Meinung: Dringend gesucht: Azubis

Florian Fischer, Geschäftsführer der cci Dialog GmbH (Abb. © cci Dialog GmbH)

Eine aktuelle Zahl der Bundesagentur für Arbeit bringt die Misere auf dem Ausbildungsmarkt auf den Punkt: Fürs neue Ausbildungsjahr gibt es derzeit fast doppelt so viele freie Ausbildungsstellen wie Bewerber.

118.000 jungen Menschen, die bis Juli noch nicht ihren erhofften Platz gefunden hatten, standen bundesweit 233.000 noch unbesetzte Plätze gegenüber. Zum Vergleich: Im Jahr 2010, kurz nach der Finanzmarktkrise, waren im Juli noch 166.000 Bewerber auf der Suche, aber nur 99.000 Plätze frei. Obwohl die Wirtschaft heute kaum weniger krisengeplagt ist, haben die Betriebe ihr Angebot an Lehrstellen nach dem Corona-Dämpfer wieder deutlich erhöht. Eine ganz wesentliche Ursache dafür ist neben dem demografischen Wandel das Ungleichgewicht zwischen den Schulabgängern, die es an die Hochschulen zieht und denjenigen, die eine Berufsbildung beginnen. Ich habe dieser Tage darüber ein sehr interessantes Interview mit Friedrich Hubert Esser, dem Präsidenten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) gelesen. Dieser befürchtet, dass allein schon aufgrund des Fachkräftemangels die politisch fest vereinbarten Transformationsziele wie der Bau von mehr Wohnungen oder die Umstellung auf erneuerbaren Energien scheitern werden. Mit der „Verkopfung der Bildung“ beklagt Esser den Umstand, dass das Ansehen von Berufen mit Kopfarbeit gestiegen ist und Berufe, die mit körperlicher Arbeit zu tun haben, im Ansehen leiden. Viele handwerkliche Berufsbezeichnungen empfänden junge Leute zudem „uncool“, sie passen nicht so recht in das Bild einer modernen Wissensgesellschaft.
Esser plädiert dafür, schon bei den Eltern anzusetzen, da viele ein Abitur und Studium für den Königsweg halten. Das ist natürlich falsch, „Handwerk hat goldenen Boden“, diese Redewendung hat nach wie vor Gültigkeit. Um frühzeitig die Weichen richtig zu stellen, plädiert Esser für die flächendeckende Wiedereinführung der schulischen Empfehlung für das Gymnasium. Ich schließe mich dieser Empfehlung voll und ganz an: Wir haben jetzt Sommerferien, bald geht das neue Schuljahr los und viele Kinder wechseln von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass wieder mehr Schüler die Realschulen besuchen. Um dies dann auch realisieren zu können, müssen Städte und Gemeinden natürlich auch das Angebot für diese Schulform erhöhen.

Wie ist Ihre Meinung dazu? Ich freue mich auf Ihre Kommentare und wünsche Ihnen allen noch eine schöne (Rest-)Ferienzeit!

Ihr
Florian Fischer
florian.fischer@cci-dialog.de

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3 Kommentare zu “Meinung: Dringend gesucht: Azubis

  1. Hallo Herr Fischer,

    um ehrlich zu sein bin ich nicht der Erfinder des Systems. Man muss einfach mal in unsere Nachbarländer schauen was die denn so machen und welche Probleme sie nicht haben. Das was ich geschrieben habe, wird so (oder ähnlich) in Österreich praktiziert. Ich habe mich vor einem Jahr mal mit dem Firmeninhaber von KEKELIT in Linz darüber unterhalten und scheinbar gibt es dort viel weniger Probleme mit den Lehrlingen. In Österreich gibt es eine Schulpflicht von 10 Jahren und dort ist das Letzte Jahr ein ganz klares „Berufsorientierungsjahr“. Es gibt dabei Richtungen wie Gastronomie, Handel, Dienstleistungen, Medizin, Handwerk etc.!
    Ich denke wir sollten Mal von unserem hohen Ross runterkommen und unsere Schule insgesamt auf den Prüfstand stellen. Wir haben zuviele Schüler die dem System nicht mehr folgen und irgendwo oftmals ohne Ausbildung unterkommen. Das können wir uns einfach nicht leisten, dafür ist unser Lebensstandard einfach zu hoch. Wir brauchen viele qualifizierte Handwerker die anpacken, denn eine Gastherme oder Wärmepumpe kann nur von einem Fachmann installiert und gewartet werden, das war früher mit einem Kohleofen anders aber das macht den Bedarf so groß und wichtig!

