Meinung: Flexible Konzepte statt starrer Ausbildungspläne

Peter Reinhardt (Abb. © cci Dialog GmbH)
Peter Reinhardt (Abb. © cci Dialog GmbH)

Das aktuelle Schuljahr neigt sich dem Ende zu. Aber hat schon jeder Abgänger entschieden, wie es weitergeht? Wenn es so läuft wie in den letzten Jahren, wahrscheinlich nicht. Andererseits suchen Betriebe händeringend nach Auszubildenden. Doch die Schüler zieren sich zunehmend. Ist es die Ausbildungsdauer von dreieinhalb Jahren die abschreckt? Das ließe sich ändern.

Der Bundesinnungsverband des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks (BIV) wurde unlängst für seine Nachwuchskampagne „Der coolste Job der Welt“ ausgezeichnet (siehe cci249112).
Glückwunsch dafür! Zwar gefallen mir nicht alle Motive, doch sie erfüllen ihren Zweck: Die polarisierenden Plakate fallen auf. Das mag die Betriebe bislang nicht von Fachkräftemangel verschont haben, hat aber zumindest vor noch größeren Nachwuchssorgen bewahrt. Aber gutes Marketing ist das Eine, attraktive Ausbildungsbedingungen zu schaffen, ist das Andere. Da hat die Branche wie viele andere Handwerksberufe auch ein Problem. Denn dreieinhalb Jahre sind aus der Perspektive eines Schülers eine lange Zeit. Immer wieder werden daher Rufe nach einer Ergänzung des Berufsbildes um eine auf zwei Jahre verkürzten Ausbildungszeit laut, zuletzt auch auf der BIV-Mitgliederversammlung im Mai in Mainz (siehe cci203872).
Dafür gibt es nicht nur gute Gründe, sondern auch Beispiele aus anderen Bereichen. So hat – um nur eine Anregung zu geben – eine Fachkraft für Metalltechnik nach zwei Jahren Ausbildungszeit viele Optionen zur Weiterqualifizierung, beispielsweise zum Industriemechaniker. Warum das nicht auch auf den Mechatroniker für Kältetechnik übertragen? Die Branche braucht jeden Mann und jede Frau – notfalls auch nur mit einer Grundausbildung. Das ist besser als sie gar nicht zu bekommen oder zu verlieren. Denn auch das ist ein Problem der Kältetechnik. Die Durchfallquote ist dem Vernehmen nach eine der höchsten des Handwerks. So etwas spricht sich unter jungen Menschen rum – und schreckt ab.
Dann doch lieber nach zwei Jahren einen Schnitt machen und bei Eignung und Interesse weiterqualifizieren. Auch nach einer Zeit der vorrübergehenden Arbeitstätigkeit im Anschluss an die zweijährige Ausbildungszeit könnte noch die volle Ausbildung abgeschlossen werden. Dafür braucht es Anreize, finanzieller und organisatorischer Art, zum Beispiel die Ausbildung berufsbegleitend à la Masterstudium zu Ende zu bringen.
Bislang kaum zur Sprache gekommen ist der Umgang mit „High Potentials“. Ein Abiturient oder anderweitig vorqualifizierter Kandidat bringt (hoffentlich) bessere Voraussetzungen mit als ein Haupt- oder Realschüler. Der voll qualifizierende Berufsabschluss sollte also auch in kürzerer Zeit absolviert werden können. Was es dafür braucht, ist vor allem eines: die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege einzuschlagen. Starre Ausbildungspläne müssen flexiblen Konzepten weichen. Das ist mit sehr viel Arbeit in den Prüfungsgremien verbunden und geht gewiss nicht von heute auf morgen. Doch um den Fortbestand an Fachkräften zu sichern, muss sich die Branche bewegen. Das sollte allen Beteiligten die Mühen wert sein.

Ihr Peter Reinhardt
peter.reinhardt@cci-dialog.de

PS: Was meinen Sie zu diesem Thema? Antworten Sie gerne über die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag oder per E-Mail. Bei per E-Mail eingesendeten Kommentaren setzen wir Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung voraus. Vielen Dank!

cci249317

Ein Kommentar zu “Meinung: Flexible Konzepte statt starrer Ausbildungspläne

  1. Gut, dass die größte Herausforderung Erwähnung findet: alte Zöpfe und neue Wege! Das fordern viele bis alle, aber sobald die Schere nur ein Stückchen aus dem Etui genommen, oder mal abgebogen wird, macht sich Nervosität wegen zahlreicher neuer Konsequenzen breit. Wir alle kennen die Ausrufe: „Wo kommen wir denn da hin!?“ „Das geht mir alles viel zu schnell!“ „Das dauert mir alles viel zu lange und bringt doch eh nichts!“ „Da müssen sich die Hersteller drum kümmern!“ Motto: Lieber bekanntes Leid, als unbekanntes Glück. Hoffnung macht, dass das Bewusstsein zu diesem Thema medial/exponentiell zugenommen hat. Gut so, weiter so. Und den Anfang machen. Zöpfe und Scheren gibt es genug. Unglaublich, aber wahr: Es macht sogar Spaß.

Schreibe einen Kommentar