Für Ausgabe 07 von cci Zeitung (erscheint morgen) habe ich eine Anbieterübersicht über dezentrale Schullüftungsgeräte erstellt. Voraussetzung für die Aufnahme in der Liste war eine Mindestluftleistung gemäß VDI 6040 „Raumlufttechnik-Schulen“. Diese gibt als Minimum 30 m³/h Außenluft pro Schüler an, damit 1.000 ppm CO2 im Raum als Höchstgrenze eingehalten werden kann. Dieser Wert dürfte ja auch für Messehallen zutreffen, oder?
Immer wieder schreiben wir über das Thema Mindestaußenluftvolumenströme. Aber gibt es eigentlich auch einen „Deckel“ für Höchstwerte, also „Maximalaußenluftvolumenströme“? Denn das Motto „Viel hilft viel“ kann zutreffen, führt aber in der Lüftungstechnik zu einem viel zu hohen Energieverbrauch. So war am 12. Mai auf cci-dialog.de eine Studie zu Luftqualitätsmessungen in Messehallen zu lesen.
Die Verläufe der CO2-Konzentrationen über einen Messetag bei der Indoor-Air zeigen bei einer CO2-Konzentration der Außenluft von etwa 400 ppm Werte zwischen rund 450 bis 550 ppm. Bei etwa 1.500 Besuchern inklusive Standpersonal errechnet die Studie aus den Werten einen Außenluftvolumenstrom von etwa 280 m³/h pro Person.
Ich meine, dass man nicht um jeden Preis (auch wenn es hier um das sensible Thema Infektionsschutz ging) Luft ohne Ende in ein Gebäude hereinpumpen muss. Es geht ja nicht darum, so wenig ppm wie möglich im Raum zu erreichen. Aber das Thema „gärt“ in der LüKK. Auch beim TGA-Wirtschaftsforum Anfang Mai ging es um notwendige höhere Luftmengen zur Minderung des Infektionsrisikos in Schulen: 75 m³/h pro Schüler!
Nun liegen mehrere Werte in der Waagschale. Konventionell 30 m³/h Außenluft für Schüler, erhöht 75 m³/h (ein Wert, der sich ohnehin erstmal durchsetzen muss) sowie „unverschämt“ hohe Werte in Messehallen bis zu 280 m³/h pro Person. Verrückt. Ich wäre ja schon froh, wenn man 50 m³/h Außenluft anpeilen und auch wirklich dauerhaft über Monitoring nachweislich halten würde.
Herzliche Grüße, Sabine Andresen
cci176242
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Sehr geehrte Frau Andresen,
ich habe eine Weile erst einmal Ihre Zeilen setzen lassen und überlegt, ob ich hier ein Statement abgebe oder lieber das ganze weiter stillschweigend verfolge. Doch dann musste ich mich doch dazu äußern:
Seit inzwischen mehr als 16 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Schullüftung. Habe hier sehr viel positives gesehen und erlebt. Leider noch mehr negative Akzente und Seiten. So erfuhr ich bis zum Jahr 2020 (irgendwie schien da ein Umdenkprozess erfolgt sein … was war wohl der Grund?) oftmals eine Abfuhr und die Lüfungsansätze und -lösungen wurden zugunsten geöffneter Fenster und repräsentabler Fassaden oder abstrakter Schulhofkunstwerke renommierter Künstler aus der Planung gestrichen. Die Begründung: Kein Geld.
Nun scheinen wir auf einem guten Weg zu sein und mit den 30 m2/h und Schüler bzw. der Mindestanforderung der Corona-Förderrichtlinie aus 2021 mit 25 m2/h und Schüler wurde ein fundierter Kompromiss gefunden und aktuell tausendfach umgesetzt. Meine, auf die Projekte bezogenen Berechnungen mit einem seit 16 Jahren bewährten, mit wiss. Unterstützung entwickelten CO2-Simulationsprogramm (das Programm aus Niedersachsen aus dem Jahre 2003 verfeinert & erweitert) haben bei diesen Volumenströmen stets Verläufe unterhalb von 1.000 ppm ergeben. Diese wurden dann auch in der Praxis, bei div. Monitoringaktivitäten, dahingehend bestätigt. Erweisen sich also demnach als ausreichend und in der Praxis tauglich.
Dieser Volumenstrom ist händelbar. Sowohl bezüglich den Behaglichkeitskriterien, dem erforderlichen Einbauraum, Fassadenanschlüssen für die Luft, Anlagenschalldruckpegel etc. Und, ganz wichtig: bezüglich Investitions- und Betriebskosten.
