Energetische Sanierung in der Kritik

Viele Mieter sehen in der energetischen Gebäudesanierung in erster Linie ein Instrument der Gebäudeeigentümer, die Miete zu erhöhen oder Mieter zu vertreiben. Eine Studie des Berliner Mietervereins bestätigt diese Sorgen.

(Abb. © Kara/Fotolia.com) Anhand von rund 200 Modernisierungsankündigungen hat der Berliner Mieterverein in den Zeiträumen 2012 bis 2013 und 2015 bis 2016 die aufgewendeten Baukosten nach Art der Maßnahme sowie die Mietentwicklung nach der Modernisierung untersucht. Der durchschnittliche Mietenanstieg um 2,44 €/m² von 4,73 €/m² im Monat auf 7,14 €/m² bzw. absolut 186,37 € im Monat bedeutet – gemessen an der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete im Mietspiegel 2015 – einen Anstieg von fast 42 %.

Die Studie stellt auch fest, dass sich in den untersuchten Fällen trotz der energetischen Maßnahmen im Jahr nach der Modernisierung die Heizkosten nicht verringerten. Die Vermieter verlangten weiterhin die alten Vorauszahlungen, offenbar vertrauten sie der vermuteten Energieeinsparung nicht. Nur bei einer kleinen Fallzahl konnte anhand von Heizkostenabrechnungen vor und nach der Modernisierung die tatsächliche Verringerung des Energieverbrauchs ermittelt werden.

In der Kritik von Mieterorganisationen steht der mit dem Mietrechtsänderungsgesetz 2013 eingeführten Modernisierungs-Paragraph § 559 BGB, der die Mieterhöhungen bei energetischen Sanierungen und die Einschränkung der Mieterrechte legitimiert. Mieteraktivisten fordern die Abschaffung dieses Paragraphen. Es wird darauf verwiesen, dass der Paragraph gegen Urteile des Bundesverfassungsgerichts verstößt, wonach Vermieter und Gesetzgeber keine Regelungen treffen dürfen, die das Bestandsinteresse des Mieters gänzlich missachten oder unverhältnismäßig beschränken. Moniert wird, dass § 559 BGB letztlich nur die Mieter trifft. Dabei sind die Mieter nach einer Kasseler Untersuchung deutschlandweit nur zu 7 % an dem CO2-Ausstoß beteiligt.

Anfang 2015 sprach das Amtsgericht Pankow (Pankower Urteil) einer Mietpartei das Recht auf Wirtschaftlichkeit bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen zu. Aus dem Pankower Urteil:
„Die Beklagten haben … nicht die Dämmung der Fassade zu dulden … Erst nach ca. 20 Jahren würde erstmals die Umlage niedriger sein als die eingesparte Heizenergie. Da kann von einer modernisierenden Instandsetzung aber nicht mehr die Rede sein.“ Nach Auffassung des Gerichts können die Beklagten die Unwirtschaftlichkeit der Maßnahme „bereits im hiesigen Duldungsverfahren einwenden“.

Reiner Wild „Die Modernisierung ist aus dem Ruder gelaufen“, wird Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, in den Medien zitiert.

Artikelnummer: cci55063

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