Meinung: Irgendwann raste ich aus

Sabine Andresen
Sabine Andresen, sabine.andresen@cci-dialog.de (Abb. © cci Dialog GmbH)

Ich bin allmählich richtig wütend über den gequirlten Mist, den man aus Berlin hört. So!

Tut mir leid, aber heute bin ich aus dem Häuschen und habe meine Contenance irgendwo verloren, nein, nicht irgendwo: beim Reinhören in ein Interview, das „The Pioneer“-Chefredakteur Michael Bröker mit Kanzleramtschef Helge Braun führt. Das Interview wurde am 2. Juli veröffentlicht.

Bröker konfrontierte Braun mit den Sorgen der Eltern, dass es auch bis zum Herbst kein vernünftiges Konzept für Präsenzunterricht geben wird und dass die Schulen bis dahin auch nicht mit vernünftiger Lüftungstechnik ausgestattet werden, obwohl ja inzwischen Fördergelder da sind.
So, und jetzt halten Sie sich fest.

Zitat Braun: „Luftfilteranlagen [Anmerkung der Redaktion: Es heißt Luftreiniger ODER Raumlufttechnische Anlagen, die Filter ENTHALTEN, man redet ja auch nicht vom KAFFEEFILTER, wenn man KAFFEEMASCHINE meint?!] sind „kein klassisch deutsches Produkt.“

Bitte WAS? Kennt da jemand seine eigenen Industrieunternehmen nicht?
Einer weitere Aussage von Braun stimme ich allerdings sorgenvoll zu. Laut Braun sei es nicht realistisch, „Luftfilteranlagen“ in dieser Größenordnung zu beschaffen. Es gebe Beschaffungsprobleme. Letzten Freitag dachte ich mir noch, ach komm. Gestern allerdings las ich in den Badischen neuesten Nachrichten, dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann in dieser Woche über die Ausrüstung von Schulen und Kitas mit Luftreinigern entscheiden will. „Im Südwesten gibt es mehr als 67.000 Klassenzimmer. Würde man alle ausrüsten, käme man auf Kosten von rund 270 Mio. €“, heißt es in der Zeitung. Pro Klassenzimmer ein Gerät. Wenn nun alle Bundesländer zeitgleich in die Beschaffung gehen, könnte man sich wirklich fragen, in welcher Zeitspanne die benötigten Geräte produziert und geliefert werden sollen.

Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen einen schönen Dienstag.
Ihre Sabine Andresen

cci132508

12 Kommentare zu “Meinung: Irgendwann raste ich aus

  1. Das finde ich schön, dass Sie sich auch mal mit den Wortakrobaten beschäftigen, da bin schon sehr lange dran, vielleicht auch besserwisserisch, um auch die Fachleute oder Experten dazu zu zwingen, sich „fachgerecht“ auszudrücken, denn wer sonst sollte dem allgemeinem Sprachgebrauch dann mehr abverlangen können.
    Beispiele dazu hätte ich genug:
    – „Messung von Luftmengen“ in m³/h (Mengen kann man mit dem Metermaß messen, Länge/Breite/Höhe; was gemeint sein soll, sind Volumenströme oder Mengen/h, aber das macht fast jeder umgangssprachlich falsch.) -„Treppenhäuser“ (das wären Häuser, die nur aus einem Treppenraum bestehen, richtig ist Treppenräume.)
    – „Klimaanlage“ (von Herstellern, die „kühle, frische Luft“ zum kleinen Preis anbieten. Nach meiner Ansicht reiner Betrug, denn das macht unsere Haut ja kostenlos, und bei zu viel feuchter Luft verdunstet unser Schweiß nicht und tropft nur ab.) Zu Ihrem Thema:
    Ob eine Umluftanlage auch eine raumlufttechnische Anlage ist, wenn diese im Aufstellraum ohne Luftleitungsanschlüsse arbeitet, ist umstritten, die DIN EN 16798-1 ist für „Lüftung von Gebäuden“ und beschäftigt sich mit hygienischen Außenluftvolumenströmen. Nach DIN EN 16798-3 Seite 28/29 handelt es sich nicht um Umluft, sondern um Sekundärluft. Ich würde bei den von Ihnen genannten Anlagen von „Umluftgeräten mit Luftfilterfunktion“, da teilweise steckerfertig, bei Geräten für Lüftung von Schulen mit AU/FO-Betrieb wären dies dann „Raumlufttechnische Anlagen mit Luftfilterfunktion“. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die gegen Viren wirksame Filterqualität!

