So hilft SG Ready bei der Wärmewende

Seit 1. Januar 2023 schreibt die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) vor, dass Wärmepumpen über Schnittstellen verfügen müssen, über die sie automatisiert netzdienlich aktiviert und betrieben werden können. Das geht zum Beispiel mit dem Standard „SG Ready“. Nachdem der in den Förderbedingungen angesprochene SG-Ready-Standard schon vor etwa zehn Jahren vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP), Berlin, spezifiziert wurde, ist es spätestens jetzt an der Zeit, sich mit den damit verbundenen technischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

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Beginnen sollte man mit dem Begriff des „netzdienlichen Verhaltens“, der die Sichtweise der Stromnetzbetreiber einnimmt. Als netzdienlich gelten für Netzbetreiber elektrische Anlagen in Form von Stromerzeugern, -verbrauchern oder -speichern, die dazu beitragen, die Netze zu stabilisieren und die Netzkosten zu verringern. Das kann wahlweise durch die Reduktion von Netzengpässen, des Netzausbaubedarfs oder eine optimierte Betriebsführung erfolgen. Insofern ist eine der möglichen SG-Ready-Betriebsarten dafür vorgesehen, eine Wärmepumpe für bis zu zwei Stunden vom Normalbetrieb in den Ruhezustand zu versetzen. Damit könnte der Smart-Grid-Netzbetreiber im Fall einer Überlastsituation durch zu hohe Nachfrage nach elektrischer Energie den Netzbetrieb stabilisieren. Da es in Deutschland aber noch kein Smart Grid gibt, spielt diese Möglichkeit im Moment praktisch keine Rolle.

Von Bedeutung ist das Thema heute vor allem für alldiejenigen, die ihre Wärmepumpe mit selbst erzeugtem Strom aus einer Photovoltaikanlage (PV) betreiben wollen. Es geht dabei darum, diese datentechnisch miteinander zu verbinden, um Angebot und Nachfrage zu orchestrieren – und das im Verbund mit allen anderen Stromverbrauchern im betreffenden Haushalt, die zum Beispiel über Kühlschrank, Gefriertruhe und Stand-by-Geräte quasi die Grundlast definieren, wohingegen Waschmaschine oder Wallbox für Spitzenlasten sorgen. Technisch gesehen beschreiben die Spezifikationen des BWP für das SG-Ready-Label zwei binäre Eingangssignale (potenzialfreie Eingänge) einer Wärmepumpe, um das Betriebsverhalten durch externe Systeme zu beeinflussen. Die Abkürzung „SG“ steht dabei für „Smart Grid“, also für intelligente Stromnetze. Es ist davon auszugehen, dass die SG-Ready-Erfinder vor mehr als zehn Jahren nicht an den lokalen Verbundbetrieb einer Wärmepumpe mit einer PV-Anlage und Batterie, sondern vielmehr an eine Fernsteuermöglichkeit für Netzbetreiber gedacht haben, zum Beispiel im Rahmen virtueller Kraftwerke

Tabelle 1: Den zwei binären Eingangssignalen sind vier mögliche Betriebszustände von Heizungswärmepumpen zugeordnet, die deren Regler berücksichtigen muss (Alle Abb. © SSV Software Systems GmbH).

Verbundlösungen schaffen

Die theoretisch optimale CO2-Bilanz würde sich durch den Verbundbetrieb von Wärmepumpe und PV-Anlage einstellen. Dabei entstehen natürlich auch Betriebskostenvorteile. Anbieter und Betreiber von Wärmepumpen verfolgen daher schon seit Jahren das Ziel, den Strombedarf einer Wärmepumpenheizung mit selbst produziertem Solarstrom zu decken. Insofern gibt es nicht nur Wärmepumpen, die das SG-Ready-Eingangsdatenbild unterstützen, sondern inzwischen auch PV-Wechselrichter mit SG-Ready-Ausgang.

Technisch gesehen ist es allerdings eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die interdisziplinäres Expertenwissen erfordert, einen solchen Systemverbund zu betreiben. Zum einen fällt der größte PV-Ertrag in der Regel dann an, wenn Gebäude den geringsten Heizbedarf haben. Zum anderen ist die Regelgröße einer Wärmepumpe stets der Wärmebedarf. Die aktuell verfügbare PV-Eigenstrommenge spielt dabei keine Rolle.

In der Praxis hat sich daher bislang ein relativ simpler Verbundbetrieb mit Relaiskontakt und einstellbarer Einschaltschwelle durchgesetzt. Dafür wird an einem Wechselrichter mit SG-Ready-Unterstützung eine Anschlussleistung plus Schalthysterese voreingestellt. Wird dieser Wert von der aktuellen PV-Anlagenerzeugungsleistung für die Dauer der Einschalthysterese überschritten, schließt der Wechselrichter den Relaiskontakt und signalisiert damit der Wärmepumpe, dass nun der sogenannte SG-Ready-Zustand 4 vorliegt (Anlaufbefehl beziehungsweise definitiver Betrieb).

