sich: Bei einem Hochbauprojekt fordert ein Sachverständiger, dass die auf dem Dach aufgestellten RLT-Geräte überdacht werden müssen. Haben Sie von einer solchen Verpflichtung schon einmal gehört?

Aktuell plant und baut das Hochbauamt in der Innenstadt einer Großstadt in Baden-Württemberg ein Bürogebäude. Insgesamt sind sieben Lüftungsanlagen für unterschiedliche Luftkonditionierungen und Bereiche ausgelegt worden. Die Aufstellung der Geräte erfolgt aus Platzgründen auf dem Dach. Somit werden sie der freien Bewitterung ausgesetzt. Anfragen bei verschiedenen Geräteherstellern ergaben, dass diese Aufstellung ohne Einschränkungen möglich sei.
Baubegleitend ist ein TÜV-Sachverständiger beauftragt worden, der auch die spätere Abnahme durchführen wird. Während der Einarbeitung sind diverse Forderungen seitens des Sachverständigen ausgesprochen worden. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Der Bodenbereich vor den Lüftungsgerätetüren muss leicht reinigbar sein.
  • Der Bereich mindestens 1,5 m vor den Lüftungsgerätetüren und über den Lüftungsgeräten muss überdacht sein.

Auf Anfrage des Hochbauamts, auf welchen technischen Regeln die zuvor genannten Forderungen basieren, zitierte der Sachverständige die EU-Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 (Anhang 1) wie folgt:
„Grundanforderungen an Bauwerke: Bauwerke müssen als Ganzes und in ihren Teilen für deren Verwendungszweck tauglich sein, wobei insbesondere der Gesundheit und der Sicherheit der während des gesamten Lebenszyklus der Bauwerke involvierten Personen Rechnung zu tragen ist. Bauwerke müssen diese Grundanforderungen an Bauwerke bei normaler Instandhaltung über einen wirtschaftlich angemessenen Zeitraum erfüllen.“
Hier gab es in Gesprächen (nicht schriftlich) seitens des Sachverständigen auch einen ergänzenden Hinweis auf das Einhalten der RLT-Hygienerichtlinie VDI 6022, das er gefährdet sieht.
Aufgrund der abgeschlossenen Planung und des sich bereits im Rohbau befindlichen Gebäudes würde es einen erheblichen Aufwand bedeuten, die Lüftungsanlagen zu überdachen. Die zuvor zitierte Verordnung tangiert die Thematik, jedoch erscheint sie für den vorliegenden Sachverhalt nicht ausreichend präzise.
Daher lauten nun die konkreten Fragen des Lesers:

  • Kann eine Überdachung auf Grundlage der allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtend gefordert werden?
  • In welchem Regelwerk ist dies beschrieben?
  • Sollte keine Verpflichtung bestehen, ist es dann aus anderen Gründen zwingend notwendig, eine Überdachung vorzusehen?

Gibt es in unserer Leserschaft Hinweise auf entsprechende Quellen oder auch eigene Erfahrungen zu diesen Fragen? Antworten Sie gerne per E-Mail an redaktion@cci-dialog.de oder über die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag. Vielen Dank!

