Gastmeinung: Begriffs-Wust und RLT-Kauderwelsch

Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-Klima (FGK)
Günther Mertz (Abb. © BTGA)

In cci Zeitung 11/2020 hatte der von mir sehr geschätzte Prof. em. Dr.-Ing. Achim Trogisch den wahrlich löblichen Versuch unternommen, im „Begriffswirrwarr rund um Klimaanlagen“ die dringend erforderliche Ordnung reinzubringen. Hoffen wir, dass seine sehr guten Vorschläge und Darstellungen wenigstens in der Fachwelt Einzug finden. Richtig chaotisch wird es, wenn in der allgemeinen Öffentlichkeit über Raumlufttechnische Anlagen berichtet wird.

Außenluftanlagen, Umluftanlagen, Lüftungsanlagen, Klimaanlagen mit Außen- und/oder Umluftbetrieb, Raumklimageräte, Umluftkühlgeräte, Einzelraumklimaanlagen, Sekundärluftgeräte – die vielfältigsten Termini touren durch die Landschaft, ohne dass immer gleich deutlich wird, welche technische Lösung gerade zur Debatte steht. Mitte Oktober forderte das Umweltbundesamt (UBA) in einer Nachrichtensendung den Einbau von „Wärmetauschanlagen“ in Schulen, gemeint waren wohl Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung.

Nun könnte man sich entspannt zurücklehnen und über dieses Begriffschaos schmunzeln. Doch was als leicht zu verharmlosende Unkenntnis technischer Begriffe in der Öffentlichkeit für Auswirkungen auf unser Branchenimage haben kann, das zeigte überdeutlich der Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies. Tatkräftig unterstützt durch einen allseits bekannten Bonner Hygiene-Professor wurden die Kälteanlagen des Schlachtbetriebes gleichgesetzt mit Split-Geräten, Umluftanlagen in Hotels und Klimaanlagen in Büros. Damit wurde mit einem Schlag eine facettenreiche Technik pauschal verdammt.

Ob die seltsamen Vorgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in der Arbeitsschutzregel bezüglich des Betriebes von Raumklimageräten wohl auch auf diese Tönnies-Begriffsverwirrungen zurückgehen? Denkbar. Die Branche und die sie repräsentierenden Verbände sind gefordert, in der derzeit hochsensibilisierten Öffentlichkeit mit klaren und einfachen Termini und Darstellungen aufzuwarten. Es wurde erkannt, dass die Lüftungstechnik nicht das Problem, sondern ein wesentlicher Problemlöser in Sachen Corona ist.

Diesen Fakt – eine solche Steilvorlage gab es für die Lüftungstechnik noch nie – dürfen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht kaputtreden. Ein vieldiskutierter Ansatz ist, alles, was mit RLT zu tun hat, in der Öffentlichkeit als „Frischluftanlage“ zu kommunizieren. Vielleicht noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber zumindest ein Terminus, der das impliziert, was wir zum Ausdruck bringen wollen und müssen. Und, nebenbei, auch in Fachkreisen sollten wir Klartext reden. Ich weiß nicht, ob die Unterscheidung zwischen Umluft und Sekundärluft durchgängig präsent ist und richtig verwendet wird.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Dienstag!
Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-Klima (FGK), Hauptgeschäftsführer des Bundesindustrieverbands Technische Gebäudeausrüstung (BTGA), Geschäftsführer des Herstellerverbands RLT-Geräte, Bietigheim-Bissingen

cci119919

3 Kommentare zu “Gastmeinung: Begriffs-Wust und RLT-Kauderwelsch

  1. Auch ich bemühe mich seit Jahrzehnten sowohl im Rahmen der deutschen und europäischen Normung als auch über meine Buchveröffentlichungen zur Wohnungslüftung, Ordnung in den angesprochenen Begriffs-Wirrwarr zu bringen.
    Beim DIN wurde vom Beirat des NHRS am 19.01.2011 der neu gegründete Terminologie-Ausschuss NA 041-01-70 AA mit der Vereinheitlichung der Terminologie innerhalb des gesamten DIN-Normenausschusses Heiz- und Raumlufttechnik (NHRS) beauftragt. In dem neu gegründeten Normausschuss arbeite ich seit Anbeginn mit. Einer der Gründe für die Neugründung war auch die nicht befriedigende, seit 2005 aber geltende DIN EN 12 792 „Lüftung von Gebäuden „Symbole, Terminologie und graphische Symbole“ durch eine neue DIN-Norm zu ergänzen bzw. zukünftig vielleicht auch zu ersetzen. Im Mai 2018 resultierte daraus ein entsprechender Normentwurf E DIN 4749 „Lüftung von Gebäuden – Symbole, Terminologie und graphische Symbole“. Leider stagniert die (Weiter-)Arbeit nunmehr seit mehr als zwei Jahren.