Abbildung 1: Für den Systemverbund aus Photovoltaik (PV)-Anlage und Wärmepumpe hat sich in der Praxis eine simple Relaissteuerung etabliert: Der PV-Wechselrichter signalisiert der Wärmepumpe über einen geschlossenen Relaiskontakt, dass ein „Überschuss“ an selbsterzeugtem Solarstrom existiert. Die Einspareffekte durch die PV-Stromnutzung sind relativ gering. Größtes Problem: Auf Grund des fehlenden Stromspeichers haben Angebot und Bedarf eine geringe Schnittmenge.

Während der Winterzeit (Heizperiode) könnte die Wärmepumpe nun mit maximaler Leistung heizen – zumindest so lange, bis die Heizgrenze erreicht wird, zum Beispiel die maximale Vorlauftemperatur im Heizkreislauf. Liegt das Wechselrichtersignal weiterhin vor, kann eine entsprechend ausgerüstete Wärmepumpenanlage noch einen elektrischen Heizstab aktivieren und die Temperatur eines Warmwasserspeichers bis an dessen Obergrenze erwärmen. In der Sommerzeit (kein Heizbetrieb) würde nur Letzteres funktionieren. Bei einer Wärmepumpe ohne Heizstab lässt sich der selbsterzeugte PV-Strom somit nur während der Heizperiode nutzen.

Die datentechnische Perspektive

Verglichen mit leistungsfähigen Fahrerassistenzsysteme in Automobilen, die mit Hilfe moderner Kommunikationstechnik und datenbasierten Algorithmen inklusiver künstlicher Intelligenz sogar das vollständig automatisierte Fahren möglich machen, ist eine SG-Ready-Wärmepumpe mit Relaiskopplung zum PV-Wechselrichter datentechnisch bestenfalls „frühes Mittelalter“. Aber durch den Einsatz moderner IT-Technik lässt sich auch ein Wärmepumpensystem mit PV-Eigenstromversorgung deutlich effektiver und effizienter gestalten. Dafür wird die SG-Ready-Relaisverbindung zwischen Wechselrichter und Wärmepumpe aufgetrennt. Stattdessen erfolgt eine indirekte Verbindung über einen intelligenten Regler, der als Energiemanagementsystem arbeitet.

Abbildung 2: Die Effektivität der PV-Stromnutzung verbessert sich, wenn ein Batteriespeicher hinzugefügt wird. Allerdings ist zur Energieeffizienzoptimierung unter Ausnutzung der gegenwärtigen technischen Möglichkeiten zwischen Wechselrichter und Wärmepumpenregler ein intelligenter Regelalgorithmus erforderlich. Eine solche Softwarekomponente lässt sich als integraler Bestandteil kostenoptimiert direkt im Wechselrichter oder in der Wärmepumpe realisieren.

Dieser Regler benötigt allerdings ein möglichst vollständiges Datenbild der Anlage. Dazu gehören zunächst einmal die (statischen) technischen Daten aller Komponenten inklusive des PV-Batteriesystems, aber auch Angaben zur Speicherfähigkeit des Heizkreislaufs und Warmwasserkessels sowie zur Grundlast aller elektrischer Verbraucher im Gebäude. Zusätzlich werden dynamische Betriebsdaten vom PV-Wechselrichter, Zweirichtungsstromzähler, Batterieladecontroller sowie von verschiedenen externen Messfühlern benötigt, zum Beispiel für die Temperaturen im Heizkreislauf und Warmwasserspeicher sowie Präsenzsensoren, die für die zu beheizenden Räumen erfassen, ob jemand anwesend ist. Auch eine Internet-Datenverbindung zur Wettervorhersage ist sinnvoll, um die elektrischen und thermischen Speicherkapazitäten vorausschauend bewirtschaften zu können. Ausgangsseitig sollte der intelligente Regler zumindest die SG-Ready-Zustände 3 und 4 an die Wärmepumpe übermitteln sowie eine Führungsgröße zumBatterie-Lademanagement übertragen können. Zum Zwecke der Effizienz ist es ferner erstrebenswert, dass der Regler beeinflussen kann, ob selbsterzeugter PV-Strom direkt genutzt, als elektrische Energie in der PV-Batterie oder als thermische Energie im Heizkreislauf beziehungsweise Warmwasserspeicher gespeichert wird. Eine solche Steuerverbindung trägt auch zum batterieschonenden Laden und Entladen bei, was sich wiederum positiv auf die Batterielebensdauer auswirken kann.               