cci198931

6 Kommentare zu “Leser helfen Lesern: Pflicht zur Überdachung von Dachklimageräten?

  1. Auch ich möchte hier als Prüfer der Kandidaten zum Prüfsachverstädigen meinen Senf dazu geben. Ich stimme meinen Vorkommentatoren nicht in allen Punkten zu, es kann im Einzelfall immer mal Fälle geben, in denen eine Überdachung notwendig und aus Gründen der a.a.R.d.T. erforderlich wird. Da ich das Objekt nicht kenne, kann abschließend keine verbindliche Aussage dazu getroffen werden.
    Auch ist, wie Sie beschrieben haben, die Aufgabe des „TÜV-Sachverständigen“, wohl eine „spätere“ Abnahme vorzunehmen. Dies ist für die Prüfung der Vertragsleistungen (ggf. VOB) nach ATV 18379 zu prüfen. Wenn die Forderungen im Vertrag und im Leistungsverzeichnis so aufgeführt sind , kann die Anforderung generell wohl richtig sein, allerdings sind die genannten Begründungen aus der Produkteverordnung nicht schlüssig, da der Hersteller die Anwendung hier vorschreibt, und ich kenne keinen Hersteller, der die freie Dachaufstellung rundweg verbietet. Auch die Hygienerichtlinien treffen hier wohl nicht generell zu, da in der Hygiene-Erstinspektion das Verfahren bei einer Abweichung genau beschrieben werden muss (besondere Reinigung etc.). Allerdings sehen wir zunehmend durch die Prüfsachverständigen eine Fülle von neuen und „erfundenen“ Regeln aufgestellt, die keine rechtlichen verbindlichen Grundlagen haben und für die der Sachverständige ggf. vor Gericht nachweisen muss, warum die Mehraufwendungen begründet waren. Einige dieser Fälle sind mir und meinen Kollegen bekannt.
    Sachverständige dürfen nicht zu wenig prüfen, aber auch nicht zu viel fordern! Es gibt noch einen Hinweis für die freie Dachaufstellung in der VDE. Wartungsarbeiten an elektrischen Einrichtungen dürfen nur unter besonderen Bedingungen stattfinden, dazu gehört nicht ein Regenschauer auf dem Dach.
    Weitere Anmerkungen:
    – Nur weil es in BW keine eigene Prüfverordnung gibt und die Sonderbauverordnungen nicht generell für Bürogebäude greifen, bedeutet das nicht, dass Anlagen über Auflagen zur Baugenehmigung oder Sonstige als sicherheitstechnische Anlagen prüfpflichtig sind oder werden können.
    – Diese Prüfungen können auch ggf. durch Sachkundige erfolgen, so wie die Anforderungen dort beschrieben worden sind.
    – Zu den Prüfaufgaben für „Sachverständige“ könnten auch die Auflagen des Bauherrn im Werkvertrag mit den Planer und Firmen gehören, das weiß man hier offenbar alles nicht.
    – Wir diskutieren gerade über die fehlenden Einbauanweisungen zu Entrauchungsventilatoren als Lücke in der DIN EN 12101-3, dazu könnte es auch vom Hersteller der Lüftungsgeräte eine besondere Anweisung geben, die Anforderungen an die Wartung und den Schutz bei Wartungen beschreiben.
    Dipl.-Ing. Hans Christian Sieber

  2. Sicherheitstechnische Anlagen der TGA in Bürogebäuden in Baden-Württemberg unterliegen nicht einer Prüfpflicht nach einer Sonderbauverordnung oder Sonderbaurichtlinie – eine Prüfverordnung gibt es in Baden-Württemberg (leider) nicht. Für die sehr sinnvolle baubegleitende Prüfung sind besonderen Qualifikationen nicht erforderlich. Der Auftraggeber sollte nach meiner Auffassung darauf achten, dass beauftragte Sachverständige eine bauordnungsrechtliche Anerkennung nachweisen können. Wenn über die Baugenehmigung und deren Nebenbestimmungen eine Prüfung vorgeschrieben wurde, sind grundsätzlich anerkannte Prüfsachverständige einzusetzen.

    Wichtige Anmerkung: Gleichzeitig steht in der Anfrage „Leser helfen Lesern“, dass baubegleitend ein „TÜV-Sachverständiger“ beauftragt worden sei und dieser später auch „die Abnahme“ durchführen wird. Ist der Sachverständige wirklich vom TÜV? Vielleicht wurde hier auch nur eine Sachverständigenprüfung mit einer TÜV-Prüfung gleichgesetzt? „Den“ TÜV gibt es auch nicht – viele kennen unterschiedliche und in Konkurrenz stehende Firmen wie TÜV Nord, TÜV Süd, TÜV Rheinland, TÜV Saarland, TÜV Hessen, TÜV Thüringen und einige nicht in Deutschland beheimatete TÜV‘s. Um sich auf den fachlichen Teil fokussieren zu können, ist es meines Erachtens wichtig, dass Fragen hinsichtlich Personen und Firmen anonymisiert sind.