Dass diese fachlich-technische Basis nun so akzeptiert und angenommen wird, bestätigt auch die Praxis. Immer mehr Projekte, welche sich für die nächsten Jahre in der Planung befinden, Schulneubauten wie auch Erweiterungen und Sanierungen bauen darauf auf und lassen erkennen, die Lüftung ist in diesem Bereich angekommen und wird zukünftig ein integrierter Baustein im Schulbau sein.
Da wäre es kontrapoduktiv, über zwar wünschenswerte und auch bezüglich der Lufthygiene bessere, höhere Volumenströme von 50/ 75 m2/h und Schüler zu diskutieren und Druck aufzubauen bzw. die Nutzerseite (Schüler:innen/ Eltern/ Lehrer:innen/ Schulträger/ Verwaltungen) zu verunsichern. Uns allen ist bewusst, das jeder Kubikmeter mehr an Luftvolumenstrom auch höhere Kosten und ein Mehr an Aufwand zur Sicherung von Behaglichkeit, Einhaltung der Raumschallpegel etc. erfordert und insbesondere auch mehr Einbauraum. Dies könnte dazu führen dass die jetzt erreichte Akzeptanz von Lüftungslösungen in Bildungseinrichtungen wieder zu kippen droht und wir hier statt einen Schritt vorwärts wir ganze 3 Schritte zurück in die Vergangenheit machen werden.
Das wäre nicht zielführend. Das bitte ich doch zu bedenken.
Ihr Ralph Langholz
Hanau (Hessen)
Sehr geehrter Herr Langholz,
ich möchte auf Ihrem Kommentar insofern antworten, dass Frau Andresen nicht nur die Schullüftung meinte. Aber auch dort sehe ich einen Unterschied der pauschalen volumenstrombasierten Auslegung zur bedarfs- und projektbezogenen Auslegung nach CO2.
Im Paket für MindLW ist als Beispiel auch ein real gebauter Klassenraum enthalten. MindLW berechnet für 30 Schüler auf
69 m² Fußbodenfläche mit 3 m lichter Höhe für eine Unterrichtszeit von 45 min 467,2 m³/h (15,6 m³/(h Pers.)) für die Jahrgangsstufe 1-4 nach VDI 6040-2 (1000 ppm im Mittel). Für die Jahrgangsstufe 5-13 ergibt sich 677,7 m³/h
(22,6 m³/(h Pers.)). Der Unterschied zwischen diesen beiden Schularten beträgt also schon ca. 31 % weniger Volumenstrom in Grundschulen. Möchte man coronabedingt für 800 ppm im Mittel einer Unterrichtseinheit auslegen, ergibt sich ein Unterschied von ca. 23 %.
Bei diesen Beispielen wurde vorausgestzt, dass in den Pausen derart gelüftet wird, dass sich die CO2-Außenluftkonzentration einstellt, z.B. mit Fensterlüftung. Außerdem wurde das Volumenstrommaximum zwischen Schadstoffabfuhr und CO2-Abfuhr gewählt, da mit einem Volumenstrom beide Arten gleichzeitig abgeführt werden.
Die mathematische Grundlage für MindLW ist die Gleiche, wie das von Ihnen angesprochene Simulationsprogramm https://deu01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.co2-modell.nlga.niedersachsen.de%2F&data=05%7C01%7Cvolker.jochems%40cci-dialog.de%7Cae77127ebb9841d2bdbc08da4df9b7a1%7Ca12f4b1ecbf24dc18c26ad6c35ca7317%7C0%7C0%7C637908032160570178%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=bCD9x45aHEV1Y8CLkHeOgCFX40y8gP35wdcRPyEbBFs%3D&reserved=0. Als CO2-Abgaberate wurde hier nur die Angabe aus der VDI 6040-2 verwendet.
Ich bin auch der Meinung, dass der Bauherr ein Recht darauf hat, dass eine individuelle Planung zu erfolgen hat und dass soweit möglich auf pauschale Annahmen verzichtet werden sollte. Bei den pauschalen Vorgaben haben die Hersteller oft einen großen Einfluss, woraus sich immer die Frage nach dem wirtschaftlichen Interesse stellt.
Mit freundlichen Grüßen
N. Nadler
Hallo Frau Andresen,
zu der volumenstrombasierten Auslegung bin ich der Meinung, dass diese „out“ ist. Eine Auslegung nach CO2 ist bedarfsorientierter, weil sie nicht nur die Emissionen der Personen sowie die Soll-CO2-Konzentration berücksichtigt, sondern auch im instationären Fall das Raumluftvolumen.
