„Nachhaltigkeit ist viel mehr als die CO2-Bilanz“

(Abb. © cci Dialog GmbH)
Energieeffizienztag von Ziehl-Abegg in der Fassfabrik in Schwäbisch Hall (Abb. © cci Dialog GmbH)

Rund 130 Teilnehmer sind am 29. Juni zum 4. Energieeffizienztag von Ziehl-Abegg in die Fassfabrik nach Schwäbisch Hall gekommen. Der Ventilatorhersteller hat die Veranstaltung unter das Motto Retrofit gestellt. cci Branchenticker war dabei.

Warum der Ersatz alter Ventilatoren durch solche neuer Bauart ein großer Gewinn ist, machte Günther Mertz als Moderator des 4. Energieeffizienztages der Ziehl-Abegg SE, Künzelsau, gleich bei der Begrüßung der Gäste deutlich. Der frühere Vorsitzende des Fachverbandes Gebäude-Klima (FGK), Ludwigsburg, erklärte: „Das Retrofit der Ventilatoren, der in Deutschland verbauten rund 400.000 Klimaanlagen und 600.000 Kälteanlagen, birgt ein Einsparpotenzial von rund 12 TWh elektrischer Energie und damit von etwa 12 Mio. t CO2 pro Jahr.“ Doch der TGA fehle es an politischen Leitplanken, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sei verkommen zu einem „Heizungsgesetz“, stimmte Merz die Teilnehmer mit einem Blick auf Berlin auf die vor ihnen liegenden Stunden ein.

Das ganz „große Bild“ der aktuellen Lage hat anschließend Dr. Sascha Klett, Vorstand Technik bei Ziehl-Abegg, gezeichnet und dabei erklärt: „Nachhaltigkeit ist viel mehr als die CO2-Bilanz.“ Diese sei vielmehr eine Messgröße, um Fortschritte quantifizieren zu können. Bezogen auf Produkte ordnete er diese als nachhaltig ein, wenn sie kreislaufoptimiert sind. Für die Zukunft sieht Klett großes Potenzial in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz – weit über Zustandsdiagnosen von Ventilator-Wälzlagern hinaus. Allerdings müsse dafür „eine digitale Kompetenz im Umgang mit Fehl- oder Desinformationen geschaffen werden“, zitierte der Technik-Vorstand den Geistes- und Sozialwissenschaftler Prof. Dirk Helbing von der ETH Zürich. Doch eines der Probleme heute sei, dass Projekte von Budgets dominiert würden, nicht von Missionen. „Das war bei der Mondlandung anders“, konstatierte Klett.

Zukunftsfähige Wärmekonzepte für die Ertüchtigung einzelner Gebäude, ganzer Quartiere und der Industrie hat Dr. Harald Drück, Koordinator Forschung und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (ITGE) der Universität Stuttgart, vorgestellt. Deren Charakteristika fuße auf fünf Säulen: erneuerbare Energien, Energiespeicher als integraler Systembestandteil, Sektorkopplung, Lösungen zentraler und dezentraler Art sowie dem Einsatz von Hybridtechnologien. „Ganz wichtig sind dabei thermische und elektrische Speicher, um erneuerbare Energien 24/365 bereitzustellen“, betonte Drück.

Wie das Retrofitting einer Lüftungsanlage in der Praxis aussehen kann, stellte Andreas Neumann, Technischer Leiter der Alb-Donau-Klinikum in Ehingen bei Ulm vor. Verantwortlich für 160 „teils sehr alte“ Lüftungsgeräte mit insgesamt rund 1,0 Mio. m³/h Luftvolumenstrom bewege er sich permanent im Spannungsfeld zwischen Energieeffizienz und Versorgungssicherheit. Um Ersatz für die Vielzahl unterschiedlicher Motoren und Ventilatoren als kritische Komponenten selbst auf Lager legen zu können, hat sich Neumann zum Ziel gesetzt, nur noch maximal zehn verschiedene Ventilatortypen zu betreiben. „Die weichen dann zwar teils vom optimalem Betriebspunkt ab, jedoch fallen die dadurch höheren Energiekosten deutlich weniger ins Gewicht als die Vorteile bei der Versorgungssicherheit.“ Bei der Wirtschaftlichkeit seien jedenfalls nur tolerierbare Abstriche zu machen.

Das neue „Qualitätssiegel Raumlufttechnik“ ist zwar nur für komplett neue Anlagen vorgesehen, wurde den Teilnehmern aber aus aktuellem Anlass vom Optimierungsdienstleister Detlef Malinowsky, Geschäftsführer der IBDM GmbH in Riemerling bei München, vorgestellt. Da effiziente Komponenten allein noch keine effizienten RLT-Anlagen machten, erfolge der damit verbundene Qualitätssicherungsprozess in drei Stufen: Entwurfsqualifizierung, Installationsqualifizierung und Betriebsqualifizierung. Letztere über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, „besser einen Sommer und einen Winter“, wie Malinowsky ergänzte. Die Vergabe des Siegels erfolgt durch einen unabhängigen Dritten, der nicht an der Planung oder Inbetriebnahme beteiligt, jedoch als prüfendes Unternehmen mit der Betriebsqualifizierung beauftragt sein darf. „Da die meisten Neuanlagen bestenfalls funktional in Betrieb genommen werden und erst recht kein energetisch optimierter Betrieb der Neuanlagen umgesetzt wird, ist der Energieverbrauch in den Folgejahren deutlich höher als notwendig. Mit dem vorhandenen Einsparpotenzial könnte also ein Gütesiegel für Raumlufttechnik leicht finanziert werden“, so Malinowskys Fazit.

Weitere Themen der Veranstaltung waren die Nachrüstung der Luftverteilung in Produktionshallen, die Vernetzung der Energieströme in einer Lackiererei und Wasserstoff als Baustein für energieautonome und CO2-neutrale Gebäude sowie die Kombination einer RLT-Anlage mit einer Wärmepumpe und die künftige Bereitstellung von Primärenergie. Zum Abschluss des Tages bestand die Möglichkeit von Betriebsführungen durch die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die örtlichen Stadtwerke.

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