Meinung: Die Metamorphose der (Nicht)Wohngebäude

Sabine Andresen (Abb. © cci Dialog GmbH)

Kürzlich las ich auf deutschlandfunk.de einen interessanten Beitrag, in dem ein Architekt mit Blick auf die Klimakrise forderte, nicht mehr neu zu bauen, sondern den Bestand gut zu nutzen. Er bemängelte auch, dass die Pro-Kopf-Wohnfläche viel zu groß sei. Das brachte mich zum Nachdenken.

Wohnraum wird immer dringender gebraucht. Dafür gibt es viele Gründe. Einer sei, dass seit 1950 sukzessive immer mehr Wohnraum pro Kopf gebraucht werde, sagt Florian Fischer-Almannai, Professor für Wohnbau in Aachen. (Link https://www.deutschlandfunkkultur.de/wohnen-quadratmeter-stadt-100.html). Die vorhandene Wohnfläche sei in den vergangenen Jahrzehnten weniger gewachsen als die Belegung, die aktuell im Schnitt bei rund 47 m² pro Kopf liegt. Anstatt neu zu bauen, müsse man den Wohnraum, der da ist, gut und solidarisch nutzen, so Fischer-Almannai. Er fordert eine Offensive des Umbaus und des besseren Nutzens von vorhandenem Wohnraum. Ich finde, der Mann hat recht. Betrachten wir doch mal die Lage. Jeder von uns kennt ältere Paare oder alleinstehende Senioren, die in Immobilien leben, die in den Jahren 1960 bis 1990 errichtet wurden. Einfamilienhäuser mit drei Etagen, Wohnflächen über 200 m², viele Treppen. Bewohnt – also im Sinne von wirklich genutzt – wird maximal die Hälfte des Platzes, bei körperlichen Einschränkungen noch weniger. Andererseits wohnen Familien beengt in kleinen Wohnungen. Das ist doch paradox – man wünschte sich so eine Art generationenübergreifendes Tauschabkommen.
Wie könnte nun, wenn man den Aussagen des Architekturprofessors folgt, eine „Offensive des Umbaus“ und damit des besseren Nutzens von vorhandenem Wohnraum aussehen? Man könne überschüssige Wohnfläche baulich „abzweigen“, sodass andere sie bewohnen können. Das wäre eine Idee. Aber denkt man mal über Wohngebäude hinaus: Mir kamen hier die vielen ungenutzten Büroetagen in den Sinn. Die Arbeitswelt hat sich seit der Corona-Pandemie ja so verändert, dass durch Home Office und Arbeitsplatz-Teilen (da geht das ja komischerweise) viel weniger Büroflächen benötigt werden. Ganze Etagen verwaisen. Warum nutzt man diese Nichtwohngebäude nicht um? Vereinzelt gibt es gute Beispiele von Umrüstungen, die teils etwas exotisch und aus der Not geboren anmuten. In Düsseldorf wurde ein Hochbunker zu einem Gebäudekomplex mit Wohnungen und Gewerbeflächen umgebaut. In Bad Cannstatt beherbergt ein ehemaliges Gefängnis nun acht Wohneinheiten. In der DDR war es nicht unüblich, Kirchen zu Wohnhäusern umzubauen (gut, das hatte andere Gründe).
Das ist ja schon mal was, aber ich frage mich: Warum gibt es immer noch keinen realisierten Plan der Bundesregierung zur baulichen Umnutzung von bestehenden Wohn- und Nichtwohngebäuden? Und eine entsprechende Förderung? Ich denke, es wird Zeit, hier auch mal um die Ecke und mutiger zu denken.