    Hans Christian Sieber

  2. Ich kann Sie in Ihrer Meinung zu dem Interview in „The Pioneer“ nur unterstützen! Zeigt es doch einmal mehr, wie weit diese Bundesregierung und viele staatstragende Einrichtungen von der Realität entfernt „agieren“! Und ich setze noch „einen“ drauf: Kürzlich hatte ich mit einem befreundeten Bauleiter aus dem TGA- Bereich ein Gespräch, bei dem er darüber berichtete, dass das Montagematerial (C- Schienen, dessen Zubehör wie Schrauben, Muttern, Dämmung für Rohrleitungen usw.) knapp werden oder gar nicht mehr lieferbar sind. Dadurch können zahlreiche Installationsunternehmen ihre Aufträge nicht mehr wie geplant abarbeiten. Vertragsstrafen und vor allem Zahlungsprobleme bringen die Unternehmen an den Rand des Ruins. Vielleicht ist Ihnen ähnliches auch schon einmal bekannt geworden?!
    Es bleibt zu vermuten, dass vor dem Hintergrund des Wahlkampfes die meisten und drängenden Probleme dieser Zeit unbearbeitet oder gar unerkannt bleiben – mit gravierenden Spätfolgen – auch für unsere Branche. Ich habe mich sehr über Ihre klaren Worte gefreut! Herzlichen Dank!

    Volkart Otto

  3. Technischer Sachverstand ist in der Politik meist unerwünscht. Denn dieser wird dann gleich als „befangen“ bezeichnet. Ist eigentlich bekannt, wie viele Ingenieure, insbesondere Freiberufler, im Bundestag sind? Ich denke, die Zahl wird im Vergleich zu den Juristen gering sein.
    Ich kannte einen TGA-Planer, der in den 70er Jahren in den Bundestag gewählt wurde und nach einer Legislaturperiode nicht wieder gewählt wurde. Sein Büro war danach insolvent. Er engagierte sich für Energiefragen, denn 1973 war die große, von Technikern schon lang vorher angekündigte, Energiekrise. Es gibt nur wenige Berufe, die sich ohne Schaden für sich ins Parlament wählen lassen können.
    Als ich in den 80er Jahren kurz in der Politik tätig war und mich wegen eventueller „Befangenheit“ nicht für Energiefragen engagieren durfte, wollte ich nicht weiter machen. Ich hatte damals zwar ein Radwegnetz auf den Weg gebracht. Damals hatte ich einen Vorschlag gemacht, mit dem in meinem Ausschuss sämtliche Vertreter aller Parteien einverstanden waren, und da wurde mir vorgeworfen „dass ich den notwendigen Gegensatz zwischen den Parteien“ nicht beachtet habe. Wir dürfen doch nicht zum selben Ergebnis kommen. Ich sollte dann für „soziale Fragen“ zuständig sein, ich habe zwar Mitgefühl, aber ansonsten keine Ahnung davon, und hätte mich lange Zeit einarbeiten müssen. Diese kurze Einsicht in die Politik hat mir gereicht. Die Minister für Justiz sind Juristen, aber die Minister für Bauwesen oder Verkehr sind keine technischen Fachleute. Ein Jurist als Minister für Justiz wäre dann doch bei dieser Denkweise befangen? Demokratie ist mühsam und bringt Ärger – aber andere Systeme sind schlechter. Herr Lauterbach wird allerdings als Mediziner gehört, aber in der Technik darf man mit den Kenntnissen seines Fachs nicht antreten. Wie in der Politik mit „Sachverstand ohne Befangenheit“ gearbeitet werden kann, sollte auf den richtigen Weg gebracht werden. Allerdings auch Fachleute haben unterschiedliche Meinungen. Wir brauchen auch für unsere Technik ein RKI – vielleicht HRI oder andere – die der Regierung bei technischen Fragen die Richtlinien liefern. Damit dies keine Lobbyarbeit wird, müssten diese dann auch bezahlt werden.