    Zu beachten ist auch, dass Sachverständige keine Abnahmen durchführen, dieses Rechtsgeschäft obliegt den am Bau Beteiligten. TGA-Sachverständige prüfen und bewerten, stellen Prüfberichte aus, in seltenen Fällen auch Bescheinigungen.

    Nun zur eigentlichen Fragestellung. Die bisherigen Leserbriefe haben dargelegt, dass es keine Anforderungen hinsichtlich einer Überdachung von RLT-Geräten im Freien gibt gibt. Mit der Grundlage der Mangelbeschreibung, die Bauprodukteverordnung (BauPVO) hatte sich bisher niemand befasst, daher beziehe ich mich mit meinem Leserbrief nur darauf.
    Zu Beginn wurde dargelegt, dass ein Sachverständiger die Mängel mit den Grundanforderungen nach Anhang 1 der EU-Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 begründet hat. Ich bin der Auffassung, dass die BauPVO nicht greift und dass daher die Begründung gegenstandslos ist. Wenn eine Regel nicht gilt, können Mängel nicht mit der betreffenden Regel begründet werden.
    Die BauPVO gilt nur für Inverkehrbringen und Bereitstellen (verkaufen) von Bauprodukten nach harmonisierten Regeln. Harmonisierten Regeln sind harmonisierten Normen (hEN) und Europäischen Bewertungsdokumenten (EAD, früher ETAG), vgl. Artikel 1 und Artikel 2 Nr. 10 der BauPVO. Zitat:
    Artikel 1 Gegenstand
    Diese Verordnung legt Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten oder ihre Bereitstellung auf dem Markt durch die Aufstellung von harmonisierten Regeln über die Angabe der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre „Wesentlichen Merkmale“ sowie über die Verwendung der CE-Kennzeichnung für diese Produkte fest.
    Artikel 2 Begriffsbestimmungen
    10. Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck harmonisierte technische Spezifikationen die harmonisierten Normen und Europäischen Bewertungsdokumente

    Das DIBt veröffentlicht die nach der BauPVO harmonisierten Normen und Bewertungsdokumente. Lüftungsgeräte gehören nicht dazu. Daher ist die EU-Bauprodukteverordnung für die Prüfung und Bewertung von RLT-Geräten nicht maßgebend. Wenn es eine nach der BauPVO veröffentlichte harmonisierte Norm oder ein EAD gäbe, hätte die EU-Kommission mit dem Mandat (Auftrag für die Erstellung der Norm) auch die Umsetzung der Grundanforderungen gefordert, vgl. Artikel 3 BauPVO. Zitat:
    Artikel 3 Grundanforderungen an Bauwerke und Wesentliche Merkmale von Bauprodukten
    (1) Die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I sind die Grundlage für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen und harmonisierter technischer Spezifikationen.
    (2) Die Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten werden in harmonisierten technischen Spezifikationen in Bezug auf die Grundanforderungen an Bauwerke festgelegt.

    Für Bauprodukte nach harmonisierten technischen Spezifikationen mit Bezug zur BauPVO haben Hersteller eine Leistungserklärung zu erstellen, vgl. Artikel 4 BauPVO. Die einzelnen Leistungen werden nach der BauPVO „Wesentliche Merkmale“ genannt. Diese Wesentlichen Merkmale sind in den harmonisierten Spezifikationen aufgeführt, bei hEN im Anhang ZA. Ob und welche Wesentlichen Merkmale erforderlich sind, bei Stufen oder Klassen auch diese Angaben, entscheidet jeder Mitgliedsstaat eigenständig. Zitat:
    Kapitel II Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung
    Artikel 4 Leistungserklärung
    (1) Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder entspricht ein Bauprodukt einer Europäischen Technischen Bewertung, die für dieses ausgestellt wurde, so erstellt der Hersteller eine Leistungserklärung für das Produkt, wenn es in Verkehr gebracht wird.

