Meinung: Berufliche Orientierung

Sabine Andresen
Sabine Andresen, sabine.andresen@cci-dialog.de (Abb. © cci Dialog GmbH)

Letzte Woche (22. April) verfasste ich für cci Branchenticker eine Meldung zum Thema Ausbildung im Handwerk und wurde an meine eigene Schulzeit erinnert.

Der baden-württembergische Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold bemängelte, dass die handwerkliche Ausbildung seitens der Politik nicht genug unterstützt werde. „Gerade mit Blick auf die politisch gewollten Klimaschutzmaßnahmen fehlen nach derzeitiger Hochrechnung 400.000 zusätzliche Fachkräfte in Deutschland. Das zeigt: Es braucht noch deutlich mehr Unterstützung auch der Politik“, führt Reichhold aus. Es fehle zum Beispiel an bezahlbarem Wohnraum für Azubis, außerdem sei die Finanzierung der Bildungsstätten des Handwerks nicht zukunftstauglich. 
Was er aber dann ansprach, erinnerte mich unter anderem an ein Gespräch, das ich in den 1990er Jahren mit meiner Tutorin in der gymnasialen Oberstufe führte, ich weiß gar nicht mehr, in welcher Klassenstufe ich mich befunden habe. Zehnte vielleicht? Jedenfalls gehörte zu den Gesprächen mit meiner Tutorin (meine Sportlehrerin) auch das Thema „berufliche Orientierung“. Und ich weiß noch ganz genau, wie ihre Reaktion war, als ich bemängelte, dass es offenbar nur um Studienmöglichkeiten geht: „Wer aufs Gymnasium geht, wird ein Studium machen, das ist doch klar. Zu Ausbildungsberufen gibt es hier keine Hilfestellung.“ Wer sich über Ausbildungsberufe beraten lassen wollte, musste zum Berufsinformationszentrum fahren und sich da durch irgendwelche Fragebögen (mit dem Ergebnis einer beruflichen Neigung: „irgendwas mit Menschen“) oder Karteikästen ackern. 
Ich hätte, ehrlich gesagt, gedacht, dass sich diese einseitige Beratung geändert hätte. Aber das scheint wohl nicht der Fall zu sein. Rainer Reichold fordert, dass die Berufsorientierung an den Schulen, vor allem an Gymnasien, verbessert und intensiviert werden müsse – weiter zu einer echten ergebnisoffenen Beratung, die eine individuelle Entscheidung in beide Richtungen ermöglicht – akademisch und beruflich. „Das Abitur ist nur eine Hochschulzugangs-Berechtigung, aber keine Verpflichtung“, so der Landeshandwerkspräsident.
Ob dieser Aussage bin ich ziemlich platt, muss ich sagen. Sollte sich wirklich bei der beruflichen Orientierung an Gymnasien in den letzten 30 Jahren nichts geändert haben?

Nachdenkliche Grüße übermittelt Ihnen
Sabine Andresen

cci172989

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