    Reinhard Siegismund

  4. Und gehen wir noch einmal auf die Sorgen der Eltern ein – es wird auch bis zum Herbst kein vernünftiges Konzept für Präsenzunterricht geben. Die Politik hat unsere Kinder nicht im Blick!! Herr Maas, seines Zeichens – äh – Außenminister sieht Corona bereits ab August als „erledigt“ an, da dann „alle Menschen in Deutschland“ ihr versprochenes Impfangebot bekommen haben und es dann „rechtlich und politisch keine Rechtfertigung mehr für irgendeine Einschränkung“ gibt. Was bitte sind unsere Kinder, keine Menschen? Deren Impfsituation ist unklar, die dafür angeführten Gründe kann ich sogar in Teilen noch nachvollziehen. Dass sich Politiker aber dann hinstellen und „Herkunftsfragen“ von RLT-Anlagen diskutieren statt zu handeln, das ist schlicht und ergreifend bestürzend und macht mich eben auch am Ende nur wütend.
    Können wir nicht mehr tun, als hier zu diskutieren?
    Viele Grüße aus Berlin von Jörg Rieling (lediglich angemeldet als Jürgen Frantzen).

  5. Hallo an alle zusammen,
    sehr spannend, über was sich hier aufgeregt und diskutiert wird: Ein Fachfremder bezeichnet ein Gerät, das Viren aus der Luft filtert doch tatsächlich als eine Luftfilteranlage – hm, ein ziemliches Vergehen! Finde ich ähnlich schlimm wie wenn man einen Wärmeübertrager als Wärmetauscher bezeichnet.
    Erstaunlich, dass sich niemand außer Frau Andersen daran stört, das eine Luftfilteranlage kein klassisch deutsches Produkt ist. Für mich wäre der Aufreger daran aber, die Sinnlosigkeit der Aussage (Stichwort von Frau Andersen: gequirlte Scheiße) – was bitte spielt das in diesem Zusammenhang überhaupt für eine Rolle, ob ein Produkt ein klassisch Deutsches Produkt ist???!

    So, und jetzt werde ich mich hier unbeliebt machen, weil jetzt kommt mein persönlicher Aufreger (und ich übertreibe jetzt bewußt!): 4000 € für ein Rohr mit einem Lüfter und einem Filter! Für den Preis von 3 Stücken Rohr und 3 Lüftern und 3 Filtern bekomme ich woanders ein ganzes Auto, da sind dann zu den Lüftern und Filtern noch eine Klimaanlage, ein Motor, 4 Räder, Lichter, mindesten 50 Sensoren für alles mögliche dabei, und ein Radio hat es auch noch! Und von diesen Dingern soll ich dann zehntausende anschaffen, um sie dann in ein bis zwei Jahren wieder einzumotten? Vielleicht könnte die Industrie, die bei uns unter Corona wahrlich am wenigsten von allen gelitten hat auch ihr Scherflein zur Lösung der Probleme beitragen, ohne dass man den Staat, also uns alle, ausnimmt!

    Mein noch größerer Aufreger aber ist, dass in Bayern die Fördergelder an den Schulen explitzit nicht für Lüftungsanlagen verwendet werden dürfen, die dann wenigsten nachhaltig wären und auch für wache Schüler und Energieeinsparungen sorgen würden, sondern nur für die Luftreiniger, und auch da nur, wo über Fensterlüftung nicht gelüftet werden kann.
    Aber vielleicht ist das ja gut so, weil wir ja eh nicht nachkommen würden mit Herstellung und Einbau.

    So, und jetzt dürfen Sie alle auf mich schießen

  6. Hallo Frau Andresen, da haben Sie einmal voll ins Schwarze getroffen. Dr. Braun ist halt Dr. Braun, man kann seine Umgangssprache nur verzeihen. Ich hätte nur gerne gewußt wer all diese tollen Lüftungsanlagen oder wie heißen die auch noch, Luftreiniger, einbauen soll? So wie immer, hauptsache viel erzählt. Das ganze Lüftungsprogramm hätte schon längst erledigt sein Können und müssen. Unser Dr. Braun(Regierung/Länder) sollten doch besser mehr handeln wie reden, das fällt ihnen aber so schwer. Wie sagen wir im schwäbischen, hauptsache dumm daher geschwätzt. Ich wünsche Ihnen eine tolle Lüftungswoche Ihr
    Olaf Mayer(SV)

  7. Hallo Frau Andresen,
    finde ich gut, dass Sie das „wording“ beanstanden, viel zu oft wird ja auch alles von Halbwissenden durcheinander gewürfelt. Schlecht ist nur, wenn Sie dann den gleichen oder einen gleichlautenden Begriff in der eigenen Zeitung eine Seite später verwenden:
    Artikel Online-Virenrechner: …muss der Nutzer einige Eingaben vornehmen: …, zur Raumnutzung und zum Luftfiltergerät, sofern dieser vorhanden ist.“

    1. Hallo Herr Schmidt,
      Sie haben recht, daran sieht man einfach, wie schnell ein falscher Begriff im Kopf hängenbleibt. Ich habe es geändert – da der Begriff in einer Meldung in cci Branchenticker verwendet wurde, ging das problemlos. 😉
      Herzlichen Dank für den Hinweis!