Einige Normen und Richtlinien (u.a. die DIN EN 16798-1 und die VDI 6040-2) geben ein CO2-Auslegungsverfahren an.
Besonders die im Bundesgesundheitsblatt 2018 61:239-248 veröffentlichte Empfehlung des Arbeitskreises Lüftung (AK Lüftung ) am Umweltbundesamt: „Anforderungen an Lüftungskonzeptionen in Gebäuden – Teil 1:
Bildungseinrichtungen“ macht hiervon Gebrauch. Die Einhaltung dieser Empfehlung verlangt hier in Brandenburg das Bauordnungs- und/oder das Gesundheitsamt beim Neubau von Schulen. Die Empfehlungen gelten auch für Kindertagesstätten.
Leider werden in einigen Bundesländern diese Empfehlungen nicht vorgeschrieben. Wie mir berichtet wurde besonders in Sachsen beim Neubau von KITAs.
Wer nicht selber rechnen will, kann mein kostenloses Tool „MindLW“ (s. https://deu01.safelinks.protection.outlook.com/?url=http%3A%2F%2Fwww.cse-nadler.de%2F&data=05%7C01%7Cvolker.jochems%40cci-dialog.de%7C730bacbd106f409e91d708da49f9e98c%7Ca12f4b1ecbf24dc18c26ad6c35ca7317%7C0%7C0%7C637903634951033585%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=MVonI17wdrHcf6txxMqx12rVSWcsw6jmy4jC4cHtSZg%3D&reserved=0) benutzen. Hier wird neben der Belegungszeit des Raumes auch das Möblierungsvolumen berücksichtigt, da es am Luftaustausch nicht teilnimmt. Das Möblierungsvolumen wirkt sich auch im stationären Fall aus, wenn man z.B. die von MindLW errechnete Luftwechselzahl für die Eingabe in ein Heizlastprogramm übernimmt.
Zu Ihrem letzten Satz hätte ich auch noch eine Anmerkung. Wozu Monitoring? Normalerweise wird doch geregelt, z.B. nach CO2. Die Auslegung betrifft doch nur die Investitionskosten, den Platzbedarf, die Wartung und die Regelstabilität.
Beste Grüße aus Oranienburg
Norbert Nadler
Sehr geehrte Frau Andresen,
Sie sprechen mir aus der Seele. Hier wird eine Energieverschwendung seines gleichen Betrieben, aber kein „Experte-/in“ merkt es. Gott sei Dank, dass es eine Redakteurin gibt, die sehr wichtige Fragen stellt. Chapeau Frau Andresen.
Ohne Diskussion geht es auch zur Lösung unserer Branche in Klassenräumen mit „Luftreinigern“ zu, die ja zur „Minderung des Infektionsrisikos in Schulen“ beitragen sollen. Scheinbar beachtet niemand, dass bei den empfohlenen hohen Luftwechselraten auch Schallpegel eingehalten werden müssen. Nur erreichen unsere „Luftreiniger“ die empfohlenen hohen Luftmengen nur mit Schallpegel im Klassenzimmer bei ca. 60 dB(A). Was macht man also? Antwort: Man lässt die Geräte mit viel geringerer (ca. die Hälfte) Luftleistung laufen, damit der Schallpegel unter 40 dB(A) sinkt und unsere Kinder noch lernen können. Diese reale Umluftmenge führt, dann natürlich nicht, wie in Studien analysiert und empfohlen zur „Minderung des Infektionsrisikos in Schulen“. Hier gibt es eine große Differenz zwischen Theorie und Praxis.
Und der Gipfel des Unverständnisses sieht dann auch noch vor, dass die Kinder Masken in den „Virenfreien“ Klassenräumen tragen, die zu mittleren CO2 Konzentrationen nach 3 min von 13.000 ppm unter der Maske führen. Siehe die Studie im peer reviewten Journal JAMA der American Medical Association. Die hohen CO2 Konzentrationen kann jeder der ein geeignetes Messgerät hat auch selber nachmessen.
Bitte erkläre man mir die Logik? In einer „Best“ gereinigten Luftumgebung zu sitzen, um eine Maske zu tragen, die dann zu unverantwortlich hohen CO2 Konzentrationen mehr führt. Könnten wir hierrüber bitte frei diskutieren? Wofür setzt sich eigentlich unsere Branche ein?
Ich freue mich über konträre Meinungen, denn ich lerne gerne dazu.