Berechtigterweise steht aktuell die Energiebilanz von Gebäuden, ob Wohn- oder Nichtwohngebäude, im Fokus. Vor dem Hintergrund des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der entsprechenden Förderung durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ist das nachvollziehbar und richtig. Doch bei allen Maßnahmen zur Energieeffizienz darf nicht vergessen werden, dass Gebäude klimaresilient geplant und errichtet werden müssen – und dies dringender als je zuvor.
Das ist die Realität: Hitzewellen, Dürre oder Starkregen, Hochwasser und Hagelschlag. Auch in Deutschland nehmen Wetterextreme deutlich zu. Anlässlich des 13. ExtremWetterKongresses im September in Hamburg hieß es: „2023 ist für die Klimaentwicklung auf unserem Planeten eine Wendemarke. Nie zuvor waren die globalen Luft- und Wassertemperaturen so hoch. Nie zuvor haben Hitzerekorde und Waldbrände ein solches Ausmaß erreicht wie 2023. Die um 5 bis 6 °C höheren Wassertemperaturen im Mittelmeerraum haben für Rekordwerte bei der Verdunstung und den nachfolgenden Niederschlägen gesorgt.“
Ich meine, dass dies unbedingt Folgen für die Planung haben muss. Denn darin liegen echte Gefahren für unsere Gebäude, ob Wohnhaus oder Nichtwohngebäude, ob Kita, Rechenzentrum, Labor oder Krankenhaus. Zwar werden bei der Gebäudeplanung Wetterdaten einbezogen: Für die Planung von LüKK-Anlagen ist hierfür zum Beispiel das Online-Tool „Gradtagzahlen Deutschland bis Mai 2023“ nützlich, das das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU), Darmstadt, veröffentlicht hat (siehe auch Artikelnummer cci256194). Doch fehlt in meinen Augen ein Ansatz, Gebäude gesamtheitlich nach der Anforderung Klimaresilienz zu planen. Was braucht man dafür?
Nach Definition des Deutschen Wetterdiensts (DWD) bezeichnet Klimaresilienz „die Widerstandsfähigkeit sozial-ökologischer Systeme gegenüber den Folgen des Klimawandels. Angesichts der Langfristigkeit der Veränderungen erfordert dies eine Anpassung.“
Wie kann man etwa verhindern, dass der Keller vollläuft oder die Kältemaschine auf dem Dach von Hagel beschädigt wird? Konkret müssen also zwingend bei der Planung die Topologie und das jeweilige Mikroklima am Standort sowie Risiken durch Hochwasser, Waldbrände, Blitzschläge oder Stürme berücksichtigt werden. Ich denke: Was nützt ein möglichst energieeffizientes Gebäude, wenn dessen Standort durch Extremwetter gefährdet ist? Und dass dies eine echte Gefahr darstellt, schreibt auch das Portal „GIS-ImmoRisk Naturgefahren“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR): „Naturgefahren wie Sturm, Hagel oder Starkniederschlag führen in Deutschland bereits jedes Jahr zu Sachschäden an Gebäuden in Höhe mehrerer Milliarden Euro. Zudem nimmt gerade in Städten die Belastung durch sommerliche Extremhitze zu.“
Daher richte ich diesen Appell an Gebäudeplaner, Immobilienbesitzer und Investoren: Klimaresilienz ist also beileibe kein „Nice-to-have“, sondern vielmehr ein „Must-have“ – aus Schutzgründen, aber letztlich auch, um sich vor wirtschaftlichen Verlusten abzusichern.
Ihr Thomas Reuter
thomas.reuter@cci-dialog.de
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Genau, dass ist das Problem. Wir haben viele Gesetze und Verordnungen und keiner hat aber daran wirklich ein Interesse!!! Vielen Dank für die Wortmeldungen.
Mit gutachterlichem Gruß
Olaf Mayer(SV)
Ein Bauphysiker berichtete, dass er über 300 sommerliche Wärmeschutznachweise durchgeführt hat. Nicht einmal haben die Bauämter Unterlagen der Berechnung angefordert oder irgendetwas nachgefragt. In einigen Bundesländern muss man nur ein Kreuz beim Antrag machen, dass der sommerliche Wärmeschutznachweis erfüllt ist.
Bei der Berechnungsmethodik der DIN 4108-2 aus dem Jahre 2013 ist es allerdings auch verständlich, dass die Ergebnisse nicht sehr aussagekräftig sind. Es wird dabei zwischen Wohngebäude und Nichtwohngebäude unterschieden. Für Nichtwohngebäude wird eine standardisierte Nutzung und innere Wärmegewinne angenommen, die eher nur mit Bürogebäude vergleichbar ist.
Eine Überhitzung in Form einer max. operativen Temperatur wird nicht ausgegeben und gefordert. Bei den geforderten Übertemperaturgradstunden aus der thermischen Gebäudesimulation geht diese Information verloren. Die verwendeten Klimadaten beziehen sich auf den Beobachtungszeitraum 1988-2007, gelten nur für 3 Orte in Deutschland und stellen ein mittleres Jahr dar. Wie sich das sommerliche Klima von 2015-2022 verändert hat und wie unterschiedlich es in den einzelnen Bundesländern ist, zeigt meine Auswertung der Klimastatusberichte des DWD auf meiner Homepage http://www.cse-nadler.de „Klimatologische Kenntage in Deutschland für die Sommer 2015-2022“.
Daher kann ich nur empfehlen, dass die TGA-Fachplaner eine Berechnung und Beratung des Bauherrn bezüglich Überhitzung der Räume vornehmen. Zumindest wäre eine Bedenkenanmeldung zu erwägen, wenn nicht ohnehin gekühlt werden soll. Eine erhöhte Nachtlüftung mittels Lüftungsanlage in nicht genutzten Räumen wäre schon ein Ansatzpunkt.
Norbert Nadler
Hallo Herr Reuter, bezüglich sommerliche Extremhitze sollte die DIN 4108-2 Abschnitt 8 eine Überhitzung der Räume verhindern (s.a. GEG §14). Dazu müsste aber projektspezifisch gerechnet werden und vor allem mit zukünftigen Klimadaten für extrem heiße Sommer am Projektort. Weiterhin müsste der sommerliche Wärmeschutznachweis nach dieser Norm von den Bauämtern ernster genommen werden.
Beste Grüße
Norbert Nadler