Die DIN EN 16798 Teil 1 „Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht“ soll die Nachfolgenorm der DIN EN 15251 „Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik“ werden. Ein aktueller Entwurf der DIN EN 16798 Teil 1, der bislang noch nicht veröffentlicht wurde, aber der Redaktion vorliegt, enthält eine neue Definition der Raumluftqualität auf Basis der CO2-Konzentration in der Raumluft (über dem CO2-Niveau in der Außenluft). Demnach sollen künftig im Vergleich zur DIN EN 15251 spürbar erhöhte CO2-Konzentrationen zugelassen werden. Einen Fachbeitrag zum Thema finden Sie unter der Artikelnummer cci37656.
Stellungnahmen unseer Leser finden Sie weiter unten.
Antworten der Leser
1.
Man kann sich nur wundern, welche Personen bzw. Personengruppe CO2-Werte von bis zu 5000 ppm für Klassenräume, Auditorien und Konferenzräume für zulässig erachten. Wer sind die Autoren, die diese Norm erarbeiten?
Das ist ein fatales und gänzlich falsches Signal, das von diesen kostengesteuerten Überlegungen ausgeht!
Sollen Kinder, Studenten und deren Lehrer in stinkender, stickiger und ungesunder Raumluft ihr Dasein fristen und somit eine dauerhafte Einbuße der Leistungsfähigkeit hinnehmen?
Klar ist die Botschaft, die dahinter steht – möglichst wenig Geld in Lüftungstechnik zu stecken. Schon das Zurückziehen des „Leitfadens zur Raumluftkonditionierung in Schulen“ durch die Berliner Senatsverwaltung zeigt dies deutlich.
Das UBA machte im Bundesgesundheitsblatt 2008 mit „Gesundheitliche Bewertung von Kolendioxid in der Innenraumluft“ in der Zusammenfassung deutlich, dass CO2-Konzentrationen über 2.000 ppm als inakzeptabel gelten. Dies sind Ergebnisse aus aus Bewertungen von Interventionsstudien der Ad-Hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden. In den Studien zeigte sich eine deutliche Zunahme von ZNS-Symptomen (ZNS = Zentralnervensystem), wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel und Konzentrationsschwäche, bei CO2-Konzentrationen über 1.500 ppm.
Warum also soll die zulässige Güte der Raumluft massiv verschlechtert werden?
Hermann Rietschel stellte schon vor über 100 Jahren klar, dass es in höchstem Maße gesundheitsschädlich sei, Tür- und Fensterfugen undurchlässig gegen Luft herzustellen, um einen Luftaustausch zu verhindern. Doch leider ist das Abdichten der Gebäude zu einem Politikum geworden und vom Gesetz her verordnet, wobei der Kompensation durch Lüftungsanlagen nicht derselbe Stellenwert beigemessen wird.
Es bleibt zu hoffen, dass die Fachverbände, Hersteller und Institutionen hier entsprechende Schritte einleiten, um den Entwurf vor Veröffentlichung zu ändern bzw. zu kippen.
Dipl.-Ing. (FH) Patric Opitz, LTZ – Zentrum für Luft- und Trinkwasserhygiene, 28.05.2015
2.
Diese Norm wird uns wieder auf einen Stand zurücksetzen, den wir in den 1970er Jahren schon hatten, als der Begriff des „Sick Building Syndroms“ aufkam.
Aus meiner eigenen Tätigkeit in der Normenarbeit weiß ich, dass mit der Vorgabe von Grenzwerten in einer Norm (z.B. CO2), die Norm den ihr gegebenen Rechtsrahmen überschreitet. Die Listung von Grenzwerten in einer Norm widerspricht dem europäischen Rechtsrahmen, der Festlegungen zu Stärke für Expositionen von Personen dem betrieblichen Arbeitsschutz zuzuordnen sind und diese daher den nationalen Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten unterliegen (Artikel 153 AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Es gelten daher immer nationalen Grenzwerte, wie diese in Deutschland in den Arbeitsstättenregel ASR 3.6 vorgegeben werden. Warum Werte für zulässige Konzentrationen von CO2 in der Norm aufgeführt sind, ist für mich nicht erklärlich.
Nähere Auskunft über zulässige Inhalte in Europäischen Normen kann die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) in Sankt Augustin erteilen.
Georg Tale-Yazdi, Sachverständigenbüro, Schöneck, 28.05.2015
3.
Ich kann mich nur den beiden vorherigen Kommentaren anschließen – es wird alles, was seit Pettenkofer zu diesem Thema untersucht und zur Sicherung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Ergebnis festgelegt wurde negiert und
verworfen – seit den Veröffentlichungen von Pettenkofers Unter-suchungen 1864 galten 1.400 ppm bzw. 0,14 Vol-% als oberer Grenzwert der verträglichen CO-2 Konzentration und noch zur Erinnerung – es ist auch der Maßstab der „Riech- und Ekelstoffe“ – also zurück in die Steinzeit!
Dr.-Ing. Günter Bredenbeck, 28.05.2015
4.
Unglaublich. Diese Werte für zulässige CO2-Konzentrationen sind ein Armutszeugnis. Wie kann ein Normengremium wider besseren Wissens gesundheitlich höchst bedenkliche Werte zulassen?
Steht in dieser neuen Norm nicht die Gesundheit der sich im Gebäude befindlichen Personen im Vordergrund? Es ist meiner Ansicht nach schon seltsam, dass die zulässige CO2-Konzentration nach adaptierten und nicht adaptierten Personen unterschieden wird. Haben Personen, die sich länger in einem Raum befinden, kein Anrecht auf gesunde Luft? Es ist seit langem erwiesen, welche gesundheitliche Folgen zu hohe CO2-Konzentrationen haben. Und diese Konzentrationen sind unabhängig von Adaption. Haben die Normenmitglieder da vielleicht etwas verwechselt mit Adaption an Gerüche? Ebenso ist es unverständlich, warum schon in der bisherigen DIN EN 15251 die Grenzwerte abhängig von der Außenluftkonzentration gemacht wurden und dieses Prinzip nun in der neuen Norm übernommen wird. Haben Menschen in Großstädten kein Anrecht auf gesunde Luft am Arbeitsplatz? Normalerweise sollten Normen den Stand der Technik widergeben, dies trifft hier überhaupt nicht zu. Anscheinend wurden die technische und wirtschaftliche Entwicklung der CO2-Messgeräte sowie die praktischen Anwendungen mit bedarfsgeregelten Lüftungen überhaupt nicht berücksichtigt. Die Messgeräte sind heutzutage genauer, zuverlässiger, langzeitstabiler und um einiges günstiger als noch vor 20 Jahren. Es sollte heute eigentlich Standard sein, in Räumen mit veränderlicher Personenzahl nach CO2 bedarfsgeregelt zu lüften. Dass man damit Energie spart und Komfort erhält ist hinreichend erwiesen. Anstatt die Basis dafür zu liefern, verhindern die neuen Normen dieses Ziel. Aus unserer Sicht als Hersteller für Gebäudeautomation und Mess- und Regelgeräten setzt diese Norm ein fatales Signal. Statt konkrete und praktikable Werte erhält der Planer einen Freischein für schlechte Luft. Sobald der Entwurf erscheint, werden wir mit Sicherheit Einspruch einlegen.
Dipl.-Ing. Claudia Mayer, Sauter-Cumulus GmbH, 28.05.2015
Artikelnummer: cci38588
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