    Die Mitgliedsstaaten sind für das Sicherheitsniveau selbst verantwortlich, dazu gehören ggf. auch Vorgaben an die Funktionsprüfung von Bauprodukten. Auf Anfrage des Arbeiskreises Brandschutz und Entrauchung des VDMA hat die EU-Kommission die vom VDMA getroffenen Aussagen bestätigt, vgl. z. B. Vorwort des VDMA-Einheitsblatts 24000. Zitat:
    In Anbetracht der Aufrechterhaltung eines angemessenen Sicherheitsniveaus von Bauwerken können die EU-Mitgliedstaaten Anforderungen an die Funktionsprüfung von Bauprodukten festlegen, wenn diese in Bauwerke eingebaut werden und einen wesentlichen Bestandteil solcher Bauwerke bilden. Die Bereitstellung und Aufrechterhaltung der Abschottung im Falle eines Brandes ist eindeutig eine solche Anforderung in Bezug auf Bauwerke. In diesen Bereichen haben die Mitgliedstaaten das Recht, das von ihnen angestrebte Schutz- und Sicherheitsniveau zu wählen und ihre Anforderungen entsprechend festzulegen (DG GROW Unit C1 Circular Economy and Construction, European Commission).

    Zusammenfassung
    In den bisherigen Leserbriefen wurde dargelegt, dass die Forderung nach einer Überdachung normativ nicht begründet ist. Da die EU-Bauprodukteverordnung nicht gilt, sind Forderungen nach der BauPVO nicht begründbar.

    Peter Vogelsang, Köln

  3. Mit einer über 20-jährigen Erfahrung in Verbindung mit Lüftungsgeräten und der Mitarbeit in vielen Normungsgremien kann ich Ihnen bestätigen, dass es bezüglich der Überdachung von RLT-Dachgeräten keinerlei Anforderungen gibt. Individuell konzipierte RLT-Geräte sind auch kein Bestandteil der Bauproduktenrichtlinie.
    Alle RLT-Gerätehersteller bieten ausdrücklich RLT-Geräte an, die in wetterfester Ausführung für eine Dachaufstellung geeignet sind. Eine Überdachung ist hier bereits Bestandteil des RLT-Geräts, indem eine extra Dachhaut auf dem Gerät das Eindringen von Wasser verhindert. Die VDI 6022 oder die VDI 3803 enthalten keine Anforderungen an eine Überdachung. Allerdings gilt für eine Außenaufstellung, dass das Gerät oberhalb einer zu erwartenden Schneeschicht aufzustellen ist und Außenluft nur aus Bereichen angesaugt wird, die eine gute Luftqualität in den Innenräumen garantieren können. Bei Rückfragen kann sich der Sachverständige gerne an mich wenden.
    Martin Törpe RLT Herstellerverband e.V. (toerpe@rlt-geraete.de)

  4. Als Sachverständiger für Lüftungsanlagen sehe ich hier keinen Verstoß gegen die “ allgemein anerkannten Regeln der Technik „. Auch aus den Hygienerichtlinie der VDI 6022 sehe ich keinen eigentlichen Verstoß. Hier wird wohl die Raumreinheit angesprochen! Hier wird unterschieden zwischen Innen- und Außeneinheit. In diesem Fall sprechen wir von einem Außenteil und somit auch nicht gefährdend, wenn die einschlägige Richtlinie zum Einbau einer RTL-Anlage auf dem Dach umgesetzt wird. Eine Überdachung sollte als Montageschutz bei Kundendienstarbeiten zu verstehen sein, dass ist eine Vernünftige Unterstützung für die einzelnen Gewerke bei Arbeiten mit schlecht Wettereinsätzen.
    olaf mayer(sv-ö.b.u.v.)

  5. Toll! Ich bin wieder einmal erstaunt, was man aus technischen Regeln alles herauslesen kann um sich neue, eigene Regeln zu erschaffen. RLT-Geräte im Freien werden allgemein ohne verpflichtende Decken und Wände aufgestellt, die Geräte sind dann für die Aufstellungsart vorbereitet: Regendach und -hauben, Schneehöhe, Windlast, Schallschutz, AUL-Ansaugung beachten usw.. In letzter Zeit werden allerding für die Photovoltaik Gerüste über den Geräten benötigt.
    Aber: Eine allgemeine Forderung nach dem Schutz des Aufstellungsortes eines RLT-Gerätes durch ein Dach und Wände gibt es nicht!

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