    Meinem 2000 erschienenen Buch „Kontrollierte Wohnungslüftung“, seit 2011 als „Wohnungslüftung – frei und ventilatorgestützt“ (die 4. Auflage erscheint in Kürze beim Beuth-Verlag), habe ich von Anfang an zudem immer auch einen Abschnitt „Begriffe“ vorangestellt. Die versprochene Wirkung ist weitgehend ausgeblieben. Insofern kann ich Herrn Merz nur recht geben, wenn er sagt: „Und, nebenbei, auch in Fachkreisen sollten wir Klartext reden.“ Solange Fachleute z. B. immer noch von „Wärme(aus)tauschern“ und „Wärmeisolation“ sprechen, „Lüfter“ sowohl für Ventilatoren als auch für Luftdurchlässe in der Gebäudehülle (einschließlich Fenster) benutzen und Fachfirmen am laufenden Band neue ‚Fach‘begriffe(?) kreieren, kann einem der überforderte „Otto Normalverbraucher“ nur leidtun.

    Heinz Ehrenfried, Hoppegarten (bei Berlin)

  2. Zum Thema „Frischluft“:
    Liebe Vorredner,
    der Begriff „Frischluft“ wird tatsächlich falsch gedeutet insbesondere wenn im Sommer die „frische Luft“ aus dem Kühler strömt, wie dies der schweizer Kollege auch ausdrückt. Da bei Rechtsstreitigkeiten oft auch die Begriffe falsch gedeutet werden, verwende ich Worte wie Außenluft und präziser „Außenlufterneuerung.“ (Manchmal ist die Luft in einem Innenhof zwar Außenluft aber „frisch“ ist diese nicht.) Trotzdem in der Regel ist aber die Lufterneuerung und Außenluftzufuhr die bessere Luft. Wegen der immer besser werdenden Wärmerückgewinnungsanlagen, sollte Umfuft möglichst wenig verwandt werden. Als „Raumluftkühler“ könnte ein Innengerät mit Umluft (und mit Menschen im Raum immer mit Filter) bezeichnet werden.
    Freundliche Grüße Reinhard Siegismund

  3. Auf die Gefahr hin, sich als (Deutsch-)Schweizer hier vielleicht unbeliebt zu machen (Deutsch ist unsere erste „Fremdsprache“ in der Schule):
    Auch bei uns gibt es diese Begriffsverwirrungen rund um die Gebäudetechnik (TGA), aber nicht erst seit Corona.
    Bereits die fehlerhafte Übersetzung von „Air conditioning“ im Zusammenhang mit der Legionärskrankheit führt seit Jahren dazu, dass Zeitschriften und andere Medien regelmässig behaupten, dass „Klimaanlagen“ ein Problem für die Nutzer seien im Zusammenhang mit Legionellen. Vermutlich wären da auch Raumklimageräte bzw. Direktraumbefeuchter gemeint, ansonsten sollten keine Legionellen-beladenen Wassertröpfchen aus einer Klimaanlage den Weg über die Zuluft zu den Raumnutzern gelangen (die Gefahr bei der Instandhaltung des Luftaufbereitungsgeräts ausgenommen).
    Den Vorschlag „Frischluftanlage“ erachte ich persönlich nicht als zielführend, versuchen wir doch seit Jahren im Normen- und Richtlinienwesen sowie im Unterricht, diesen bei Architekt*innen beliebten Begriff zu vermeiden. Bei uns in der Schweiz wird „frische“ Luft v.a. als „kühl“ interpretiert. Fördert dann eine RLT-Anlage (ohne Kühlfunktion) auch „frische“ Luft? Oder führt das dann nicht zu mehr Klagen, weil man den Leuten eine „Frischluftanlage“ versprochen hat, die aber bei warmen Aussentemperaturen auch warme Luft fördert?
    Achim Trogisch beschäftigt sich seit Jahren mit der Terminologie von TGA-Anlagen und ich schätze diese wichtige, meist „brotlose“ Arbeit, für die leider oft eine „Lobby“ fehlt. Das zeigt sich auch in der seit Jahren ruhenden Arbeit für die EN 12792. Es stellt sich die Frage, ob wir als Fachleute wirklich technische Begriffe (mit feinen, aber wichtigen technischen Unterschieden) für „Laien“ umformulieren müssen, oder ob das nicht zusätzlich zu Verwirrung führen würde.
    Als einfacher Patient wäre ich manchmal auch froh, wenn die Ärzte etwas „umgangssprachlicher“ formulieren würden, trotzdem wäre es medizinisch fatal, allem zwischen Hals und Bauch einfach „Brust“ zu sagen… 😉

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