Aerosole sind nach aktuellen Erkenntnissen der Hauptübertragungsweg für das Coronavirus, insbesondere in Innenräumen. Eine speziell entwickelte Rechenscheibe der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) soll nun anzeigen, wie oft und wie lange Räume gelüftet werden müssen, um das Infektionsrisiko zu senken.
Mitgliedsunternehmen der BG Bau können den Lüftungsrechner ab sofort kostenfrei als analoge Drehscheibe anfordern oder als interaktive Version nutzen. Und so funktioniert sie: Nach Einstellung der entsprechenden Raumgröße in Kubikmetern (m³) sowie Anzahl der anwesenden Personen auf der Rechenschreibe lässt sich die richtige Lüftungsfrequenz ablesen. Das notwendige Lüftungsintervall kann jeweils für leichte, überwiegend sitzende sowie mittelschwere und schwere Tätigkeiten ermittelt werden. Neben der gedruckten Lüftungsscheibe gibt es auch eine digitale Version, mit der die Lüftungsintervalle online ermittelt werden können. Die Rechenscheibe kann unter www.bgbau.de/lueftungsrechner digital genutzt und auch zur haptischen Nutzung bestellt werden.
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Die Antriebskräfte der freien Lüftung sind bekanntlich durch Wind und thermischen Auftrieb verursachte Differenzdrücke, die jeweils auf Temperaturunterschieden beruhen: beim Wind diejenigen in der Atmosphäre und beim thermischen Auftrieb diejenigen, die in der erdnahen Zone zwischen dem Freien und dem erwärmten Gebäudeinneren auftreten. Die Wirksamkeit der freien Lüftung in Form der Realisierung eines bestimmten Außen-/Zuluftvolumenstroms bzw. eines (Außen-)Luftwechsels hängt aber nicht nur allein vom ungestörten Wind und vom thermischen Auftrieb ab. Eine Vielzahl weiterer Faktoren behindern oder begünstigen die freie Lüftung. Förderlich oder hinderlich können sich die Windrichtung (bzw. die Ausrichtung des Gebäudes zur Hauptwindrichtung), die Topografie des Gebäudeumfeldes als mögliche ‚Windbremse‘, die Außen- in Verbin-dung mit der Raumlufttemperatur sowie alle direkt mit der baulichen Gestaltung des Gebäudes zusammenhängenden Faktoren auf das Entstehen eines positiven (förderlichen) Differenzdrucks auswirken. Dessen Umsetzung in Luftvolumenstrom bzw. Luftwechsel ist wiederum abhängig von der Ausbildung der Gebäudehülle hinsichtlich der geplanten regulierbaren Öffnungen in ihr (z. B. auch geöffnete Fenster) sowie der nicht geplanten und deshalb auch nicht regulierbaren Undichtheiten einschließlich aller Arten von Fugen. Neben den zu planenden Gebäudehüllen- und Ab(luft)-Luftdurchlässen erlauben nur die manuell zu betätigenden Fenster als Einrichtungen zur freien Lüftung einen situativ regulierenden Eingriff durch den Nutzer (siehe auch HEINZ, EHRENFRIED: „Wohnungslüftung – frei und ventilatorgestützt“, Beuth-Verlag).
Um die von der Belastung der Raumluft, z. B. durch Aerosol- und CO2-Abgabe von Personen, abhängige jeweilige Lüftungsdauer einigermaßen zuverlässig ermitteln zu können, müssen demnach mindestens die folgenden Faktoren bekannt sein und in zugrunde zu legende Berechnungen oder auch nur Abschätzungen des zu erwartenden Luftwechsels einfließen:
• die am Gebäude jeweils wirksame Windgeschwindigkeit, abhängig von der geografischen Lage des Gebäudes, der Höhenlage des jeweiligen Raums im Gebäude einschließlich des Winkels, in dem der Wind an der Gebäudehülle luv- oder auch leeseitig wirksam wird und
• die jeweilige Temperaturdifferenz zwischen innen und außen einschließlich der wirksamen Höhe des nutzbaren Fensters.
Erschwerend wäre auch noch zu berücksichtigen, dass sowohl die Windkräfte als auch die Temperaturdifferenzen nicht stationär auftreten, sondern ständigen Änderungen unterworfen sind. Beim einzigen quasistationär auftretenden Zustand, nämlich Windstille und annähernde Temperaturgleichheit in länger anhaltenden sommerlichen Schönwetterperioden findet außerdem so gut wie kein Luftwechsel statt.
Mit den Einflussgrößen Raumvolumen, Personenanzahl und Art der Tätigkeit (Raumluftbelastung) lassen sich die vorgenannten Faktoren auf die Lüftungsintensität nur teilweise berücksichtigen. Und bezüglich der Jahreszeiten „Winter“ (kalt bis sehr kalt?), „Sommer“ (warm bis heiß?) oder „Frühjahr/Herbst“ (mäßig kalt bis mäßig warm?) ist anzumerken, dass es sie in dieser Form in zunehmendem Maße (Klimaproblematik) kaum noch gibt. Oder anders ausgedrückt: Die Jahreszeiten korrelieren nicht mehr mit den überbrachten temperaturmäßigen Erwartungen an sie. Der diesjährige kalendarisch festgelegte Winteranfang (21.12.2020 ff.) war z. B. gekennzeichnet durch deutschlandweit frühlingshafte Temperaturen. Es sollten deshalb auch besser messbar nachzuempfindende Temperaturbereiche und nicht unspezifizierte Jahreszeiten in die Berechnungen/Abschätzungen einfließen.
Fazit des Kommentators:
Aus derzeitiger Sicht ist es anzuraten, auch bezüglich nur einer Abschätzung von Lüftungsintervallen und -dauern mittels Öffnen von Fenstern, so lange noch die bekannten CO2-Messungen als Maßstab zugrunde zu legen, bis andere Verfahren messtechnisch (auch und besonders bzgl. einer Aerosol- und damit Virenbelastung) verifiziert worden sind.
Noch nachhaltiger in jeder Hinsicht wäre natürlich die Installation wirksamer Lüftungstechnik.
Ehrenfried Heinz
Hoppegarten, 23.12.2020
Alles richtig Herr Heinz,
das passte nur leider nicht alles auf die schlichte Pappscheibe. Die ist auch nicht für Profis wie Sie gedacht. Sie soll vielmehr dem Laien auf einfachste Weise klar machen, wie schnell (in Abhängigkeit von Raumgröße, Zahl der Personen und Arbeitsschwere) die CO2-Konzentration von (einem angenommenen Startwert nach dem Lüften in Höhe von) 500 ppm auf 1000 ppm angestiegen ist. Das ist die gute alte Pettenkofer-Zahl und noch immer der Wert, der nun während der Pandemie ganz sicher unterschritten werden soll.
Das ist schon alles. Die Zeitdauern für die Stoßlüftung bis zum einigermaßen vollständigen Luftaustausch (von angenommen 80%) ist der Arbeitsstättenregel ASR A3.6 entnommen. Mehr kann und soll die Scheibe nicht leisten.
Herzliche Grüße, Peter Rietschel, BGN