  2. Sehr geehrter Herr Fischer,

    ich habe ihren Artikel im cci Dialog gelesen und da Sie nach der Meinung gefragt haben wollte ich mich einmal dazu äußern.
    Dass es zu viele offene Stellen gibt ist für mich auf ein Versagen der Politik in den letzten Jahren zurückzuführen.
    Das grundlegende Problem ist, dass sich Arbeit in einigen Bereichen nicht mehr lohnt, wie Sie selbst schreiben!!
    Klar habe ich als Handwerker immer einen sicheren Job, der zugegeben auch nicht schlecht bezahlt wird – in etwa auch das Gehalt was nach einem guten Studium rausspringt…
    Aber: Mit spätestens 60 bin ich körperlich durch-und da über Rente mit 70 gesprochen wird, heißt das Abzüge im Alter.
    Wenn ich es also nicht aus Passion mache, dann absolviere ich doch lieber ein Studium und hocke im Büro und bin eben nicht bei 35°C 8h in der prallen Sonne. Oder-ich mache eben gar nichts, denn für Mindestlohn zu arbeiten-das machen die wenigsten-warum auch? Ich bekomme 160 h/Monat*12Euro…1900Euro circa…zahle Steuer-also habe ich noch 1300 Euro netto übrig.
    Da mache ich doch lieber Hartz 4, stelle mich dumm und bekomm 450Euro+Miete…bei aktuellen Mietpreisen hier in Süddeutschland sind das selbst auf dem Dorf locker mal 550 Euro…
    Sprich mir bleiben noch 300 Euro-für 160h Arbeit-mit der Fahrt dorthin und Pause…200h.
    Dazu kommt noch, dass ich dann Reparaturen etc. selbst zahlen muss, während arbeitsunwillige dies-nur anteilig-zahlen müssen.

    Was kann also helfen:

    1. Die Sozialleistungen ( Hartz 4-oder Grundeinkommen oder was auch immer geplant ist) so senken, damit sich Arbeit-egal welche!-auch wieder lohnt
    Beispiel:Jeder bekommt 500 Euro(oder Betrag x)-sonst nix und muss halt davon alles zahlen…

    2. Die Arbeit attraktiver machen (bei körperlicher Arbeit-Renteneintrittsalter senken-noch bessere Bezahlung-Wochenarbeitszeit runter)
    Die Differenz zu nicht arbeiten muss größer werden und die Differenz zum Ausland…z.B. Schweiz Frankreich, Italien…kleiner-(Ja Lebenshaltungskosten sind höher aber nicht in diesem Maße)

    3. Ja Gymnasium und dann muss man studieren-dies ist leider in vielen Köpfen so, da stimme ich zu

    Diese 3 Punkte müssten in meinen Augen angegangen werden. Leider sehe ich aktuell kein Umdenken bei den Entscheidungsträgern…
    Zudem noch ein Punkt von mir…ich habe Ingenieurswesen studiert und arbeite nun im Büro, habe jedoch Ferienarbeit jedes Jahr selbst auf dem Bau gemacht.
    Damit die Diskussionen auch nicht losgehen…ja es gibt nicht nur die, welche nicht arbeiten wollen und 200 Euro im Monat für Alkohol und Zigaretten ausgeben, sondern auch Leute die aus diversen Gründen nicht arbeiten können und sich in ihrer Zeit für die Gesellschaft einsetzen. Doch in meinen Augen sind diese die Minderheit.

    Mit freundlichen Grüßen

  3. Handwerkliche Berufe haben ein massives Imageproblem. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig und einer der wichtigsten dürfte das Einkommen sein. Tatsächlich war es früher oft so, dass im Handwerk oft weniger Geld verdient wurde als in studierten Berufen. Dem ist aber wohl schon länger nicht mehr so. Die Einstiegsgehälter von Bachelor-Absolventen dürften sich kaum von denen unterscheiden die eine Lehre gemacht haben. Und bis zum Ende der Ausbildung hat ein Student kein Einkommen, sondern belastet entweder die Eltern oder bekommt Bafög was er zurückzahlen muss. Der Lehrling hingegen hat diese Jahre bereits ein Einkommen erzielt. Was vielen auch nicht klar sein dürfte, ist der enorme Erfahrungsschatz den ein gelernter Handwerker hat. Diesen kann und wird er ja auch privat einsetzen. Wo andere Handwerker beauftragen müssen, packt der Handwerker selbst an und meistens kennt er auch Handwerker aus anderen Bereichen die ihn unterstützen können.
    Und wenn ein Handwerker den Ehrgeiz hat sich weiterzubilden, dann kann er entweder den Techniker oder Meister erwerben, was ihn dazu befähigt einen Betrieb zu führen und dann dürfte sich die Einkommensfrage nicht mehr stellen.
    Wie modern und wie hoch die Anforderungen an einen Handwerksberuf sind, ist vielen Jugendlichen doch überhaupt nicht bewusst, woher auch, sie wurden in der Schulzeit ja nie mit diesen Anforderungen konfrontiert!
    Die Eltern zu einem Umdenken zu bewegen wäre der richtige Weg, wird aber schwierig sein umzusetzen. Ich würde in den Köpfen der Schüler ansetzen. Um dort ein Umdenken zu erreichen, würde ich mir eine Schule wünschen, die im letzten Schuljahr eine Ausrichtung der zukünftigen Berufswahl vorsieht und dann ein entsprechend angepasster Unterricht mit praktischen Elementen und mehrere mehrwöchige Praktikas (9-12 Wochen insgesamt) in entsprechenden Betrieben vorsieht. Dies hätte den Vorteil, Schüler müssten sich mit ihrer Zukunft beschäftigen. Zudem würde der eine oder andere Schüler sich umorientieren und statt eines Studiums eine Lehre beginnen. Für die Betriebe hätte es den Vorteil, dass Lehrlinge bereits Vorkenntnisse mitbringen, im Idealfall ausbildungsfähig die Lehre beginnen. Und vielleicht verhindert man damit auch so manchen Studiumabbrecher.

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