Ihre
Sabine Andresen
sabine.andresen@cci-dialog.de

cci193504

4 Kommentare zu “Meinung: Die Metamorphose der (Nicht)Wohngebäude

  1. Sehr geehrte Frau Andresen,
    aber das geht doch nun wirklich nicht. Sie können doch der privaten Wohnungswirtschaft nicht Ihr Geschäftsmodell des turbokapitalistischen Geldanhäufens in einem unregulierten Markt zum Nachteil der Menschen kaputt machen.
    Das wollte der Staat doch so haben, dass die Gewinne maximiert und die Bevölkerung keinen bezahlbaren Wohnraum findet. Dieser hier im Artikel letztendlich angedachte „Wohnraumaustausch“ muss ja irgendwie organsiert/geregelt/gesteuert werden. Aber das wiederspricht ja der Doktrin früherer Bundesregierungen vor allem unter CDU/FDP, die da der Meinung waren, der Markt macht das schon, es braucht keine Einmischung öffentlicher Hand. Wollen sie jetzt über „Wohnungstausch“ diese Flächen dem Markt entziehen?
    Grundsätzlich natürlich eine tolle Idee, so Wohnraum, – und auch wieder in zentralen Lagen (z.B. ehem. Böro´s) – zu schaffen. Aber wird der bezahlbar sein? Und werden dann die privaten teils schon fast marktbeherrschenden Immobilienunternehmen am Ende da nicht sauer?
    Der Markt macht das, aber zu seinen Bedingungen und zu seinem (gewinnmaximierenden) Vorteil.
    Mit freundlichen Grüßen
    Im Auftrag
    Ulli Precht

  2. Ich bewohne selber mit meiner Frau ein Einfamilienhaus mit ca. 160 m². Seit dem auch unsere 3. Tochter vor 2 Jahren ausgezogen ist, steht die obere Etage leer.
    Da es leider keine abgeschlossene Trennung zwischen beiden Etagen gibt, kommt einen Vermietung nicht in Frage.
    Ein Verkauf und Kauf einer kleineren Wohnung haben wir auch verworfen. Beim Kauf einer neuen Wohnung im Wert von ca. 300.000 Euro würden ca. 20.000 Grunderwerbssteuer anfallen.
    Da behalten wir lieber das Haus und warten ab, ob vielleicht eine unser Töchter sich wieder in unserer Stadt ansiedelt und das Haus übernimmt.
    Vielleicht sollte der Stadt bei einem solchen Tausch bzw. Verkäuf die Grunderwerbsteuer senken oder sogar auf null setzten.

  3. Sehr geehrte Frau Andresen,
    hinsichtlich Ihres Artikels, möchte ich Ihnen zur weiteren Überlegung, ein paar Hinweise geben.
    Bei der Parzellierung von Räumlichkeiten, muss darauf geachtet werden, dass der Umbau auch über eine gewisse Amortisations-Laufzeit umzurechnen ist.
    Abgesehen von der geforderten Abgeschlossenheit einer Wohnung, muss hier auch die Bewirtschaftungsfrage gelöst werden. (Grid, DC, Netz, Heizung, Lüftung, Klima)
    Alles Fragen, die heute einfach zu lösen sind, wenn rechtzeitig bedarfsgerecht geplant wird.
    Als Entwickler vom ®Thermushaus, wäre es für mich ein Leichtes, da „mitzuspielen“.

    Ihr
    Dipl.-Ing. Jörg-Ulrich Bunge, VDI

  4. … und nicht nur das. In Deutschland besteht nach letzten Berechnungen die Möglichkeit, 300 000 WE durch die Aufstockung bereits bestehender Mehrfamilienhäuser, aber auch von Einfamilienhäusern zusätzlich zu schaffen. Fast ein Jahresbedarf des durch die Bundesregierung definierten jährlichen Zubaubedarfs.

    Und das interessante daran: Die Infratsruktur für die neuen Bewohner ist vorhanden. Die Industrie hat bereits die Lösungen verfügbar, um die zusätzlichen Wohneinheiten autark vom bereits bestehenden Gebäudeteil mit Wärme/ Wasser & Luft (Mikrowärmepumpen/ Luft-Luft-Wärmepumpen) zu versorgen mit energetisch maximaler Effizienz. Es muss nur angegangen werden. Gab es da nicht einmal vor längerer Zeit eine Förderung für die Schaffung neuen Wohnraums im Bestand?

    Übrigens: Zum Thema Umwidmung von Büroimmobilien in Wohngebäude. Da gibt es ein tolles Beispiel aus Frankfurt-Niederrad. Ein Hochhaus, dessen Büros zu Wohnungen umgewandelt und das Gebäude energetisch effizient saniert wurde. Architekt war das renommierte Büro FORSTER aus Frankfurt. Ich durfte damals für das tolle Projekt die Lüftung (dezentral) konzipieren und dann auch liefern. Wenn ich das Gebäude sehe, fühle ich auch heute noch ein wenig Stolz über meinen Beitrag aufkommen.

    Sonnige Grüße aus Hessen

    Ralph Langholz

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