  8. Bravo Frau Andresen
    für die „Sensibilisierung“ (mein Hauptwort in der Branchensprache).
    Nach meinen Tests und Luftkeim-Messungen für Schulen + KIGAS sind es (bisher) ausschließlich deutsche Luftreiniger
    (Wolf, Trox, Oxytec….), die tatsächlich Keimreduktionen (auch im ganzen Volumen des Klassenraums) bewirken.
    Seit der Pandemie gibt es plötzlich viele sogenannte Fachleute/Fachfirmen, die plötzlich was von Innenraum-Luft verstehen????
    Wollen aber nur am Förderkuchen mitnaschen. Sind auch gar nicht bereit, etwa neutrale Prüfungen beim z.B. Fraunhofer-Institut zu veranlassen.
    Aufgepasst RLT-Branche, daß unser Fachbemühen nicht einen Imageschaden erleidet!
    Rüdisser Ludwig, RLT-Optimierung, Österreich

    1. Nun möchte auch ich noch meinen Rand-Berliner Mostrich dazugeben:
      Handelt es sich bei „Luftfilteranlagen“ – dem Objekt des Ausrastens – um Lüftungsanlagen bzw. -geräte mit Filterfunktion oder um reine Luftfiltergeräte? Die erstgenannten erfüllen mit ihrer auf Luftwechsel bedachten Außenluftzu- in Kombination mit Abluft-Abführung eine reine Lüftungsfunktion ohne die in Frage kommende Luftfilterung mit allen damit verbundenen weiteren Vorteilen, wie z. B. CO2-Reduktion, bei der die Virenbelastung „weggelüftet“ werden soll. Mit Luftfiltergeräten wird dagegen lediglich ein Umluftbetrieb realisiert, bei dem in der Raumluft enthaltene Viren in entsrechenden Filtern weitestgehend zurückgehalten bzw. unschädlich gemacht werden sollen.
      Ehe ich konkret Stellung zur angefachten Diskussion beziehen kann, müsste mir jemand bzgl. meiner Fragen erst einmal auf die „Sprünge“ verhelfen. Inzwischen verweise ich auf einen meiner füheren Beiträge zur einheitlichen Fachsprache u. a. auch in der Lüftungstechnik.

      1. Hallo Herr Heinz,
        mich würde mal interessieren, wie Herr Braun ihre Frage beantworten würde. Er spricht ja ungenau von Luftfilteranlagen. Gemeint sind aber tatsächlich Luftreiniger im Umluftbetrieb, durch die in der Raumluft enthaltene Viren in entsprechenden Filtern weitestgehend zurückgehalten bzw. unschädlich gemacht werden sollen.
        Herzliche Grüße.

        1. Ich würde das auch so vermuten, liebe Frau Andresen, möchte aber auch darauf hinweisen, dass Herr Dr. Braun ein Mediziner ist, dem man „mildernde Umstände“ zubilligen sollte. Das gilt nicht gleichermaßen für die vielen Fachleute, die mit der Fachsprache ebenfalls auf „Kriegsfuß“ stehen. Löst Ihr Problem zwar nicht, zeigt aber dass da endlich wirklich mal was geschehen muss. Leider hat das DIN-Institut den entsprechenden „Kampfplatz“ mit dem nunmehr wieder zurückgezogenen Entwurf der DIN 4749:05.2018 „Terminologie“ ohne vorlegbares Resultat seiner jahrelangen Bemühungen (übrigens auch meiner in dem zugehörigen Arbeitsausschuss) wieder verlassen. gegenwärtig existiert national nur eine diesbezügliche VDI-Richtlinie, die aber wenig mit dem zu tun hat, was DIN unter lüftungstechnischen Termini verstanden wissen wollte – vermutlich der Stolperstein (k)einer Einigung über ein gemeinsames Papier. Schade, liebe Fachwelt. Wir werden weiter mit dem Erfindergeist unzähliger Wortschöpfer (auch weibliche) leben müssen.

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