Wärmepumpe mit digitalem Zwilling

Einige wichtige Fragestellungen in Bezug auf besagten intelligenten Regler sind, wer ihn liefert und wer die Verantwortung für die fachgerechte Inbetriebnahme sowie den optimalen Betrieb übernimmt. Technisch wäre ein solcher Regler als interne Funktionseinheit des Wechselrichters oder der Wärmepumpe realisierbar. Auch eine externe Box, die von einem weiteren Marktteilnehmer bezogen wird, ist denkbar. Praktikabel ist aber wohl nur der Einsatz direkt in der Wärmepumpe. Denn die trifft schließlich die Entscheidung, ob PV-Strom für den Heizbetrieb genutzt wird oder nicht. Des Weiteren hat die Wärmepumpe direkten Zugriff auf Messfühlerdaten wie die Temperaturen im Heizkreis und Warmwasserkessel sowie in der Regel auch eine Einbindung in das Heimnetzwerk und einen Internetzugang. Letzterer lässt sich vielfältig nutzen. Typische Anwendungen sind Zustandsabfragen und Einstellungsänderungen per Fernzugriff, Fernwartungen durch besonders geschulte Techniker (Remote Assistance), Software-Updates und automatische Störungsmeldungen. Auch der Zugriff auf Wetterprognosen sowie die Integration digitaler Zwillinge mit automatischem Monitoring und Anlageneffizienz-Benchmarking sind möglich.

Abbildung 3: Energiemanagementfunktionen direkt in der Wärmepumpe ermöglichen eine optimale thermische Speichernutzung (Heizkreislauf, Warmwasserkessel) und bei einer geeigneten Datenverbindung auch das bedarfsgerechte Bewirtschaften eines PV-Batteriespeichers. Durch die Integration der Reglerfunktionen in die Wärmepumpe plus die Cloudanbindung sind bei Bedarf auch die neuen Anforderungen des EU Cyber Resilience Act erfüllbar. 

Fazit

Zur Optimierung der PV-Eigenstromnutzung ist ein SG-Ready-Relaiskontakt zwischen dem Wechselrichter einer PV-Anlage und einer Wärmepumpe nahezu wirkungslos. Der einzige praktische Nutzen wäre der SG-Ready-Zustand 1 (Wärmepumpe für maximal zwei Stunden ausschalten), also das Deaktivieren im Fall einer Überlastsituation durch den Netzbetreiber. Energieeffizienzoptimierungen für den Betreiber benötigen dagegen eine neue SG-Ready-Version, die eine zeitgemäße Datenverbindung spezifiziert und zum Beispiel für die Zustände 3 und 4 auch Modulationswerte zwischen 0 und 100 % übermitteln kann. Damit ließen sich auch Wärmepumpen mit leistungsmodulierter Invertertechnik optimal netzdienlich nutzen. 

Zum Download: BWP-Regularium des SG-Ready-Labels für elektrische Heizungs- und Warmwasserwärmepumpen und kompatible Systemkomponenten.

*Autor: Klaus-Dieter Walter ist Geschäftsführer der SSV Software Systems GmbH, Hannover. Das Unternehmen entwickelt und produziert seit 1985 Embedded-Systeme und Baugruppen, die zusammen mit spezieller Software für anspruchsvolle Kommunikationsaufgaben in der Industrie- und Prozessautomatisierung eingesetzt werden

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Ein Kommentar zu “So hilft SG Ready bei der Wärmewende

  1. Nicht nur die Relaiskopplung zum PV-Wechselrichter ist datentechnisch bestenfalls „frühes Mittelalter“.
    Wenn man heutzutage seinen neuen Stromzähler ablesen möchte, muss man sich zunächst einen PIN-Code beim Verteilnetzbetreiber erbetteln. Aus der Bedienunganleitung kann man dann entnehmen (Originaltext):

    „Damit Sie die PIN eingeben können, nutzen Sie bitte die mechanische oder (falls vorhanden), die„optische Taste für Displayanzeige“ auf der Vorderseite Ihres Gerätes. Die optische Taste reagiert auf sichtbares Licht. Am einfachsten lässt sich die Taste mit einer handelsüblichen Taschenlampe „betätigen“. Bewegen Sie zum „Schalten“ die Taschenlampe in Richtung
    „optische Taste“ bzw. davon weg. … Nach der erfolgreichen PIN-Eingabe können Sie durch die verschiedenen Anzeige-Register blättern indem Sie die Taste jeweils einmal drücken oder die optische Taste jeweils 1-mal beleuchten.“

    Kann man mit solchem Kommunikationsstandard für Stromzähler erwarten, dass man die Energiewende tatsächlich hinbekommt?

    Auch an solchen banalen Kopplungen zwischen Messeinrichtungen, Erzeugern und Verbrauchern sollte mit Deutschlandgeschwindigkeit gearbeitet werden, damit man datentechnisch nicht alles mit babylonischer Sprachverwirrung doppelt und dreifach einbauen muss. Smart geht anders.

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